Nr. 3
Für unsere Mütter und Hausfrauen
Forderungen an ihn zu stellen. Die Muße, die Unabhängigkeit von Sorgen ums Dasein, die einst, als die bürgerliche Klasse noch frisches Blut in ihren Adern hatte, zu wissenschaftlichen Arbeiten und geistigen Errungenschaften führte, bedingt jetzt Ziellosigkeit und seelische Leere. Leute wie Reiner fühlen sich und sind absolut frei, denn weder brauchen sie für sich zu sorgen, noch machen ihnen die Leiden ihrer Nächsten Kummer. Ihre Psychologie hat uns Wassermann in seinem Helden veranschaulicht. Er hat damit den Hintergrund zur Ideologie der Richtung gegeben, die sich am Schlusse des vorigen Jahrhunderts in der Philosophie, Literatur und Kunst äußerte. Das Streben, alle Gesetze und Regeln in der Kunst und Literatur abzuschütteln und der Persönlichkeit die absolute Freiheit oder vielmehr die reine Willkür zu gewährleisten, hat zur Voraussetzung die materielle Unabhängigkeit, die solche Müßiggänger wie Reiner besitzen. Die Lehre des Individualismus in der Kunst und Literatur hängt damit zusammen, daß ihre Bekenner tatsächlich mit der Menschheit durch keine geistigen Bande mehr verbunden find, denn die Klasse, zu der sie gehören, besitzt nur noch egoistische Intereffen. Im Gegensatz zu ihnen idealisiert Wassermann in einer feiner Figuren den Adel, der, wenn auch physisch entartet, doch nach seiner Ansicht gewisse seelische Vorzüge besitzt. Der Typus aber, den uns Wassermann aus dieser Klasse vorführt, besitzt nur Sentimentalität und den Hang zum Mystischen und damit unserem Empfinden nach keinen großen persönlichen Wert. Er hat keine Kraft, der rauhen Wirklichkeit zu trotzen, und verschließt sich in seiner Seele wie in seinem weit von der Stadt abgeschlossenen Hause. Dieser Figur haftet noch die Romantik der früheren Schaffens periode des Dichters an, während sonst der Roman die Vorzüge eines gesunden Realismus in sich trägt. Immerhin sind alle Nebengestalten, die Wassermann gibt, ebenfalls mit festen Linien gezeichnet und heben sich lebendig ab. Das Moderne, die Gedanken, Gefühle und Stimmungen, die hier hervortreten, erhöhen noch den Wert des Werkes. Dr. Jda Axelrod.
Feuilleton
Wir Arbeitsfrauen.
Von Emma dölb.
Richt in dem tiefsten Schacht, Der die Erde durchzieht, Wo nur des Bergmanns Licht Zwischen den felfen glüht, Jst so viel qualvolle Nacht, Jst so viel Schatten und Leid,
Als aus dem Leben der armen frau'n Gellend über die Lande schreit.
Sehren wir uns nach Licht,
Schönheit und Lebensgenus,
Rieder, zurück in den Staub
3wingt uns das eherne Muß. Zwischen Haus und Fabrik
Jst unser Leben geteilt,
Und wir merken es kaum, wie schnell Unsere Jugend und Kraft enteilt.
Schaffen und plagen uns ab,
Bis versagt unsre Hand.
Bis unser Sinn so stumpf,
Daß jedes Wünschen entschwand.
Und doch wehrt unser Mühn
Nur der drückendsten Not,
Und wir benetzen mit unserem Schweiß Unfrer Kinder kärgliches Brot.
Klingt's nicht wie äßender Hohn, Wenn unser Heim man uns stiehlt, Und uns mit heuchelndem Wort Doch es zu schmücken befiehlt? Wenn wir für unsere Herren Sollen die Söhne erziehn,
Daß sie dereinst mit bewaffneter Hand Gegen uns selber zum Kampfe ziehn.
Nicht im furchtbarsten Berg,
Der das Feuer bewacht,
Der die Erde zerreißt,
Brüllende Lohe entfacht,
Jst so viel Haß gehäuft
Als in den Herzen der Frau'n, Die aus all ihrem Elend hinaus Brennenden Blick's in die Zukunft schau'n.
Hört ihr das drohende Murren? fühlt ihr nicht wanken den Grund?
Stößt uns nur höhnend zurück! Schlagt nur die Seele uns wund! Endlich werfen auch wir
Von uns die Bergeslast,
Und der rote, der flammende Zorn Hat euch in brausenden Wirbeln erfaßt.
