Pariser   Hypothesen

,, Man rechnet mit blutigen Vergeltungsakten...- Die Saarländer  entscheiden auch über die nächste Zukunft des dritten Reides"

Paris  , 13. Januar 1935.

( Bor fer Rorrespondenten.)

Die Sonntagsblätter veröffentlichen fast sämtlich bemer­tenswerte Berichte von den legten Phasen des Ab­it immungsfampes. Sie geben Daritellungen von Terroraffen, mit denen die Hitlerfront das Abstimmungs­ergebnis zu beeinflussen veriuchte und auch beeinflußt hat. Darin sind sich alle französischen   Zeitungen von der äußersten Rechten bis zur äußersten Pinfen einig, daß man von einem freien und unbeeinflußten Abstimmungsergebnis unter feinen Umständen sprechen kann, und es ist bezeichnend, daß gerade der Saarbrücker   Sonderberichterstatter des angesehe= nen Petit Parisien", eines Blattes, das bekanntlich dem französischen   Außenministerium nahesteht, seinen Saarbericht mit den Worten schließt:

Wahrscheinlich wird die Abstimmungskommission in ihrem Bericht an den Völkerbund auf die Manöver der deutschen Front" zur Beeinflussung der Saarabstimmung hinweisen und verlangen, daß man diese Tatsache bei der Entscheidung berücksichtigt."

Zahlreiche Zeitungen berichten davon, wie man versucht hat, die abstimmungsberechtigten uden von der Wahl­

einem Hitleranhänger erhalten. Dieser sei natürlich sicher gewesen, daß die Majorität für Deutschland   mindestens 85 Prozent betragen würde. Dann iäße Hitler zumindest wieder für ein Jahr sicher im Sattel und hätte sein Ansehen bei den Massen ebenso wie seine Autorität bei seinen bürger­lichen und militärischen Mitarbeitern wiedererlangt.

Zu neuen Mezeleien hätte er die Hände frei, um sich gegen die ihn bedrohenden Intrigen zu behaupten. Ein neuer 30. Juni innerhalb eines Zeitraumes von sechs Wochen wäre die Folge eines Hitlertriumphs am 18. Januar, und die religiösen Verfolgungen würden dann von neuem be: ginnen.

Würde Hitler   aber eine Niederlage ers leiden, das heiße, feien mehr als 25 Prozent für den Status quo, dann ginge es mit Gitler zu Ende. Wladimir d'Ormesson   schließt mit den Worten, in den Händen der Saarwähler ruhe nicht nur die Ent­scheidung über das Schicksal eines Mannes, fondern auch die über ein Regime, ein System, einen sozialen und reli­giösen Vorgang, in wenigen Worten, die Entscheidung über eine Kultur.

urne fernzuhalten. Der Bopulaire" versichert, aus aan Die französische   Grenzsperre

zuverlässiger Quelle zu wissen, daß braune Rollkommandos aus dem Reiche, die sich illegal an der Saar   aufhielten, Autodales von roten Fahnen, Ueberfälle auf Häuser, in denen bekannte Status- quo- Anhänger wohnten und blu= tige Vergeltungsatte gegen die Vorkämpfer für den Status quo für die nächsten Tage vorbereiteten. Diese Rollfommandos hätten ihre Basis in Zweibrücken  .

Die Saarländer   ständen unter einem solchen Terror, so berichten zahlreiche französische   Sonderforrespondenten in ihren Blättern, daß nur wenige sich offen äußerten. Abge­sehen aber von dem Terror, müsse man auch gewisse andere Imponderabilien in Rechnung ziehen, von denen Gene viève Tabou is, die den Deuvre" an der Saar   vertritt, den Lesern dieses Blattes erzählt:

,, Sie habe mit einigen katholischen Missionaren gesprochen, deren einer sogar ang Patagonien gekommen sei, um an der Abstimmung teilzunehmen. Diese Missionare hätten gesagt, fie fönnten schon deshalb nicht für den Status quo stimmen, weil, wenn dieser zuviel Stimmen auf sich vereinen würde, zu fürchten sei, daß die in Deutschland   lebenden Katholiken darunter zu leiden hätten...

