Nr. 123. Jahrgang
Chefredakteur: M. Braun
Die unfreie Abstimmung
Seite 2
Terror im Saargebiet
Seite 7
Das Geheimnis des Dr. Schacht
Seite 8
Das Saarvolk hat gewählt
Die Abstimmung verlief korrekt- Die Agitation - Die Agitation der Volksfront durch Terror und Versagen der Exekutive behindert- Mobilmachung der deutschen Front für Dienstag Allgemeine Arbeitsruhe und Straßenkundgebungen
Der Völkerbundsrat hat an die Regierungskom miffion folgendes Telegramm gerichtet:
„ Am Vorabend der Volksabstimmung wünscht der Rat einen feierlichen Aufruf an die Bevölkerung des Saargebietes zu richten. Er bittet sie, durch ihre Ruhe und Würde dem Bewußtsein Ausdruck zu geben, daß sie von der Bedeutung der Stimmabgabe durchdrungen ist, zu der fie berufen ist.
Er rechnet damit, daß sie daraufhin die gleiche Haltung weiter einhält und vertrauensvoll abwartet, bis der Rat in kürzestmöglicher Frist die der Stimmabgabe folgenden Beschlüsse gefaßt hat.
*
gez. A veno I."
Dieses Telegramm wurde so spät befannt gegeben, daß es von den Zeitungen des Saargebietes, ein Blatt ansgenoms men, erst nach der Abstimmung veröffentlicht werden kann. Vielleicht sind die Herren des Völkerbundsrats wirklich der Auffaffung, daß die Abstimmung in Ruhe und Würde statts gefunden habe, weil noch niemand totgeschlagen worden ist und es Ruinen von Arbeiterhäusern im Saargebiet noch nicht gibt. Man scheint in den Kreisen des Völkerbundes und seiner Organe„ vertrauensvoll abzuwarten". So hat man das auch in den letzten Tagen gehalten.
Mie auch das Ergebnis der Abstimmung fein möge; das eine muß heute schon festgestellt werden, daß sett dem großen Aufmarsch der Volksfront am 6. Jannar in Saarbrücken von einer freien Abstimmungsbewegung keine Rede mehr war. An diesem Sonntag erkannte die „ deutsche Front" und hinter ihr die deutsche Reichsregierung dte volle Größe der Gefahr. Seitdem ist eine Agitation der Boltsfront nur noch in eng begrenztem Maßstab, in vielen Orten überhaupt nicht mehr möglich gewesen.
Von den Behörden des Saargebietes kann nur gesagt wer den, daß fie in diesen Tagen stärksten über das ganze Gebiet fich ausbreitenden Terrors der deutschen Front", wie es in dem obigen Telegramm so schön heißt,„ vertrauensvoll abgewartet" haben.
Die Bertreter der Presse aus fast allen Ländern der Erbe Blut der Märtyrer
waren Zeuge der Vorgänge dieser Tage: die Straße frei für unerlaubte Demonstrationen der deutschen Front", Ber: nichtung des Werbematertals der Volksfront oder die Un: möglichkeit es zu verteilen, Zerstörung fast aller Plakattafeln der Volksfront. Das alles, ohne daß die Polizei durchgriff. Schließlich Angliederung der getarnten SA.- und SS.- Trupa pen als Hilfspolizei an die Erefutive. So wurde bei Massen der Bevölkerung der Eindruck erweckt, daß die Regierungskommission nur noch der Form nach amtiere und in Wirklichkeit schon die deutsche Front" im Auftrage des„ dritten Reiches" das Geblet beherrsche.
Trotzdem wird das Ergebnis ganz anders sein, als die ,, deutsche Front" erwartet. Die Voltsfront steht, aber sie muß der Welt erklären, daß ihr in der letzten Woche unmöglich gemacht worden ist, in dem Ringen um die Voltaseele die gewaltige Kraft zu entfalten, die sie am 6. Jannar öffentlich gezeigt hat. Exekutive und„ deutsche Front" haben gemeinsam alles getan, um den Rückgliederungsfreunden einen gewal
tigen Vorsprung in der Agitation zu sichern.