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11
( Fortsetzung.)
Jones schüttelte ehrbar den Kopf und folgte dem schwarzhaarigen Jüngling mit den Augen. Der Junge jagte Mister Adams mit seiner Pistole im Zimmer herum und fühlte sich stolz wie ein Sieger.
Das heißt doch nicht ganz so. Er war erst 19 Jahre alt, und wenn sein Herz auch mutig schlug, so schlug es eben doch allein in einem fremden Lande. Er war von der Eichhörnchenjagd am Sus-. quehanna, wo die Mutter in einem steinernen Farmhause Abendbrot für ihn warm hielt, direkt in dieses Abenteuer hineingeraten. Er hatte viele Bücher gelesen, in denen auf der letzten Seite die tapferen Helden stolz triumphierten aber alle diese Bücher hatten ihm kein Rezept für eine solche sonderbare Situation gegeben. Da gutes amerikanisches Blut in seinen Adern floß, dachte er jetzt nicht an den Susquehanna , sondern strebte nur mit aller Macht danach, ausfindig zu machen, was er jetzt tun müßte, um sich als Mann zu beweisen. Seine flammende Wut hatte sich bei dem heftigen Umherjagen des alten Mannes gelegt, und eine starke Reaktion trat jetzt bei ihm ein. Er glaubte, daß alle in diesem Raum seine Feinde wären; er ahnte nicht, daß da noch ein anderer amerikanischer Wanderer war, dessen zurückhaltende und seltsame Seele er durch sein kühnes Vorgehen gewonnen hatte.
Im Augenblick jubelten die wetterwendischen Zuschauer ihm zu, weil er die Oberhand hatte, und weil sie sich amüsierten; aber einer im Zimmer war und blieb eben doch sein Feind. Das war der alte Mann. Er tanzte mit einem häßlichen Ausdruck im Gesicht, sah mit raschem Blick auf sein Messer, das er an der Seite trug, nieder und machte im stillen einige Betrachtungen. Er hatte fünf Schüsse abgegeben, der Jüngling nur einen.
Vier und eins machen immer fünf," sagte er sich mit geheimer Freude und tat so, als ob er aufhören wollte zu tanzen. Der Junge lief geradewegs in die ihm gestellte Falle hinein und vers schoß seine letzte kostbare Kugel auf den Spucknapf, bei dem Mister Adams gerade stand. Im nächsten Augenblick sprang der Alte ihm an die Kehle. Sie kämpften, rangen, feuchten, und die Absätze ihrer Stiefel bohrten sich tief in die Erde hinein- endlich rollten sie auf den Boden und zappelten mit den fest verschlungenen Beinen. Der Junge schlug blindlings mit der Pistole auf den Alten los, die Zuschauer kamen näher, um sich nichts von dem Schauspiel entgehen zu lassen da blitzte plöglich ein Messer auf. In der nächsten Sekunde lag es am Boden; ein Fuß hielt den Arm Mister Adams nieder, und ein kalter Ring wurde an seine Schläfe ge= preßt. Das war die glatte, kalte Mündung von Proben- Jones' Sechsläufer.
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" Jetzt ist's genug," rief Jones. Mehr als genug!" Mister Adams stand sofort gehorsam wie ein gutes, altes Schaf auf und steckte sein Messer ein. Aber im Gehirn des überanstrengten und überreizten Jünglings tobte noch die Kampfeswut. Er erhob sich mühsam, nestelte an seinem Halfter und sah bleich vor Grimm nach einem neuen Feinde aus. Sein Auge heftete sich auf Proben- Jones, der behaglich am Schenktisch lehnte und ihn beobachtete. Die übrigen Zuschauer traten etwas weiter zu rückbereit, den Jungen sofort niederzuschießen, wenn er seine Pistole auf sie richten würde. Er zerrte heftig an seinem Halfter schließlich glückte es ihm, die Pistole herauszuziehen und sie auf seinen Befreier zu richten. Proben- Jones sprang wie eine Katze auf ihn zu, drückte den Lauf der Pistole nieder und umspannte das Handgelenk des Jungen.
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Ruhig, mein Sohn," sagte er, ich weiß, was du fühlst!" Der Junge rang in blinder Wut mit Jones plötzlich jedoch schien der ruhige Klang der Stimme in sein Gehirn einzudringen, und er blickte Jones forschend in das Gesicht. In den auf ihm