Sehr wesentlich und bedeutungsvoll erscheinen die Aus­führungen, die einer der bedeutendsten französischen   Jour­nalisten, Wladimir d'Ormesson im Temps" macht. Er sagt unter anderem: Am 13. Januar spiele das Hitler­regime um die Entscheidung, bei der es seinen Kopi ein­setze. Die inneren Verhältnisse im dritten Reich", Unruhe und Ungewißheit. die dort herrschten, die unterirdischen Intriguen, hätten eine Situation aeschaffen, die durch eine Verschiebung von einigen tausend Stimmen in diesem oder jenem Sinne eine entscheidende Aenderung erfahren könne. Drei Möglichkeiten seien vorhanden. Die Abstimmung fönne für Hitler einen großen Erfolg bedeuten, eine Schlappe oder eine völlige Niederlage. Zum Erfolge brauche er menigstens 85 bis 90 Prozent der Stimmen. Eine Schlappe fei es, menn feine Maiorität nur über 75 bis 80 Prozent der Stimmen verfüge. Eine völlige Niederlage aber sei es, wenn er nicht einmal 75 Prozent erreiche. D'Ormesson betont, daß er das nicht so ohne wei­teres hinschreibe, er habe diese Zahlen im März 1934 von

Die Zuchthausmaschine

Die braune Presse berichtet

Berlin  , 14. Januar.

Der zweite Senat des Volksgerichtshof   fällte nach drei­tägiger Verhandlung das Urteil gege ndie Mitglieder der angeblich fommunistischen Vaßfälscher- Zentrale Deutschlands  . Bis auf die beiden weiblichen Mitangeflagten, gegen die das Verfahren auf Grund der Amnestie eingestellt wurde, sprach das Gericht sie der Vorbereitung zum Hochverrat in Tat­einheit mit schwerer Urfundenfälschung für schuldig und ver­urteilte sie zu hohen Zuchthausstrafen. Im einzelnen erhielten der 37jährige Richard Großfopf und der 32jährige Karl Wiehn je neu Jahre, der 37jährige Paul Eggert und der 49jährige Walter Benzmann je acht Jahre Zuchthaus. Auf diese Strafen wird die Untersuchungshaft mit 12 bis zit 20 Monaten angerechnet. Die Beweisaufnahme habe, so führte der Vorsitzende in der Urteilsbegründung aus, mit voller Sicherheit ergeben, daß die fünf männlichen Angeklagten in vollem Bewußtsein ihrer strafbaren Tätigkeit im Dienste der Roten Paßfälscher- Zentrale gearbeitet hätten. Schultz sei vom Jahre 1932 bis mindestens zum Jahre 1929 der Lieferant der Klischees und Stempeln gewesen.

Darmstadt  , den 14. Januar 1935.

Vor dem Straffenat des Oberlandesgerichts hatten fich am Freitag und Samstag zwanzig Angeflagte aus Darm: stadt wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu verantworten. Es handelt sich größtenteils um frühere Kommunisten zwi­

Alle Visa für Saarländer   zunächst ungültig

Die Regierungskommission des Saargebietes, Direktion des Innern, veröffentlicht folgende Notiz:

Nachdem von der Regierungsfommission für alle Perio­nen, die sich in das Saargebiet begeben wollen, die vorherige Einholung einer Einreisegenehmigung zur Pilicht gemacht wurde, hat die französische   Regierung beschlossen, daß ab 13. Januar 1935, nachmittags 3 Uhr( saarlän­dische Zeit) die Inhaber von jaarländischen Reise­pässen für deutsche   Staatsangehörige zur Ueberschreitung der Grenze im Besitze eines besonderen Visums sein müssen.

Infolge dieser Maßnahme sind sämtliche von der Regie: rungsfommission erteilten Einreisegenehmi­gungen für Frankreich   ungeachtet ihrer Geltungsdauner hinfällig und müssen durch ein Visum des franzö sischen Konsulats ersetzt werden.

Jeder Saareinwohner, der sich nach Frankreich   begeben will, ist daher verpflichtet, sich in seinen saarländischen Reises paß( roter Personalausweis genügt nicht) ein Visum bei dem französischen   Konsulat eintragen zu lassen.

Jede Person, die die Grenze ohne dieses Visum zu über­schreiten versucht, setzt sich der Gefahr einer Zurückweisung aus. Entsprechende Formulare zur Beantwortung des Vi­frms können von den Interessenten in Saarbrücken   bei der Direktion des Innern. Verkehrsabtei=

und für das übrige Saargebiet bei den Bürgermei sterämtern in Empfang genommen werden. Die Formulare müssen in doppelter Ausfertigung vorgelegt werden, Wei­tere Ausfünfte erteilt das Französische   konsulat, Saarbrüden, Trillerweg 6.

Die augenblicklich in Kraft befindliche Reglung für Grenz­karten wird durch diese Bestimmungen der französischen   Re­gierung nicht berührt.

Mitglieder angeworben; Reiser setzte sich mit einem in die Tichechoslowakei geflüchteten Emigranten, dem 32jähri= gen Karl Bar B. in Verbindung. Bei einer Zusammen­funft vereinbarten die beiden alles Nähere wegen der Ab­nahme und Verbreitung der Flugblätter und Broschüren. Der Plan mißlang. Bei dem ersten Versuch, etwa zwei tausend fommunistische Broschüren und Flugblätter über die tschechische Grenze zu schmuggeln, wurden die sechs Hoch­verräter gefaßt.

