Die letzte Bastion

Eine Bande von Gauklern hat Deutschland genarri Und herrscht jetzt mit blutiger Hand."

Die Besten des Volkes wurden verscharrt Und in Marterhöllen verbannt.

Ein Land ist im Schrecken des Todes erstarrt! Genug, Kameraden! Jetzt endlich seid hart! Kämpft an der Saar für die wahre Nation! Saltet, Genossen, die letzte Bastion Der Freiheit!

Daß wieder Freiheit, die göttlich:, werde Im neu zu erbauenden Reich, Daß sie einst über die ganze Erde Erstrahle, den Traumbildern gleich,

Mit einer einzigen starken Gebärde

Könnt ihr's erreichen. Seid Hirten, nicht Herde! Kämpft an der Saar für die wahre Nation! Haltet, Genossen, die letzte Bastion Der Freiheit!

Bflicht netan. Wir haben im voraus gesehen, daß unser Ziel nur sein konnte, eine so starke Minderheit zu erringen, daß der Völkerbund nicht achtlos an uns vorübergehen fonnte, wir haben aber nicht voraussehen können, daß uns, die wir allein standen und uns verpflichtet fühlten, nur in den ge= botenen demokratischen Formen unseren Kampf zu führen, nicht einmal das, wo wir unter Mißbrauch des Gesetzes an­gegriffen wurden, die Regierungsgewalt der vom Völker­bund eingesetzten Organe zur Seite stünde.

Heute wissen wir das und aus dieser grausamen Erfah­rung haben wir in den wenigen Stunden nach der Abstim­mung genügend gelernt.

Wir haben eine Schlacht verloren, aber der Krieg geht weiter. Unsere Freunde, die draußen irgendwo auf umbran­deten Posten stehen, sollen wissen, daß wir zur Stelle sind. Es möge kommen, was will, am Tage, da es gilt, zum Kampf

um das andere Deutschland die Fahne der Freiheit zu tro­gen, werden wir Schulter an Schulter mit unseren Rame­raden in den ersten Reihen stehen.

Das sollen sie wissen, alle, die unserem Kampfe unbeteiligt als Zuschauer von der Galerie zugesehen haben, und an den wirkungsvollen Stellen mit Beifall und Mißfallenskundge­bungen nicht gefargt haben, und auch die, die heute mit der anderen Seite siegestrunten unter den Hafenkreuzfah nen durch die Straßen ziehen.

Es wird ein Erwachen geben und dieses Erwachen wird furchtbar sein. Aber wir wissen auch, und das ist unsere größte Zuversicht, daß unser Tag kommen wird. Das, was vergangen ist, soll niedergerissen werden, es mag versch vnt­den. Der Tag ist nicht allzu fern, da wir wiederkehren wer­Sen mit neuen, mit anderen Waffen. Auf diesen Tag, Genossen!

Anklage!

Horatio.

In dieser Stunde, da das Erstaunen über das- wir können es ruhig sagen- nicht erwartete Abstimmungs­ergebnis noch nicht abgeebt ist, da die Welt noch ungläubig und entsetzt die Vorgänge betrachtet, die sich jetzt im Saargebiet abspielen, in dieser Stunde gilt es, Anklage zu erheben, eine harte Anklage gegen die, die in den Tagen der Vorbereitung der Volksabstimmung versagt haben. Es gilt Anklage zu erheben gegen die Vertreter des Hohen Bölkerbundes, der mehr als in irgendeinem asiatischen oder füdamerikanischen Konflikt seine ganze pompöse Impotenz gezeigt hat. Das feine Räderwerk der demokratischen For­malien hat vorzüglich geklappt. Die Volfsabstimmung hat fich unter dem Schuß der nationalsozialistischen Hilfspolizei reibungslos und ohne Schwierigkeiten vollzogen, die neu­tralen Stimmzähler haben ihren verschiedenen Häuflein von Stimmzetteln ausgeschichtet, die sie selig an ihren Tischen einschließen, alles war wundervoll organisiert bis auf das Betzte. Mit einer Volksabstimmung nach den Prinzipien demokratischer Anständigkeit und Sauberkeit hat diese Ab­stimmung nicht mehr das geringste zu tun.

Bor den Augen der Welt fonnte es geschehen, daß die offizeielle Erefutive zurückgedrängt wurde durch den na tionalsozialistischen Ordnungsdienst.

vor den Augen der Welt konnte es geschehen, daß durch die nationalsozialistische Hilfspolizei den Hitlergegnern jede Möglichkeit der Propaganda genommen wurde,

vor den Augen der Welt konnte es geschehen, daß die Polizei fich offen mit der einen Abstimmungspartei solidari­fierte, ohne abgesetzt zu werden,

vor den Augen der Welt konnte es geschehen, daß eine serfahrene, hilflose und zur Bewältigung ihrer Aufgabe un­fähige Regierung zwei Tage nach der Abstimmung durch die Polizei erklären lassen mußte, sie sei nicht mehr in der Lage, den Schutz der in der Arbeiter- Wohlfahrt verjam­melten Personen zu garantieren.

