Frethel
Dentifare
Einzige unabhängige deutsche Tageszeitung
Nr. 5( Nr. 1-4 verboten) 3. Jhrg.
Chefredakteur: M. Braun
Seite 2
Seite 3
Katholiken wollen emigrieren
Seite 4
Hitlers Märchen für politische. Kinder
Seite 7
Hitler für Status quo
Eine Woche Verbot
Wir sind wieder da
Die Regierungskommission des Saargebietes hatte uns für eine Woche verboten. Wieder wegen einer aus dem „ Neuen Vorwärts" entnommenen Karikatur, die in allen übrigen Ländern, das„ dritte Reich" natürlich ausgenommen, unbeanstandet erscheinen fonnte.
Wir haben neulich schon unsere Auffassung zur Verbots
Seine Mahnung, sich durch den Vorwurf des ,, Separatismus " praris der Regierungskommission dargelegt. Nirgends wird
nicht beirren zu lassen
Man nennt uns Reichsfeinde und Separatisten, weil wir der derzeitigen Reichsregierung das Recht absprechen, ihr verfassungsbrüchiges undeutsches Regiment, ihre Gewaltund Schreckensherrschaft auch auf die Saardeutschen auszudehnen.
Man jagt uns, ein guter Deutscher müsse für die sofortige Rückgliederung stimmen, ob ihm die jetzige Reichsregierung passe oder nicht. Die Abstimmung für die Status quo und damit gegen die Hitleregierung sei zugleich die Parole gegen Deutschland , denn Regierung und Vaterland seien eins.
Hören wir dazu heute eine Autorität, die auch von der deutschen Front" anerkannt werden wird, den„ Führer" und Reichsfanzler Adolf Hitler selbst.
Man schlage die Reden Adolf Hitlers auf( amtliche Ausgabe), die im Verlag Boep ple erschienen sind und man wird auf Seite 34 einen Ausspruch des„ Führers" finden, der die ganze Agitation der deutschen Front" an der Saar erledigt:
Aber eines wollen wir ja doch sagen: Wir unterscheiden zwischen einer Regierung und dem deutschen Vaterland. Wenn uns heute ein halbasiatischer
Röchling oder geschmierte Journalisten von mangelnder Reichstreue und Separatismus reden.
Herr Hitler ist in solchen Fragen unbestreitbar sachkundig. Er gab sein österreichisches Vaterland auf, ja verweigerte setnem österreichischen Vaterland den Militärdienst, weil ihm die österreichische Regierung nicht paßte. Nach dem Jargon seiner Anhänger im Saargebiet war also Hitler „ Landesverräter und Separatist".
Man lese nach, was er in seinem Buche Mein Kampf " über den ihm angestammten Staat Desterreich schreibt:
daß er aus politischen Gründen in erster Linie
der Schutz Hitlers in fetner Eigenschaft als Staatsoberhaupt gegen journalistische Angriffe so streng gehandhabt wie im Saargebiet. Darauf, daß Hitler nicht nur Staatsoberhaupt, sondern auch der Chef des gesamten nationalsozialistischen Parteiflüngels ist, wird keine Rücksicht genommen. Die im Saargebiet zum Schuße Hitlers erlassene Verordnung be= deutet also zugleich einen Schuh für die NSDAP . und ihre Nebenorganisationen.
Dennoch werden wir den Kampf gegen Hitler und sein una heilvolles politisches System mit aller Schärfe fortsetzen.
Eine Woche waren wir verboten. Die nächste Woche gilt dem Fretheitsfampf an der Sacr. Am 18. Januar werden die Saardeutschen über Hitler siegen!
Defferreich verlassen" habe und er jetzt hinzu:« Ich Der Weg Deutschlands
wollte nicht für den habsburgischen Staat fechten." Der militärdienstpflichtige junge Hitler desertierte also aus Oesterreich und rühmte sich dessen. Er brach mit dem Staate Desterreich, obwohl dieser nicht diktatorisch regiert wurde, Gesinnungs- und Pressefreiheit hatte und seine Kritiker nicht in Konzentrationslager und Folterhöllen einfperrte.
Was dem Oesterreicher Hitler recht war, wird wohl den Saardeutschen billig sein dürfen. Dies umso mehr, als sie Vaterland zu trennen beabsichtigen.
Lausejunge ... vorwirft, wir hätten keine Reichs, feineswegs, wie Herr Hitler , sich für immer von ihrem
freue, so biffe ich Sie, grämen Sie sich nicht darüber."
