Freihei

Einzige unabhängige deutsche   Tageszeitung

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Nr. 9 3. Jahrgang

Saarbrücken  , Freitag, 11. Januar 1935

Chefredakteur: M. Braun

Wie Hitler   Deutschland   1932

preisgeben wollte

Seite 3

Rückgliederung bringt

Arbeitslosigkeit

Seite 5

Warum schweigen die Bischöfe?

Seite 6

Der 30. Juni im Saarkampi

Zu einem Brief der Familie Dr. Klausener- Mißglückte Räuberstückchen der braunen Front

,, Maske des Christentums"

Die früher katholische, jetzt hitlerische Saarbrücker Landes­zeitung" veröffentlicht einen Brief, den der Schwager des am 30. Juni unter Heil Hitler!" ermordeten Katholikenführers Dr. Klausener an den saarländischen Prälaten Dr. Schlich gerichtet hat: Pforzheim  , den 7. Januar 1935.

Sehr geehrter Herr Prälat! Als Schwager des bei den Wirren des 30. Juni tragisch ams Leben gekommenen Ministerialdirektors Dr. Erich Klausener   möchte ich mich vertrauensvoll an Sie wenden, um vor allem auch im Namen seiner Frau, meiner Schwester Hedwig, gegen den schamlosen Mißbrauch Verwahrung einzulegen, der von seiten der Emigranten und Separatisten mit dem Namen Klausener im Saar­gebiet getrieben wird. Der tragische Tod Erich Klanseners, der mir Schwager, Bruder und Freund war und für deffen Ehre ich jederzeit voll und ganz ein ste be, ist für uns Familienmitglieder schwer zu tragen. Um so ungeheuerlicher ist es darum für uns, wenn dem Verstorbenen noch die unerhörte Beleidigung zuteil wird, seinen sauberen und reinen Namen immer wieder gegen sein deutsches Baterland auszuspielen, und ihm die Schmach angetan wird, geradezu als Märtyrer für die separatistische Sache in Anspruch cenommen zu werden. Das ganze Leben und Streben Klanieners galt nichts anderem als Vaterland, Gott   und Familie. Wer seinen Namen und den Mann, der ihn in Ehren trug, im Kampf gegen das deutsche Vaterland mißbraucht, ist in den Angen derer, die Erich Klausener   am besten gekannt haben, ein Ehrabschneider und Verleumder und nm so unverantwortlicher, wenn er dies unter der Maste des Christentums tut. Meine Bitte an Sie, sehr verehrter Herr Prälat, geht dahin, die deutsche und christ­liche Ehre Dr. Erich Klauseners in den Augen des deutschen  christlichen Saarvolfes vor widerlicher Beschmuzung an schützen und damit auch meiner Schwester Hedwig, die als deutsche   Frau eines deutschen   Mannes und Soldaten ihr schoeres Los in Würde zu tragen weiß, den ihr gewiß gebührenden Ehrendienst zuteil werden zu lassen.

Ich darf Ihnen anheimstellen, von diesem Brief den Ihnen angemessen erscheinenden Gebrauch zu machen. gez. Ludwig

ny. Wir drucken diesen Brief gerne ab. Er gibt uns will­tommenen Anlaß zu einigen Feststellungen:

Herr Ludwig kny verbürgt sich voll und ganz für die Ehre Dr. Klauseners. Uns ist nicht bekannt, daß Emi­granten und Separatisten" die Ehre des gemeuchelten Ratholifenführers je angetastet hätten. Wohl aber wissen wir, daß ihm in der nationalsozialistischen Presse Hitler­deutschlands, die von der Reichsregierung inspiriert und zensiert wird, andesverrat und Hochverrat und Selbstmord aus Schuldbewußtsein nachgesagt worden ift. Einen katholischen Protest gegen diese Ehrabschneider

und Verleumder", wie es in dem obigen Briefe an eine andere Adresse heißt, vermissen wir bisher.