Die Staatsgewalt im Saargebiet ist bereits auf die Natio­nalsozialisten übergegangen. Uniformierte SA.- und SS.­Beute rasen auf Motorrädern durch die Stadt, die Häuser und Läden der hitlergegnerischen Presse sind geschlossen, den Zeitungsträgern hitlerfeindlicher Zeitungen kann nicht mehr für den Schuß ihres Lebens garantiert werden, an den Fen ftern bes Obersten Abstimmungsgerichtshofes jubeln die Landjäger über die Züge der Nationalsozialisten, die den Spottbildern, die den Status quo begraben, Hitlergegner merden schon bereits verhaftet. Der März 1935 feiert im Eaargebiet selige Urständ... und in den Rasernen liegen die ausländischen Truppen, die für die geheime, freie und anbeeinflußte Abstimmung sorgen sollten, sie liegen da in Bereitschaft und Erwartung, in der Erwartung, sich wieder in ihre Heimat zu begeben.

Wir haben Grund, Anklage zu erheben, wir haben Grund, mit beiden Fäusten an jene Pforte zu pochen, hinter der bas sagenhafte Weltgewissen ruhen soll. Wir haben für eine große und eble Sache gekämpft. Für Freiheit und für Ge­rechtigkeit, wir haben den Kampf mit einem ungleich mäch­tigeren Gegner aufgenommen, und wir haben diesen Kampf bis zum Ende geführt. Wir haben nie daraus ein Hehl ge­macht, daß wir Deutsche sind und Deutsche bleiben wollen, aber wir haben alles, was wir nur immer aufbieten konn= ten eingefeßt, um das Saargebiet, dieses kleine Stückchen deutschen Landes, von der Diftatur Hitlers freizuhalten. Gegen uns stand die ganze Gewalt eines 66 Millionen Bol­tes, mit uns war nur der Kampfeswillen unserer Freunde und die zwar ehrliche, aber in ihrer Wirkung problematische Sympathie der ausländischen Verfechter des demokratischen Ideals. Wir waren feine Separatisten, wir haben keine Be­zahlung von den Gegnern Deutschlands erhalten, wir hät ten sie auch nie angenommen. Wir waren auf nichts gestellt als auf den Opfermut unserer Kampfgenossen.

Wir habens kommen sehen, und wir haben rechtzeitig ge­nug unsere Stimme erhoben, aber man bat uns nicht gehört oder nicht hören wollen. Wir haben Tag für Tag den offenen und verdeckten Terror der Nationalsozialisten aufgezeigt, wir haben darauf hingewiesen, daß vor zwei Jahren schon die von den Nationalsozialisten unter Duldung des Volter­bundes und der Regierungskommission vorgenommene Vor­abstimmung zu einer wirksamen Verfälschung der öffent­lichen Meinung führen mußte, wir haben gezeigt, daß die Regierungskommission feine Excfutive besaß, die gewillt war, den erlassenen Verordnungen Wirksamkeit zu ver­

ſchaffen, wir haben es immer wieder gesagt, daß bei einer Partei, der alles als Recht gilt, was dem nationalsozialisti fchen Staate nüßt, die demokratischen Prinzipien zu einer wahren Farce werden muß. Wir haben das immer wieder gesagt, und man hat uns nicht gehört.

In dieser Stunde, in der wir Bilanz zu ziehen haben, in bieser Stunde, in der der Terror gegen unsere Freunde auf dem Land schon offene Formen augenommen hat, in dieser Stunde tönnen und müssen wir sagen, wir haben unsere

Regiert der Völkerbund noch?

Die gegenwärtigen Ereignisse im Saargebiet werden für die ganze Welt eine Probe darauf sein, ob Hitler sein Wort hält und zu halten vermag. Gestern hat der Führer" im Rundfunk seinen Leuten an der Saar strengste Disziplin befohlen. Er hat sie ausdrücklich zweimal auf die außen­politischen Folgen etwaiger Gewaltakte aufmerksam gemacht. Und die Folge?