Die Rede trägt die Ueberschrift: Freistaat oder flaventum."
Das ist genau die Entscheidung, vor der das Saargebiet am 18. Januar steht.
Fretstaat oder Sklaventum! Freiheit an der Saar oder hitlerdeutsches Zuchthaus!
Mit deren Reichstreue und dem Vaterland hat das nach Hitlers eigenen Worten nichts zu tun.
Niemand braucht sich zu grämen, wenn irgendwelche „ Lausejungen", wie Herr Hitler sich ausdrückt, oder Clemenceau- Franzosen oder französische Rüstungslieferanten wie
Hitlers Worte sind für jeden ganz klar; Hitlerregierung und deutsches Vaterland sind zweierlei. Wer für den Status quo stimmt, trennt sich nicht vom deutschen Volkstum und vom deutschen Vaterland, sondern nur von einer verfassungswidrigen Diktaturregierung.
Die Saardeutschen werden sich mit Hitler sagen:„ Paßt euch durch den Anwurf ,, Separatisten" nicht verwirren!" Wir stimmen für den Freistaat gegen das Sklaventum, für eine freie Rechtsordnung an der Saar , bis wir in ein befreites Deutschland heimkehren.
Das allein ist die Entscheidung des 13. Januar.
Unterdrückung der Arbeiterschaft
Ein Dokument der Schande
Die deutsche Arbeiterschaft ist, trotz der famosen„ Arbeitsschlacht", diejenige Klasse in Deutschland , die unter den Folgen der wahnwißgen nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik am meisten zu leiden hat. Während die Hitlerregierung in den zwei Jahren ihrer Gewaltherrschaft die Gesamtintereffen der deutschen Wirtschaft den Klasseninter essen der deutschen Landwirtschaft und des Unternehmertums untergeordnet hat, hat sie der Arbeiterschaft lediglich die Fiffion einer Wiedereinstellung in den Produktionsprozes gegeben. In Wirklichkeit hat sich gerade durch die Begünstigung der Landwirtschaft und der Unternehmerschaft die Lage des deutschen Arbeiters unter dem Hitlerregime wesentlich verschlechtert, wobei zur Beurteilung der furchtbaren Lage, in der sich heute die deutsche Arbeiterschaft befindet, darauf hingewiesen werden muß, daß bereits unter Brüning die Arbeiterschaft das notleidendste Element innerhalb der deutschen Volksgemeinschaft war. In den letzten zwei Jahren mußten die Arbeiter sich eine Lohnsenkung durch die erhöhten Abzüge, aber auch direkt durch Lohnherabsetzung gefallen laffen. Zu gleicher Zeit aber sind die Ausgaben des deutschen Arbeiters durch die künstlich hinaufgeschraubten Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Gegenstände des täglichen Bedarfs um durchschnittlich 20-25 Prozent gestiegen.
Unter diesen Umständen mußte die nationalsozialistische Regierung die notwendigen Maßnahmen treffen, um die Arbeiter in Schach zu halten. Dies geschieht nicht nur mit Hilfe des weitverzweigten staatlichen Apparates, der Gestapo , des Feldjägerforps, der SS. und SA., sondern auch mit Hilfe der braunen Arbeitsfront, die praktisch die Interessen des Unternehmertums wahrt.
Wir haben in diesen Tagen ein Dokument auf Umwegen erhalten, das besser als alle Worte zeigt, wie heute, unter dem glorreichen nationalsozialistischen Regime, die deutsche Arbeiterschaft unterdrückt wird. Das Dokument lautet:
Rössler& Weissenberger A.G. Stuttgart- Bad Cannstatt
Bekanntmachung!
Laut Vereinbarung mit dem Vertrauensrat werden diejenigen als Gefolgschaftsangehörigen, die nach ausgesproche
ner Entlassung innerhalb der It. Betriebsordnung festgesetzten Kündigungsfrist in ihrer Arbeitsleistung nennenswert nachlassen, fristlos entlassen.
Diese fristlose Entlassung wird in den Papieren vermerkt und bedingt eine Sperrfrist von mindestens 6 Wochen für den Bezug einer Unterstützung.
23. 11. 34. Dir. U/ Cl.
Die Direktion: Unterschrift.
