Frethel

Dentifare

Einzige unabhängige deutsche Tageszeitung

Nr. 5( Nr. 1-4 verboten) 3. Jhrg.

Saarbrücken  , Sonntag/ Montag, 6./7. Januar 1935

Chefredakteur: M. Braun

Lavals Forderungen an Italien  

Seite 2

Entscheidungstage, an der Saar  

Seite 3

Katholiken wollen emigrieren

Seite 4

Hitlers Märchen für politische. Kinder

Seite 7

Hitler für Status quo

Eine Woche Verbot

Wir sind wieder da

Die Regierungskommission des Saargebietes hatte uns für eine Woche verboten. Wieder wegen einer aus dem Neuen Vorwärts" entnommenen Karikatur, die in allen übrigen Ländern, das dritte Reich" natürlich ausgenommen, unbeanstandet erscheinen fonnte.

Wir haben neulich schon unsere Auffassung zur Verbots­

Seine Mahnung, sich durch den Vorwurf des ,, Separatismus  " praris der Regierungskommission dargelegt. Nirgends wird

nicht beirren zu lassen

Man nennt uns Reichsfeinde und Separatisten, weil wir der derzeitigen Reichsregierung das Recht absprechen, ihr verfassungsbrüchiges undeutsches Regiment, ihre Gewalt­und Schreckensherrschaft auch auf die Saardeutschen aus­zudehnen.

Man jagt uns, ein guter Deutscher müsse für die sofortige Rückgliederung stimmen, ob ihm die jetzige Reichsregierung passe oder nicht. Die Abstimmung für die Status quo und damit gegen die Hitleregierung sei zugleich die Parole gegen Deutschland  , denn Regierung und Vaterland seien eins.

Hören wir dazu heute eine Autorität, die auch von der deutschen Front" anerkannt werden wird, den Führer" und Reichsfanzler Adolf Hitler   selbst.

Man schlage die Reden Adolf Hitlers   auf( amtliche Aus­gabe), die im Verlag Boep ple erschienen sind und man wird auf Seite 34 einen Ausspruch des Führers" finden, der die ganze Agitation der deutschen Front" an der Saar  erledigt:

Aber eines wollen wir ja doch sagen: Wir unter­scheiden zwischen einer Regierung und dem deutschen  Vaterland. Wenn uns heute ein halbasiatischer

Röchling oder geschmierte Journalisten von mangelnder Reichstreue und Separatismus reden.

Herr Hitler   ist in solchen Fragen unbestreitbar sachkundig. Er gab sein österreichisches Vaterland auf, ja verweigerte setnem österreichischen Vaterland den Militärdienst, weil ihm die österreichische Regierung nicht paßte. Nach dem Jargon seiner Anhänger im Saargebiet war also Hitler   Landes­verräter und Separatist".

Man lese nach, was er in seinem Buche Mein Kampf  " über den ihm angestammten Staat Desterreich schreibt:

daß er aus politischen Gründen in erster Linie

der Schutz Hitlers   in fetner Eigenschaft als Staatsoberhaupt gegen journalistische Angriffe so streng gehandhabt wie im Saargebiet. Darauf, daß Hitler nicht nur Staatsoberhaupt, sondern auch der Chef des gesamten nationalsozialistischen Parteiflüngels ist, wird keine Rücksicht genommen. Die im Saargebiet zum Schuße Hitlers erlassene Verordnung be= deutet also zugleich einen Schuh für die NSDAP  . und ihre Nebenorganisationen.

Dennoch werden wir den Kampf gegen Hitler   und sein una heilvolles politisches System mit aller Schärfe fortsetzen.

Eine Woche waren wir verboten. Die nächste Woche gilt dem Fretheitsfampf an der Sacr. Am 18. Januar werden die Saardeutschen über Hitler   siegen!

Defferreich verlassen" habe und er jetzt hinzu:« Ich Der Weg Deutschlands  

wollte nicht für den habsburgischen Staat fechten." Der militärdienstpflichtige junge Hitler desertierte also aus Oesterreich   und rühmte sich dessen. Er brach mit dem Staate Desterreich, obwohl dieser nicht diktatorisch regiert wurde, Gesinnungs- und Pressefreiheit hatte und seine Kritiker nicht in Konzentrationslager und Folterhöllen einfperrte.

Was dem Oesterreicher Hitler   recht war, wird wohl den Saardeutschen billig sein dürfen. Dies umso mehr, als sie Vaterland zu trennen beabsichtigen.

Lausejunge  ... vorwirft, wir hätten keine Reichs, feineswegs, wie Herr Hitler  , sich für immer von ihrem

freue, so biffe ich Sie, grämen Sie sich nicht darüber."