Die Folge war, daß gestern abend eine sogenannte Volks­menge" das Gebäude der Volksstimme" umlagerte und Po­lizei sie erst vertreiben mußte. Aehnliche Szenen spielten sich vor dem Hause der Arbeiterwohlfahrt ab, die neben dem Hause der Volksstimme" das Zentralbaus der Sozialdemo= fratie in Saarbrücken ist. Aber immerhin, diese Vorfälle blieben beim Zusammenrotten, Gaffen und gelegentlichen zurufen. Viel schlimmer ist das, was auf dem Lande sich ab­spielte und was erst langsam durchsickert. Im Augenblick da dies geschrieben wird, kursieren hier Gerüchte von angeb­lich fünf Toten, die diese erste Nacht der Befreiten Saar" gefordert haben soll. Wir sind, solange feine Bestätigung tommt, mißtrauisch und nehmen an, daß es sich bei diesen Meldungen um Erzeugnisse einer Pinchoie handelt.

Aber keine Psychose ist es leider, daß zur Zeit das Volk 6- haus in Neunkirchen von einer Menge" umlagert wird, die drohende Rufe ausstößt, die heute nacht versuchte, gewaltsam in das Haus einzudringen, und feine Psychose ist es ferner, daß die vom Völkerbund angestellte Polizei gegen diese Menge entweder nicht einschreiten fann oder nicht ein­schreiten will. Keine Psychose ist es, daß in Saarlouis das Haus des Führers der Saarländischen Wirtschaftsvereini­gung umlagert wurde und daß hier ebenfalls der Versuch gemacht wurde, einzubrechen. Keine Psychose ist, daß in einem Orte der zuständige Arzt sich geweigert hat, einen von seinen Gegnern verwundeten Anhänger des Status quo Hilfe zu Teisten.

Hitler erinnert sich vermutlich daran, daß ähnliche Aus­schreitungen in früheren Fällen Deutschland unermeßlichen Schaden getan haben. Die Dinge liegen heute politisch an­ders, aber in einem sehen sie sich gleich: die Welt steht vor der Gefahr, dutch nationalsozialistische Leichtfertigkeit dem ge gebenen Wort gegenüber selbst ungeheuer gedemütigt zu werden.

Was wäre das für ein weltpolitisches Schauspiel, wenn Hitler vor der Welt erklären müßte: ich wollte Disziplin, ich wollte Ruhe, ich wollte keine Gewalt, aber meine Leute waren nicht zu halten! Zwar hat die deutsche Front" noch gestern prahlend erklärt, sie selbst übernehme die Verant­wortung für die Aufrechterhaltung der Disziplin im Saar­gebiet, aber wenn die Menge begeistert" ist, gibt es natür­lich keine Verantwortung mehr.

Der Fall ist ernst. Zu diesem Aufruf sagt der( nunmehr nicht mehr stellvertretende?) Landesleiter der deutschen Front" u a.:

Die politische Linie der deutschen Front" war auch bei dem für den 15. Januar gestellten Ersuchen von vornherein flar. Sie ist darauf abgestellt, durch die für den Tag der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses verlangten Feiers tagsruhe zur Entspannung der gegenwärtigen Situation im Saargebiet entscheidend beizutragen. Wenn nur die Regie­rungskommission offensichtlich der Meinung ist, eine Ver­antwortung für diese Entspannung nicht übernehmen zu fönnen, so ist andererseits die

deutsche Front" stolz darauf, daß fie von der Kommission vor aller Oeffentlichkeit die Verantwortung für die restlos disziplinierte Durchführung der Feiertagsruhe am 15. Jannar zugewiesen erhält."

Also hier wird bereits offen proklamiert, daß die amtliche Völkerbundsregierung gar nicht mehr effektiv im Saarge­biet regiert. Hier wird bereits offen proklamiert, daß die amtliche Völferbundsregierung in der wichtigsten Aufgabe, Aufrechterhaltung der Ordnung, von einer Hilfsregierung der deutschen Front" abgelöst wird. Nachdem diese Völker­bundsregierung in den letzten Tagen vor der Wahl sich schon die Hilfspolizei" der deutschen Front" gefallen ließ und damit nicht unwesentlich zu dem überraschenden Wahlaus­gang beitrug, ist ihre Beiseitedrängung durch die Hiffs= regierung der deutschen Front" nur gerechter Lohn.

Und das geht nicht nur das Saargebiet, sondern den ganzen Völkerbund an.

Mag sein, daß ein paar Tote, die es an der Saar geben könnte, von den Diplomaten ohne sonderliche Aufregung in den Dossiers begraben würden. Aber die zynische Gleich­schaltung dieses angeblich immer noch vom Völkerbunde re­gierten Landes unter den Augen der dreitausendfünfhundert Mann starten Macht dieses selben Völkerbundes ist ein poli­tischer Vorgang, der Weltausmaß annehmen kann. Der Völkerbund muß sich darüber klar sein, daß er schon bisher in der Saarfrage sich nicht mit Ruhm bedeckt hat. Das kurze Glück der Dezembertage zerstob im selben Augenblick, als unter den Augen der Völkerbundsarmee an der Saar die deutsche Front" die Herrschaft der Straße übernahm. Wenn jetzt auch noch gestattet wird, die Herrschaft in den Behörden und der Polizei stillschweigend zu übernehmen und die sp­genannte Regierungskommission zu einer hilflosen Infe! inmitten der Ereignisse zu machen, dann ist schlechterdings nicht mehr einzusehen, warum in Genf noch Diplomaten zu sammenfommen. Dann gibt es weder an der Saar noch sonstwo in Europa eine Völkerbundsautorität mehr.