..Da kommt ein großer Hund...

Berliner   Edelhumor

15. Januar 1935

15. Januar. Morgens halb zehn.

Von Fritz Hoff

Hent wollen die Stunden nicht vergehn. Der Kumpel im Ruhrichacht fragt den Steiger: Noch fein Ergebenis?" Es friecht der Zeiger Der Uhr im langjamen Kreise herum.

Der Steiger schüttelt den Kopf, bleibt stumm. Der ganze Schacht fiebert: Wie stimmte die Saar  ? Kommt das Signal? Ist es wahr, ist es wahr....? Sat er begriffen, der Saarprolet, Daß es um uns, seine Brüder, geht?

15. Januar. Morgens halb zehn.

Der eine Arbeitslose bleibt stehn: ,, Die Glocken länten nicht! Mensch, die Genossen Im Saargebiet haben den Ring geschlossen. Der eifern um Hitlers Hala fich gelegt!" Der andere nicht nur, stumm und bewegt. Und beide denken den gleichen Gedanken: Jetzt fallen anch bald in Deutschland   die Schranken! Sat er begriffen, der Saarprolet, Daß es um uns, seine Brüder, geht?

15. Jaunar. Morgens halb zehn. Warum sind noch feine Fahnen zu sehn? Warum kein Jubel, fein Glockenläuten? Das hat doch irgendwas zu bedeuten? Die Menschen in Deutschland   sehen sich an, Sie begreifen langsam, es weicht der Bann, Sie möchten schreien, sie wagen's nicht, Und doch steht die Frage auf jedem Gesicht: Hat er begriffen, der Saarprolet, Daß es um uns, seine Brüder, geht?

allen Gegenden standen gegen die Mittagszeit kleine und große Schneemänner. Das wäre nichts besonderes und auch nicht weiter erwähnenswert, wenn nicht der Berliner  Humor sich auch des Schnees bedient hätte, um eine wohl­gelungene Karikatur von dem berüchtigten Separatisten­führer Max Braun   aufzubauen. Am Kurfürsten­ damm  , an der Ecke der Augsburger Straße entstand unter den flinken Händen einiger Kinder mit Unter­stützung von Erwachsenen ein dickleibiger Schneemann mit großem Kopf und abstehenden Ohren, der seine Zähne bleckt und dem die Haare, aus kleinen Hölzern hergestellt, zu Berge stehen. Eine breite rote Schärpe schmückt die Lenden und zum Gaudium aller Passanten ziert die Brust ein großes Schild mit der Aufschrift: Mas Brauit faltgestellt". Noch während die kleinen Künstler sich die Hände warm reiben, kommt ein großer Hund angelaufen schnuppert an dem auf Eis gestellten Mann einmal und noch einmal herum, verweilt furze Zeit und icharrt dann den Schmus in hohe m Bogen gegen die Karikatur des Landesver räters. Der Berliner   Humor feierte wie der einmal einen kleinen Triumph! Wahrhaftig: Der Berliner   Humor ist etwas Herrliches!

Landflucht

Trotz aller gegenteiligen Bemühungen

Aus einer Aufstellung der Arbeitsgemeinschaft der statistischen Aemter westdeutscher Städte ergibt sich, daß die Einwohnerziffern der großen westdeutschen Kommunen seit dem Oftober 1933 eine ständige Zunahme verzeichnen können. Während Köln   im Oftober 1933 eine Einwohner­zahl von 744 247 hatte, betrug sie im gleichen Monat des Jahres 1934 758 884. Jn Düsseldorf   bezifferte sich die Zunahme in dem gleichen Zeitraum auf 8954 Einwohner, womit die Bevölkerung von Düsseldorf   auf 505 389 stieg, in Trier   stieg sie von 75 179 auf 78 525, in Aachen   von 163 358 auf 163 770, in Neuß   von 56 659 auf 57 144, in Essen von 653 955 auf 657 278, in Dortmund   von 529 597 auf 541 026, in Duisburg Hamborn   von 434 116 auf 440 249, in Bochum   von 311.668 auf 313 419, in refeld= Uerdingen   von 165 905 auf 166 468, in Mülheim= Ruhr von 132 803 auf 134 010, in Bonn   von 91 385 auf 99 185. Es gibt allerdings auch einzelne Städte in West­

In der Deutschen Front" liest man folgenden Bericht deutschland  , deren Bevölferungsziffer in der Vergleichszeit aus Berlin  :

Der von den Rodelschlittenbesißern und von den Ski­läufern langersehnte Schnee wirbelte Sonntag vormittag mächtig in dichten Flocken auf ganz Berlin   herunter. In

etwas zurückgegangen ist, doch ist ihre Zahl außerordentlich gering. So hat z. B. Wanne- Eickel   einen Rückens der Be­nölferungszahl von 92 154 auf 91 522 und, enn von 332 855 auf 330 695 zu verzeichnen.