Der Völkerbund hat verstanden, den Abstimmungsakt selbst so geheim und sicher zu gestalten, wie es nur denkbar war. Jedoch haben er und seine Organe vollkommen versagt gegenüber der Forderung, deren Erfüllung erst die Vorbe dingung zu einem wirklich flaren Plebiszit hätte schaffen
müssen: gleiche Agitationsfreiheit für beide kämpfenden Fronten. Das ist bei der politischen Auswertung des Wahlergebnisses zu berücksichtigen. Das wird
mit allem Nachdruck auch dem Völkerbund flar zu machen sein.
Nicht nur wir, sondern auch die ganze übrige Welt, die im Saargebiet mit zirfa vierhundert Journalisten vertreten war, hat festgestellt, daß die im Friedensvertrag von Vers sailles und in den Beschlüssen des Bölferbundsrates als unerläßlich bezeichneten Bedingungen der Abstimmung auch nicht annähernd erfüllt waren. Es war weder eine freie, noch eine unbeeinflußte noch eine restlos geheime Abstim mung.
Wer regiert im Saargebict?
Im Völkerbundslande am Tage der Volksabstimmung
,, Ruhe"
Das äußere Bild des großen Abstimmungstages im Saargebiet war ruhig. Allerdings waren auch für diesen Tag feinerlei Sensationen zu erwarten. Beide Fronten kongentrierten ihre Kräfte auf die Durchführung des Wahlaftes. Ein Interesse an der Störung von Wahlhandlungen hat die deutsche Front" nicht. Ihre Pläne liegen hinter diesem Tage.
in vielen Straßen Saarbrückens dürftig. Die Stimmung war so fühl wie das naßfalte Wetter. Ungeheuer war das organisatorische Aufgebot der„ deutschen Front", die an ihren reichen Finanzmitteln nicht sparte. Ueberall, in Stadt und Land, sah man die ungezählten Autos ihres Motordienstes. Zwischendurch gab es viele Sanitätswagen und Personenautos mit dem Roten Kreuz. Man schaffte auch Schwerkranke, vorausgesetzt, daß sie sichere Gegner des Status quo sind, in die Wahllokale. Troz dem Verbot der Regierungskommission, deren Autorität schon seit Tagen durch die eigene Schuld der Behörde selbst von der„ deutschen Front" kaum mehr als vorhanden betrachtet wird, wurden massenhaft Druckschriften der„ deutschen Front" verteilt. Auch eine Sonderausgabe der„ Saarbrücker Zeitung " mit den tollsten Lügenmeldungen über die Volksfront hing an zahlreichen Stellen in Stadt und Land, ungehindert aus.
Die Straßen Saarbrückens boten sich den Zehntausenden Abstimmungsberechtigten aus dem Reiche und vielen Län dern aus aller Welt in einem entsetzlichen Zustande. Es hatte einen Tag und eine halbe Nacht in einem für dieses Gebiet seltenen Ausmaße geschneit. Tauwetter und die gewaltigen Menschenmassen, die auf und ab wogten, verwandelten Straßen und Bürgersteige in einen Morast. Meter- Vom frühen Morgen bis zum späten Abend schrie der deutsche weit spritte der Schlamm von den zahllosen Autos in die Menge. Die von ein unfähigen Oberbürgermeister geleitete Stadtverwaltun hatte nicht einmal die Straße vor dem Hauptbahnhof und den belebtesten Geschäftsteil Saarbrückens, die Bahnhofstraße, von den Schneemassen befreien
können.