Die schicksalsreiche Volksabstimmung

Das Organ des freien Bergarbeiterverbandes des Saargebiets schreibt über die nach der Abstimmung im Saargebiet eingetretene Lage in einem Leitartikel, der besonders an die Mitglieder des Verbandes gerichtet ist: Der schicksalsreiche 13. Januar liegt hinter uns. Die Abstimmungskommission hat am Dienstagmorgen das Votum der Saarbevölkerung verkündet. Das Ergebnis

lautet:

Stimmberechtigt Abgegebene Stimmen Davon für:

.

539 341 528 005

Beibehaltung der jetzigen Rechtsordnung ( Status quo)

für Frankreich. für Deutschland

ungültige Stimmen

4

46 513 2124 477 119 2249

Die Wahlbeteiligung betrug, wie nicht anders zu er­warten war, 98,8 Prozent. Das Ergebnis ist ein starkes warten war, 98,8 Prozent. Das Ergebnis ist ein starkes nationales Bekenntnis der Saarbevölkerung zu Deutschland. Der nationale Gedanke hat über die Frei­Deutschland. Der nationale Gedanke hat über die Frei­heif und Menschenrechte den Sieg davongetragen.

Unser Verband hat getreu seiner Aufgabe und Ueberlieferung sich für die Rechte und Freiheit der Saararbeiterschaft eingesetzt. Einstimmig hatten die Funktionäre der höchsten Instanz des Verbandes, der Generalversammlung, sich für die vorübergehende Bei­behaltung des jeßigen Zustandes entschieden in der Hoffnung, daß möglichst bald in Deutschland wieder die Kulturrechte der Arbeiterklasse Piazz greifen. Ueber diese Rechte hat wie bereits betont der nationale diese Rechte hat Gedanke gesiegt. Auch die Sieger werden anerkennen müssen, daß die für den Sozialismus und Freiheit kämpfende Arbeiterschaft eine ehrenvolle Niederlage erlitten haben. Die Kampfesmiffel waren ungleich. Die Ehrlichkeit des Kampfes stand nicht immer im Vordergrund und trotzdem waren es 46 513 Menschen, die für die Ehre und Freiheit bis zum Lehten ihren Mann gestanden haben.

Es soll nicht verschwiegen werden, daß der sozia­listische Freiheitskampf an der Saar eine Niederlage erlitten hat; doch haben wir keine Ursache, darüber den Kopf zu verlieren, sondern der freigewerkschaftliche Kampfesgeist muß auch für die Zukunft erhalten bleiben. Die Opfer und Entbehrungen, Diffamierungen und Drohungen, waren in diesem Kampf die Waffen gegen uns.

Die erste Etappe für das Schicksal des Saargebiets ist mit der Volksabstimmung erledigt. Die zweife Etappe steht durch die Beschlüsse des Völkerbundes bevor. Es besteht wohl kein Zweifel, daß bei dem über­wältigenden Sieg, das Saargebiet auch von Seiten des Völkerbundes an Deutschland angegliedert wird.

Der Völkerbund hat die große Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die für die Freiheit und den wahren Sozialismus kämpfenden Menschen, für die Zukunft geschützt werden. Die bereits im Monat Juni und Dezember von Deutschland und Frankreich garan­fierten Rechte genügen nicht; sie müssen ausgebaut und erweitert werden, um die freiheitliebende bevölkerung vor Schaden zu bewahren.

Saar­

An unsere Verbandsmitglieder ergeht die Mahnung, auch in diesen schweren Stunden die Ruhe und gewerk schaftliche Disziplin zu wahren; die Mahnung ihrer Organisation, ihrem sozialistischen Wollen die Treue 3 halten.

In den nächsten Wochen wird der Völkerbundsrat über die Zukunft entscheiden. Nach dieser Entscheidung wird die höchste Instanz des Verbandes Gelegenheit haben, sich zu der Lage zu äußern. Es ist die Aufgabe der Saararbeiterschaft ihre Organisation zu erhalten aller Funktionäre, im Interesse der Mitgliedschaft und und an der Gestaltung der Zukunft mitzuwirken.

Unsere Parole bleibt vor wie nach: Der Kampf um die Gleichberechtigung; der Kampf um den Sozialis­mus; der Kampf um die Freiheit!