Der Führer" und Reichskanzler hat am 13. Juli im Reichstage über die Mordaktion vom 30. Juni gesprochen. Er mußte an diesem Tage wissen, daß Dr. Klausener und eine Reihe anderer prominenter Katholiken unschuldig hingeschlachtet, daß ihre Leichname nach katholischen Begriffen durch die Einäscherung geschändet und die Toten durch verlogene amtliche Presseberichte verleum= det worden sind. Hat der Führer" irgend etwas zur Wiederherstellung der Ehre des ermordeten Katholiken­führers und andrer katholischer Opfer getan? Hat er diese Morde an Unschuldigen auch nur bedauert? Hat er die widerrechtliche und firchenfeindliche Einäscherung gerügt? Hat er der Familie auch nur die bescheidenste Neußerung seines Mitgefühls übermittelt? Sind in irgend einer deut­ schen   Hitlerzeitung die unsagbar gemeinen Anwürfe gegen Klausener und Probst zurückgenommen worden? Sind die Mörder bestraft oder ist auch nur eine Untersuchung gegen sie eingeleitet worden? Wo und wie wurde das dahin zielende feierliche Versprechen des Reichskanzler im Reichstage erfüllt?

Auf diese Fragen hätte man erit einmal Antwort zu geben, ehe man sich die Maske des Christentums" vor­bindet und anderen Vorhaltungen über die Verlegung der ,, deutschen und christlichen Ehre" Klauseners machen will. Aus elender Menschenfurcht schweigen im Saar  gebiet, wie im Reiche, vtele be rufene katho lische Laien und Priester zu den Verbrechen, die im Reiche an Katholiken und am Katholizismus verübt worden sind und noch verübt werden. Wir haben diese Furcht nicht. Wir reißen die Maske des Christentums" ab, wo sie nur Feigheit und Verlogenheit dedt und stehen zu dem Wort, daß nur der Gottes Stimme hört, der der Wahrheit dient.

Wie ist das eigentlich in diesem Saarkampf? Alle die persönlichen Verleumdungen gegen die Führer und Kämpfer der Volksfront versinken. Die käuflichen Subjekte, die man mit Evmmen aus Hitlerdeutschen Korruptionsfonds er­worben hat, wie die Hagn, Hilt, Carsenius und Konsorten, sind schon nach wenigen Tagen vergessen. Alle diese Perfidien berühren den wahrhaft geschichtlichen Kampf an der Saar  nicht, dieses Ringen zwischen Deutschen   der Freiheit und Deutschen   der Sklaverei.

Es leben aber die am 30. Juni auf Befehl des Obersten Gerichtsherrn" Erschossenen. Ihre Leichname wurden ein­geäschert, damit die gefolterten Körper mit ihren vielen Wanden nicht gegen die Verbrecher an ihnen und an Deutsch­ land   zeugen sollen. Vergebens. Das Andenken der am 30. Juni Erschlagenen ist. lebendig. Die Toten fordern An­flage und Sühne.

Darum stimmen am 13. Januar die gottesfürchtigen Ratho­lifen an der Saar   gegen Hitler   für eine freie deutsche   Saar  aus Gottesfurcht gegen die menschenfürchtigen Kreaturen eines Systems, das jeder Christ aus tiefster Gewissenspflicht ablehnen muß.

protest an den Völkerbund Wie es nm die freie Abstimmung bestellt ist

Die Vorstände der Volksfront haben am Donnerstag: vormittag gegen den Terror der deutschen   Front" offiz ziellen und persönlichen Protest bei der Abstimmungs­

tommiffion eingelegt.

Die Führer der Volksfront haben ausdrücklich der Ab­stimmungskommission erklärt, daß dieser Terror der deutschen Front" ausreichende Veranlassung sein wird, den Völkerbund darüber zu informieren und ihn darauf binzuweisen: falls die Abstimmung trotz des Terrors und entgegen den Bedingungen aller Verträge dennoch statt: findet, daß dieser Terror bei der Interpretation des Ers gebnisses der Abstimmung ausgewertet werden muß. Es liegen zahllose Fälle von Terror, insbesondere Behinde rung der Werbearbeit der Voltsfront vor,

Die Presse  

Die Verleger der Zeitungen des Status quo haben am Donnerstag durch ein ausführliches Schreiben bei der Ab­stimmungsfommission dagegen protestiert, daß die auf. städtischem und staatlichem Boden stehenden Kioske und

Zeitungsverkaufsstände die für den Status quo eintreten­den Zeitungen vom Verkauf ausschließen. Die Verleger verlangen, daß die Abstimmungsberechtigten, namentlich die aus dem dritten Reich" kommenden, die Status- quo­Zeitungen kaufen und sich über den Status quo unterrichten fönnen,

Fortsetzung fiebe 2, Seite.