Die Rede trägt die Ueberschrift: Freistaat oder flaventum."

Das ist genau die Entscheidung, vor der das Saargebiet am 18. Januar steht.

Fretstaat oder Sklaventum! Freiheit an der Saar   oder hitlerdeutsches Zuchthaus!

Mit deren Reichstreue und dem Vaterland hat das nach Hitlers eigenen Worten nichts zu tun.

Niemand braucht sich zu grämen, wenn irgendwelche Lausejungen", wie Herr Hitler   sich ausdrückt, oder Clemen­ceau- Franzosen oder französische   Rüstungslieferanten wie

Hitlers   Worte sind für jeden ganz klar; Hitlerregierung und deutsches Vaterland sind zweierlei. Wer für den Status quo stimmt, trennt sich nicht vom deutschen   Volkstum und vom deutschen   Vaterland, sondern nur von einer verfassungs­widrigen Diktaturregierung.

Die Saardeutschen werden sich mit Hitler   sagen: Paßt euch durch den Anwurf ,, Separatisten" nicht verwirren!" Wir stimmen für den Freistaat gegen das Sklaventum, für eine freie Rechtsordnung an der Saar  , bis wir in ein befreites Deutschland   heimkehren.

Das allein ist die Entscheidung des 13. Januar.

Unterdrückung der Arbeiterschaft

Ein Dokument der Schande

Die deutsche   Arbeiterschaft ist, trotz der famosen Arbeits­schlacht", diejenige Klasse in Deutschland  , die unter den Folgen der wahnwißgen nationalsozialistischen Wirtschafts­politik am meisten zu leiden hat. Während die Hitlerregie­rung in den zwei Jahren ihrer Gewaltherrschaft die Ge­samtintereffen der deutschen   Wirtschaft den Klasseninter essen der deutschen   Landwirtschaft und des Unternehmertums untergeordnet hat, hat sie der Arbeiterschaft lediglich die Fiffion einer Wiedereinstellung in den Produktionsprozes gegeben. In Wirklichkeit hat sich gerade durch die Begünsti­gung der Landwirtschaft und der Unternehmerschaft die Lage des deutschen   Arbeiters unter dem Hitlerregime wesentlich verschlechtert, wobei zur Beurteilung der furchtbaren Lage, in der sich heute die deutsche   Arbeiterschaft befindet, darauf hingewiesen werden muß, daß bereits unter Brüning die Arbeiterschaft das notleidendste Element innerhalb der deutschen   Volksgemeinschaft war. In den letzten zwei Jahren mußten die Arbeiter sich eine Lohnsenkung durch die erhöhten Abzüge, aber auch direkt durch Lohnherabsetzung gefallen laffen. Zu gleicher Zeit aber sind die Ausgaben des deutschen  Arbeiters durch die künstlich hinaufgeschraubten Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Gegenstände des täglichen Bedarfs um durchschnittlich 20-25 Prozent gestiegen.

Unter diesen Umständen mußte die nationalsozialistische Regierung die notwendigen Maßnahmen treffen, um die Arbeiter in Schach   zu halten. Dies geschieht nicht nur mit Hilfe des weitverzweigten staatlichen Apparates, der Gestapo  , des Feldjägerforps, der SS. und SA., sondern auch mit Hilfe der braunen Arbeitsfront, die praktisch die Inter­essen des Unternehmertums wahrt.

Wir haben in diesen Tagen ein Dokument auf Umwegen erhalten, das besser als alle Worte zeigt, wie heute, unter dem glorreichen nationalsozialistischen Regime, die deutsche  Arbeiterschaft unterdrückt wird. Das Dokument lautet:

Rössler& Weissenberger A.G. Stuttgart- Bad Cannstatt

Bekanntmachung!

Laut Vereinbarung mit dem Vertrauensrat werden die­jenigen als Gefolgschaftsangehörigen, die nach ausgesproche­

ner Entlassung innerhalb der It. Betriebsordnung festge­setzten Kündigungsfrist in ihrer Arbeitsleistung nennenswert nachlassen, fristlos entlassen.

Diese fristlose Entlassung wird in den Papieren vermerkt und bedingt eine Sperrfrist von mindestens 6 Wochen für den Bezug einer Unterstützung.

23. 11. 34. Dir. U/ Cl.

Die Direktion: Unterschrift.