Volle Entrechtung der Nazi- Arbeiterschaft

fchen dem 30. und 40. Lebensjahr, die versucht hatten, die Die NSBO.- Zellen haben nichts zu sagen

Kommunistische Partei   aufrechtzuerhalten. Zu diesem Zwecke hatten sie sich in Gruppen organisiert und illegale Flug­blätter gegen Entgelt bezogen sowie Beiträge abgeliefert. Wie der Vorsigende in der Urteilsbegründung ausführt, mußte gegen einige sehr streng vorgegangen werden, weil fie intelligent feien und politische Schulung befäßen, dagegen fam als strafmildernd bei anderen in Betracht, daß sie durch langjährige Arbeitslosigkeit und Not den Einflüsterungen leichter zugänglich gewesen seien. Neun Angeflagte erhielten Zuchthausstrafen zwischen fünf und zwei Jahren sowie vier bis fünf Jahre Ehrverlust, zehn Angeklagte Gefängnis strafen von zwei Jahren bis zu sechs Monaten. Ein Ange­flagter wurde mangels Beweises freigesprochen.

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München  , den 13. Januar 1935. Das Oberite Pandesgericht München verurteilte sechs Strajen von zwei bis vier Jahren wegen Vorbereitung eines Kommunisten aus München   und Hausham   zu Zuchthaus hochverräterischen Unternehmens. Gleichzeitig wurden den Berurteilten die bürgerlichen Ehrenrechte auf fünf Jahre aberfannt.

Der Hauptangeflagte, der 24jährige Heinrich Reiser aus München  , hatte die Einführung von fommu­nistischem Agitationsmaterial aus der Tschechoslowakei vor­

Berlin, 11. Januar.

Es ist sehr erfreulich, daß die braune Presse heute, also 2 Tage vor der Abstimmung, an versteckter Stelle die Gr­flärung des Vorsitzenden des Obersten Ehrengerichts des Reichsstandes des deutschen   Handels, Landgerichtsrat Rohlfing, über die rechtliche Stellung der NSBO.­Angehörigen bringt. Diese Erklärung einer für Streitig feiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer maßgebenden sönlichkeit zeigt mit aller Deutlichkeit, daß die rPe. Buml

Belegschaft zur Teilnahme an den verschiedenen Kundge­bungen zwingen sollen, daß fie die zahlreichen Lohnabzüge unterstützen, die Belegschaft zum Gehorsam gegenüber dem Unternehmer, der heute Betriebsführer" heißt, erziehen müssen, im übrigen aber in Lohnfragen das Maul halten müssen. Die NSBO., die früher also den sozialistischen   Auf­bau bewerkstelligen sollte, ist in Wirklichkeit heute zur Rolle eines Betriebsgendarmen herabgedrückt worden.

Landgerichtsrat Rohlfing hat in seiner Erklärung auch noch ausdrücklich betont, daß aus der Zugehörigkeit zur NS  .- Betriebszelle noch kein besonderer Kündigungsschutz folge. Auf deutsch   heißt das, daß, wenn ausnahmsweise den Kreaturen in den NSBD.- Zellen die Galle überläuft, und sie die Arbeiterschaft zum Widerstand gegen besonders scharfmacherische Beschlüsse des Unternehmers auffordern,

die nach den Erklärungen der nationalsozialistischen Führer vor der Machtergreifung angeblich die Keimzelle für den sozialistischen   Aufbau sein sollte, praktisch nichts mehr zu sagen hat. Nicht umsonst hat vor einigen Monaten der frühere Führer der Berliner   NSBO.- Zellen, Engels, in feiren ehrlichen Glauben an den Hitlersozialismus dieser sie im Bogen aus dem Betriebe herausschmeißen seinen Posten niedergelegt, nachdem er erkannt hat, daß er schmählich betrogen wurde.

Landgerichtsrat Rohlfing hat die Erklärung abgegeben.. daß die NSBO. in den Betrieben nur politische und keine wirtschaftlichen Aufgaben habe. Auf deutsch   bedeutet das, die NEBO.- Angehörigen fritiflos die Anordnungen der

fann.

So sieht also der Sozialismus in den Betrieben des dritten Reichs" aus! Selbst die NSBO. hat nichts mehr zu sagen, Unumschränkt regiert der Unternehmer, aber in Bers sammlungen und am Radio wird zur Berdummung der

Bericht und organisiert und für diesen Zwed ſeine fünf Partei an die Belegschaft weitergeben müssen, daß sie die Bolksmassen gepredigt: Gemeinuz geht vor Eigennuz."