Englischer Brief

0. G. London, 9. Januar. Am Jahreswechsel war der Ton in England auf Selbstzufriedenheit gestimmt. Man fühlt sich hier auf einer glücklichen Insel, die von all den Wirren des Kontinents verschont geblieben ist. Wohin man blickt

das Jahr 1934 brachte Bürgerkrieg, Revolutionen, Krisen, Morde, Verwirrung. Nur England als einziger Großstaat spürte von alledem nichts. Die wirtschaft­liche Entwicklung zeigte einen leichten, aber jeden­falls spürbaren Aufstieg. Und die letzten Wochen des Jahres brachten nicht zuletzt durch englische Initiative

sogar eine außenpolitische Beruhigung. So blickte man mit einem gewissen Optimismus in das Jahr 1935.

Die noch vor kurzem drohende Gefahr eines europäischen  Krieges scheint gebannt. Was sich heute in Europa  abspielt, wird daher von England aus mit Abstand be­trachtet, wenn auch natürlich mit großem Interesse. Das gilt für die Saarfrage, die durch die Mitwirkung englischer Soldaten und englischer Beamten an hervor­ragenden Stellen den Engländern besonders nahe gerückt ist. Das gilt auch für die römischen Besprechungen zwischen Laval   und Mussolini  . Hier ist die Gelegenheit vorbeigehen lassen, ohne anzuregen und zu englische Politik gewiß nicht unbeteiligt. Sie hat keine fluß auf Muffolini benutzt, um ihn zur Nachgiebigkeit zu vermitteln. Sie hat zweifellos den großen englischen Ein­bewegen, ebenso wie England auf Flandin und Laval   und in Jugoslawien   auf Prinz Paul eingewirkt hat. England hat augenblicklich die große Chance, daß in all diesen orientiert sind. Und England hat diese Chance ausgenutzt, Ländern Persönlichkeiten Einfluß haben, die stark englisch um an der Befriedung Europas   zu arbeiten. Natürlich nicht aus abstraktem Jdealismus, sondern weil das englische Interesse im Augenblick einen befriedeten Kontinent verlangt. Freilich kommt es nicht nur auf den Willen zur Befriedung an, sondern mindestens ebenso auf die richtige Erkenntnis der Situation. Lange fehlte es in England an dieser Erkenntnis. Solange Macdonald und der politisch farblose Nur- Jurist Sir John Simon die Fäden in der Hand hatten, konnte sich die richtige Erkenntnis der Bürokratie des Auswärtigen Amtes nicht durchsetzen. Man glaubte auf der einen Seite, Nazi- Deutschland durch Konzessionen beruhigen zu müssen, und man glaubte auf der anderen Seite, jegliche Aktivität in europäischen   Angelegenheiten vermeiden zu müssen. Die Konsequenz war, daß die Gefahr des Krieges ständig wuchs. Bis Baldwin mit fester Hand die Zügel ergriff. Baldwin zögert lange, ehe er zu handeln pflegt; aber wenn er sich einmal entschlossen hat, ist er ein Staats­mann von Einsicht und Kraft. Auch diesmal hat er es bewiesen. Gegen Macdonalds Bedenken, der die englische öffentliche Meinung fürchtete, habe er, so heißt es in gut unterrichteten Kreisen, die Entsendung der Truppen ins Saargebiet durchgesetzt. Schon vorher hat er nicht Macdonald das berühmte Wort von der Grenze am Rhein   gesprochen. Baldwin, nicht Macdonald, hielt die Unterhaus cede über Deutschlands   Geheimrüstungen, aus der die deutsche   Regierung erkennen mußte, daß im Konfliktsfall England an der Seite Frankreichs   stehen würde. Jn genau der gleichen Richtung liegt Englands Stellungnahme zu den römischen Verhandlungen. Die englische   Regierung hat erkannt, daß der einzige potentielle Friedens störer Augenblick das Nazireich ist. Die englische  Regierung hat ebenfalls erkannt, daß ein Krieg fast sicher verhindert werden kann, wenn die Naziregierung sieht, daß sie ganz Europa   gegen fich haben würde. Hitler   hat ja in seinem Mein Kampf  " selber der kaiser­lichen Regierung den Vorwurf gemacht, daß sie es zu einer allgemeinen Koalition gegen Deutschland   habe kommen lassen, anstatt einen nach dem anderen zu erledigen. Hitler  

im

hat als fein nächſtes außenpolitisches Ziel ein Bündnis

reich zu vernichten und dann die nötige Ausdehnung im Osten zu erreichen( d. h. Rußland   zu erledigen). Daß dann wahrscheinlich England an die Reihe kommen sollte, sagt zwar Hitler   nicht ausdrücklich, aber es versteht sich bei jeiner Mentalität ja wohl von selber. Nun, Hitler   hat in