Fretheil

Einzige unabhängige deutsche   Tageszeitung

Nr. 11

3. Jahrgang

Saarbrucken Sonntag Montag, 13./14. Januar 1935

Chefredakteur: M. Braun

Berlin   zwischen Furcht und

Hoffnung Seite 2

Greuel im Columbia- Haus

Seite 7

Frick verkündet den Kulturkamp

Seite 8

Tag der Entscheidung an der Saar  

Streik auf den Gruben?

Wie wir hören, planten die braunen Gewerfschaften für heute einen Streif in den Kohlengruben zu proflamieren. Diese neue Nazi- Provokation wurde aber den zuständigen Stellen bekannt. Es haben in der Nacht von Freitag auf Samstag Verhandlungen stattgefunden, wobei von behörd­licher Seite die Führer der braunen Gewerkschaften auf die gefährlichen Folgen ihrer Aftion aufmerksam gemacht

wurden.

Der Führer der braunen Gewerkschaften, Peter Kiefer, der gleichzeitig auch der Propagandaleiter der Nazi an der Saar   ist, entschloß sich unter dem Druck der Behörden, den Streif abzublasen.

Kiefer erläßt einen Aufruf an seine Anhänger, in welchem er sie warnt, Provokateuren, die an den einzelnen Schacht­anlagen am Samstag und Montag versuchen, Demonstratio­nen auf den Gruben zu veranstalten", Folge zu leisten. Damit wird indirekt die Absicht Kiefers   und Genossen, Streifunruhen hervorzurufen, bestätigt.

Immerhin will Kiefer am Dienstag einen Demonstrations­streif und Unruhen hervorrufen, was aus folgendem Satz seines Aufrufes hervorgeht: Für Dienstag, den 15. Januar d. J., wird durch die Deutsche Gewerkschaftsfront" die not­wendige Anordnung noch rechtzeitig befanntgegeben."

Der Mensch ist käuflich!"

Die erfolgreichste Parole der braunen Front

Der Mensch ist gut!" Es war gegen Ende des Krieges, als Leonhard Frank   sein Buch mit diesem Titel heraus­gab. Sofort wurde es von den deutschen Kriegsautori täten verboten, die die Güte des Menschen weder wahr haben wollten, noch benötigten Aber sie waren Optimisten in bezug auf die Beurteilung des Menschentums, wenn man sie mit den braunen Terroristen und Propagandisten non heute vergleicht, die soeben an der Saar   ihre Parole verwirklichen: Der Mensch ist käuflich!"

markom

Wir stehen am Ende des Saarkompies Noch ist nicht aller Tage Abend: es ist immer noch eine Spanne Zeit da, um die letzten großen Schläge gegen die Gegner der Rück­gliederung aus dem dritten Reich" zu führen; um sie mit neuem Material" zu verdächtigen und zu beschmutzen. Aber eine gewisse Uebersicht über den Katalog zur Rorrumpierung und Beste chung von Sachen und Seelen, von Institutionen und Menschen, den das Propagandaministerium aufgestellt hatte, ist vorhanden. Man brauchte:

1. Diebe und Einbrecher bei der französischen   Berg. merkdirektion. 2. Spitzel in der inneren Berwaltung. 3. Einen kehrten" Kommunisten oder eine Kommuni ftin zur verleugnung der kommunistischen   Jdeologie. 4. Einen sozialistischen Bergmann gegen die Einheits front". 5. Katholiken, die den katholischen Bolksbund" als vom franzöfifchen Gelde bezahlt entlarven mußten. 6. Den Ankauf einer hitlerfeindlichen Zeitung, um ihre Begründer und Helfer als käuflich vorstellen zu können. Das waren einige Hauptpunkte der Tabelle neben vielen andern. Gutes Organisationstalent führt meistens zu Erfolgen, wenn man viel Geld hat. Nie hat es eine Volks entscheidnug in der ganzen Welt gegeben, bei der die Möglichkeit, mit Geld lebendige Menschen zu kaufen, so selbstverständlich und so nüchtern eingesetzt wurde wie an

der Saar  .

Man kaufte die Diebe. die in die Verwaltung der Domanialschulen einbrachen und die Akten der deutschen Front" brachten. Fräulein Maria Carienius wurde mit vielem Gelde und valutastarken Versprechungen zu Spizzeldiensten bei ihrer Behörde bewogen. Der Ein wenn auch käuflicher Held der deutschen Sache präsen­brecher Hilt durfte sich am Rundfunk als narbenreicher, tieren. Der kleine Redakteur Hugo Hagn von der ,, Neuen Saar- Post" wurde gegen Bezahlung seiner Schulden, eines ansehnlichen Draufgeldes von einigen zehntausend Franken und das Veriprechen einer guten Bolition zum Berrat an seinen Freunden gebracht Maria Reese, bis Dor kurzem Emigrantin in Paris  . früher kommunift fche

Fortiesung fiebe 2, Seite.