Girlanden
-
Gebete
-
Schwindel
Rundfunk seine Schwindelnachrichten durch die Lautsprecher. So gab er am Vormittag als Einlage zwischen frommen Gesängen, Gebeten und Predigten unverfroren die Mel dung durch, der Volksstimmen- Verlag, zu dem auch die „ Dei." He Freiheit" gehört, befinde sich bereits auf der Flucht, Möbelwagen hielten vor dem Gebäude und die Maschinen seien schon abmontiert. Kein Wort davon ist wahr. Die„ Saar- Volksstimme" und die„ Deutsche Freiheit" er= scheinen auch heute in ihrem Verlagsgebäude und werden
Der Girlandenschmuck und das Feraussteden von Teeren Bahnenstangen als Proteit gegen das laagenverbot blieben auf ihren Rotationsmaidhien gedrudt, Den Giniel erreichte
Namentliche Liste
der im Jahre 1934 hingerichteten Antifaschisten Name
Tag der Hinrichtung
Parteis zugehörigkeit
17. 1. 1934
12. 1.1934
2. 3. 1984
2. 3. 1984
Fick, Arbeiter
8. 8. 1984
Siedelmann, Arbeiter
parteilos
20. 8. 1934
Lange, Arbeiter Lufat, Arbeiter
parteilos
20. 8. 1984
27. 8.1934
Schmidt, Arbeiter
27. 8.1934
Suppers, Arbeiter
27. 8. 1934
Dettmer, Arbeiter
19. 5. 1984
Fischer, Arbeiter Schmidt, Arbeiter
19. 5. 1934
AVD.
19. 5. 1934
Wehrenberg, Arbeiter
APD.
19. 5.1934
Nochow, Arbeiter
APD.
14. 6.1984
Weithe, Arbeiter
14. 6.1934
Süttig, Arbeiter Minnich, Arbeiter Rapier, Arbeiter Bolt, Arbeiter
APD.
14. 6. 1934
parteilos
26. 7. 1934
APD.
10. 9, 1934
10. 9, 1934
Schidzif, Arbeiter
14. 9. 1934
Meißner, Jungarbeiter
fatholisch
18. 9. 1934
Jasper, Arbeiter
29. 9. 1994
Ottmar, Arbeiter
KVD.
15.10. 1934
Reitinger, Jungarbeiter
10. 11. 1984
die Verleumdungswut der deutschen Front" durch folgendes Flugblatt:
Die Einheit8front anfgelöst! Mar Brann, Frizz Pfordt, Johannes Hoffs mann geflüchtet."
Genossen, was wir erwartet haben ist eingetreten Die Volksverhezer find in letzter Stunde geflüchtet und haben uns im Stich gelassen.
Der Oberhalunke Mar Brann ist bereits ges stern abend in Nancy eingetroffen, Frit Pfordi hat gestern nachmittag, den Straßburger Schnellzug benutt und wird in Sicherheit fein. Johannes Hoffmann hat um 4 Uhr nachmittaga am Saarbrüder Hauptbahnhof eine erfarte 2. Klasse nach Basel gelöst und ist seither verschwunden.
Fritz Pfordt soll sich gegenüber einem Mitglied der Freiheitsfront" geäußert haben, daß er bis zum letzten Augenblid gekämpft habe, aber nun einsehe, daß doch alles zwedlos sei und er die Schlacht verloren gebe.
Nachdem diese sauberen Herrn das sinkende Schiff verz Tassen haben, erklären wir hiermit die Freiheitss front für aufgelöst.
Unseren Mitgliedern empfehlen wir:„ Enthaltet Euch der Stimme oder Stimmt für Deutsch : land!“ Für die Sozialdemokratische Partei : Paul Vaders, Güdingen . Für die Kommunistische Partei : Hey, Dudweiler ,
Für den Chriftl- Soz, Volksbund: Dr. Tünnes, Labach, Kr. Saarlouis.
Kein Wort des Flugblattes ist wahr. Die Unterschriften sind gefälscht. May Braun und Frizz Pfordt setzten sich in ein offenes Auto und zeigten sich in vielen Ortschaften des Saargebietes dem Volfe, um so den Schwin del der deutschen Front" öffentlich aufzuzeigen.
Braune Hilfspolizei des Verbundes Eine Fahrt durch das Saargebiet zeigte, daß fast überall Polizei und Ordnungsdienst der„ deutschen Front" gemeinsam Dienſt taten, insbesondere den Verkehr regelten. Infolgedessen ist der Eindruck in der Bevölkerung:„ Der Völferbund hat durch sein Organ, die Regierungsfommission, vor dem Nationalsozialismus kapituliert." Die Bevölke rung sieht in dem Ordnungsdienst eine Art Göringsche Hilfspolizei, wie wir sie aus dem Februar und März 1933 fennen. Der Zerror ist im Saaraebiet foaufaaen legalisiert.