Der Arbetter ist in dem heutigen Deutschland  , wie dieses Dokument beweist, völlig vogelfrei. Während zur Ver­dummung der deutschen   Arbeiterschaft am 1. Mai in ganz Deutschland   Plakate herausgehängt werden: Ehre den Arbeiter und achte die Arbeit", werden in den Betrieben der= artige Bekanntmachungen veröffentlicht, die den Arbeiter zu einem Kuli degradieren.

Vom Faschismus

über die Reaktion zur Revolution

A. Sch. Baris, 4. Januar. Der Berliner   Korrespondent des großen Bariser. Boulevard Blattes Matin" Philipp Barrès hat vor kurzem versucht, seine deutschen   Tagesbeobachtungen zu verallgemeinern. In einem klassisch knappen Aufjazz hat er den Verlauf und die Perspektiven der deutschen  Krise geschildert. Eine eigenartige Tatsache: dieser be­gabte junge Journalist von ergkonservativer Gesinnung hat eine gut margistische Betrachtung der deutschen   Krise gegeben und daran revolutionär- sozialistische Konse­quenzen angeknüpft. Als aufmerksamer Beobachter hat Barrès die Oberflächlichkeit und Beschränktheit eines bürgerlichen Reporters überwunden. Er hat die Zusam­menhänge der Tatsachen, ja, noch mehr, die Klassen­mechanik der deutschen   Gegenrevolution verstanden.

Barrès nimmt die Krise vom Ende 1932, als Papen als Reichskanzler abzudanken gezwungen war, zum Aus­gangspunkt feiner Betrachtung. Es besteht für ihn gar kein Zweifel: Deutschland   stand damals vor ernsten revolutionären Erschütterungen, die kapitalistische Klassenherrschaft geriet ins Wanken. Er stellt ausdrück­lich fest: Das deutsche   Proletariat entglitt der Autorität einer durch die Inflation dezimierten Bourgeoisie, einer durch die Verträge stark abgebauten Armee, der durch die Wirtschaftskrise geschwächten finanziellen, industriellen und aristokratischen Kreise." Nun flüchteten das Groß­kapital und die Reaktion aus Angst vor der revolutio­nären Welle zu Hitler  . Er allein konnte die sozialistischen  Massen durch eine gegenrevolutionäre Bewegung nieder­halten, auf eine beinahe magische Art den Schwung der revolutionären Massen neutralisieren", wie sich Barrès ausdrückt. Er hat recht. Das Geheimnis des Erfolges Hitlers   bestand eben in der Massenwerbung und Massen eroberung für die Sache der Gegenrevolution, in der Revolutionierung der breiten Schichten des Kleinbürger­tums im Jnteresse des Großkapitals, der alten Herren­klassen.

Und nun verfolgt Barrès die deutsche   Entwicklung weiter. Seit 1933 perliert Hitler unaufhaltsam jene Kraft, die sein stärkster Trumpf war: die soziale Demagogie, die Anziehungskraft der sozialen Verheißungen, die ihm allein die Möglichkeit gab, den echten, den proletarischen Sozialismus zurückzuwerfen. Die volkstümliche Gegenrevolution geht zu Ende. Hitler   selbst vera nichtet die sozialistische Atrappe seiner Politik, zerschlägt den linken Flügel feiner Partei, entwaffnet die national­fozialistischen Milizen. Der andere, der nationa­listische und militaristische Bestandteil des Programms ge­lingt dagegen völlig. Aber und das betont Barrès mit besonderem Nachdruck- dieser Erfolg wird nicht Hitler und seiner Partei, sondern seinen reaktio nären Auftraggebern, Verbündeten und Ronkurrenten zugute kommen. Denn in der verfünffachten Reichswehr   erhält die alte Reaktion endlich eine gewaltig starke materielle und machtpolitische Grund lage. Papen   mußte seinerzeit abdanken, nicht mit auf den Bajonetten nicht sitzen wollte, fonbern. Barrès richtig sagt, weil er zu wenig Bajonetten z Verfügung hatte. Jetzt gibt es Bajonette genug, und zwar solche, die nicht in dem Bereich der national­fozialistischen Formationen stehen. Die Rechte er ( Fortsetzung fiche Seite 2) wacht, fie fühlt sich durch die Mißerfolge Hitlers   und

Soeben hat der Präsident der Reichsanstalt für Arbeits­vermittlung und Arbeitslosenversicherung angeordnet, daß in privaten und öffentlichen Betrieben gelernte Metall arbeiter, die am 15. Januar 1933 nicht im Bezirk des für den Betrieb zuständigen Arbeitsamts ihren Wohnort haben, nur eingestellt werden dürfen, wenn eine schriftliche Zustimmung des Arbeitsamts vorliegt.