An Euch, Saarländer  !

Von Alfred Kerr  

1.

Achtung! alle Mann an Deck!

Rettet die Saar   vor Drangsal und Dreck. Gebt der Hitlerei den Tritt- Nieder damit!

Nieder stimmt sie, die schoflen Schächer: Falsche Versprecher und echte Verbrecher. Mord und Schwindel und Phrasenschleim: Nieder damit! die Wahl ist geheim.

11.

Tausende schuften, marode und mager, Stumme Hunde, im Arbeitslager; Deutschland   starrt von hungernden Horden, Bloß die Bonzen sind reich geworden. Kriechet nicht auf den lausigen Leim!

Stimmt sie nieder!- die Wahl ist geheim.

Nutzet die letzte, kostbare Frist;

Hitler   wackelt schon mehr als ihr wisst. Helft ihm nach! stosst zu, stosst fest! Gebt ihm den Rest!

III.

Mann von der Saar  ! an Deck! an Deck! Rette dein Land vor Drangsal und Dreck! Gib der Hitlerei den Tritt-

Nieder damit!

Nieder damit!

Nieder damit!

Der Terror regiert die Stunde

Die fronien im Endkamp!- Gewalttaten gegen Volksfront und Katholiken Schüsse und Scheiterhauten Heroisches Ringen für eine freie deutsche Saar  

Die Abstimmungsfommission hat sich entschlossen, ihren ur­sprünglichen Plan, das Ergebnis des Plebiszits am Montag­abend gegen Mitternacht über alle Sender der Welt ver­künden zu lassen, aufzugeben. Das Abstimmungsergebnis soll nun erst am Dienstagmorgen verfündet werden. Offenbar waren Sorgen um die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Nacht von Montag auf Dienstag maßgebend. Auch die ausländischen Abstimmungsbehörden dürften inzwischen er­fannt haben, daß die deutsche Front" durch ihre Rollfom­mandos blutige Erefutionen plant und ihr die Stunden unmittelbar nach der Verkündung des Abstimmungsergeb. nisses als eine Nacht der langen Messer" willkommen ge­wesen wären.

Christus oder der Henker?

Seit den frühen Morgenstunden des Samstag Herricht im Saargebiet starfer Schneefall und behindert die gewaltige Werbetätigkeit, die beide Fronten entfalten. Eine Papierflut. wie sie vielleicht nie in einem europäichen Wahlkampf erlebt worden ist, geht über das Saarland   nieder. Selbstverständlich hält da die deutsche Front" jeden Reford, denn die Summen aus dem Reichspropagandaministerium sind eine Realität, die Millionen aus Paris   für die Volksfront und die oppo= fitonellen Katholiken indes nur eine Agitationsluge. Ein Blick auf die Plafatiäulen im Saargebiet müßte das auch dem Blödesten zeigen. Geld spielt offenbar bei der deutschen Front" teine Rolle.

Die Hauptlaft der Werbearbeit für eine freie deutsche Saar   liegt auf den Schultern der Männer und Franen

der Volksfront, insbesondere ihrer Jungmannschaft, die Tag und Nacht heroische Leistungen vollbringt. Aber auch die fatholische Front rührt sich mit Eifer und Tapferfeit. In letzter Stunde haben katholische Christen ein besonders aufwühlendes Plakat in vielen Exemplaren ver­teilt. Man sieht den stiernackigen feisten Mann. den jeder aus zahllosen Bildern fennt, in der Karifatur, die ihm die Titel= seite des Braunbuches" gegeben hat. In der Faust hält er sein und des dritten Reiches" blutiges Symbol: da s Henferbeil. Daneben steht mit mahnender Hand die friedliche, qütige Gestalt des Heilandes. Drunter liest man nur ein Wort: Wählt!"

Die deutsche Front" arbeitet mit Papierballen gefälschter Aufrufe. Bedeutsam ist, daß darunter das erfundene Seve­ring- Interview fehlt. Durch unsere unmittelbaren Feststel­lungen in Berlin   und durch das abgelehnte Angebot der Grenzland- Redaktion", einen Vertreter zu Severing zu ent­senden, ist dieses Propagandastückchen unwirksam gemacht worden.

Kümmerliche Siegesstimmung

Mit einstweilen nur geringem Erfolg bemüht sich die ,, deutsche Front", eine Siegesstimmung schon vor der Schlacht zu erzeugen.

Der Kauf von Fahnentuch und Illuminationslämpchen ist Pflicht, wenn einer nicht in den Ruf der Deutschfeindlichkeit" ( Fortsetzung stehe Seite 2)