Der Arbetter ist in dem heutigen Deutschland , wie dieses Dokument beweist, völlig vogelfrei. Während zur Verdummung der deutschen Arbeiterschaft am 1. Mai in ganz Deutschland Plakate herausgehängt werden:„ Ehre den Arbeiter und achte die Arbeit", werden in den Betrieben der= artige Bekanntmachungen veröffentlicht, die den Arbeiter zu einem Kuli degradieren.
Vom Faschismus
über die Reaktion zur Revolution
A. Sch. Baris, 4. Januar. Der Berliner Korrespondent des großen Bariser. Boulevard Blattes„ Matin" Philipp Barrès hat vor kurzem versucht, seine deutschen Tagesbeobachtungen zu verallgemeinern. In einem klassisch knappen Aufjazz hat er den Verlauf und die Perspektiven der deutschen Krise geschildert. Eine eigenartige Tatsache: dieser begabte junge Journalist von ergkonservativer Gesinnung hat eine gut margistische Betrachtung der deutschen Krise gegeben und daran revolutionär- sozialistische Konsequenzen angeknüpft. Als aufmerksamer Beobachter hat Barrès die Oberflächlichkeit und Beschränktheit eines bürgerlichen Reporters überwunden. Er hat die Zusammenhänge der Tatsachen, ja, noch mehr, die Klassenmechanik der deutschen Gegenrevolution verstanden.
Barrès nimmt die Krise vom Ende 1932, als Papen als Reichskanzler abzudanken gezwungen war, zum Ausgangspunkt feiner Betrachtung. Es besteht für ihn gar kein Zweifel: Deutschland stand damals vor ernsten revolutionären Erschütterungen, die kapitalistische Klassenherrschaft geriet ins Wanken. Er stellt ausdrücklich fest:„ Das deutsche Proletariat entglitt der Autorität einer durch die Inflation dezimierten Bourgeoisie, einer durch die Verträge stark abgebauten Armee, der durch die Wirtschaftskrise geschwächten finanziellen, industriellen und aristokratischen Kreise." Nun flüchteten das Großkapital und die Reaktion aus Angst vor der revolutionären Welle zu Hitler . Er allein konnte die sozialistischen Massen durch eine gegenrevolutionäre Bewegung niederhalten,„ auf eine beinahe magische Art den Schwung der revolutionären Massen neutralisieren", wie sich Barrès ausdrückt. Er hat recht. Das Geheimnis des Erfolges Hitlers bestand eben in der Massenwerbung und Massen eroberung für die Sache der Gegenrevolution, in der Revolutionierung der breiten Schichten des Kleinbürgertums im Jnteresse des Großkapitals, der alten Herrenklassen.
Und nun verfolgt Barrès die deutsche Entwicklung weiter. Seit 1933 perliert Hitler unaufhaltsam jene Kraft, die sein stärkster Trumpf war: die soziale Demagogie, die Anziehungskraft der sozialen Verheißungen, die ihm allein die Möglichkeit gab, den echten, den proletarischen Sozialismus zurückzuwerfen. Die volkstümliche Gegenrevolution geht zu Ende. Hitler selbst vera nichtet die sozialistische Atrappe seiner Politik, zerschlägt den linken Flügel feiner Partei, entwaffnet die nationalfozialistischen Milizen. Der andere, der nationalistische und militaristische Bestandteil des Programms gelingt dagegen völlig. Aber und das betont Barrès mit besonderem Nachdruck- dieser Erfolg wird nicht Hitler und seiner Partei, sondern seinen reaktio nären Auftraggebern, Verbündeten und Ronkurrenten zugute kommen. Denn in der verfünffachten Reichswehr erhält die alte Reaktion endlich eine gewaltig starke materielle und machtpolitische Grund lage. Papen mußte seinerzeit abdanken, nicht mit auf den Bajonetten nicht sitzen wollte, fonbern. Barrès richtig sagt, weil er zu wenig Bajonetten z Verfügung hatte. Jetzt gibt es Bajonette genug, und zwar solche, die nicht in dem Bereich der nationalfozialistischen Formationen stehen. Die Rechte er ( Fortsetzung fiche Seite 2) wacht, fie fühlt sich durch die Mißerfolge Hitlers und
Soeben hat der Präsident der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung angeordnet, daß in privaten und öffentlichen Betrieben gelernte Metall arbeiter, die am 15. Januar 1933 nicht im Bezirk des für den Betrieb zuständigen Arbeitsamts ihren Wohnort haben, nur eingestellt werden dürfen, wenn eine schriftliche Zustimmung des Arbeitsamts vorliegt.