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Für unsere Mütter und Hausfrauen
Auge etwas eine Bewegung auf zweihundert Meter Entfernung.
Er drehte sich rasch um. Sie hatten den Feind auch im Rücken! Da war kein Entrinnen möglich!" Deine taugt nichts," schrie Jones wütend, als Cumnor seine kleine Kinderpistole herauszog. Mir solchen Streich zu spielen!! Steig' vom Pferde, Kind, steig' schnell ab, tue alles, was ich tue. Schießen würde nichts helfen, selbst wenn meine Pistole geladen wäre. Die da haben geschossen - du kannst sehen, was dabei herausgekommen ist! Gott segne deine Eisbüchsen, Böckchen! Hast du schon mal einen Verrückten gesehen? Wenn nicht, dann stell' dir vor, wie solch ein Verrückter sich gebärdet."
Unter den Steinen auf den Hügeln machte sich mehr Bewegung bemerkbar. Proben- Jones, riß schnell den Packen vom Esel herunter, und die Milchkannen rollten auf die Erde. Der Esel fing an ruhig zu grasen und machte dann und wann einen Schritt vorwärts, um einen neuen Grasbüschel zu erreichen. Mit hängen den Köpfen und schleifenden Zügeln standen die Pferde noch auf demselben Fleck, auf dem die Reiter sie hatten stehen lassen. Die Apachen, die auf den 200 Meter entfernten Hügeln im Hinterhalt lagen, tauchten vorsichtig auf und beobachteten argwöhnisch, was vor sich ging. Proben- Jones ergriff eine Milchkanne, und Cumnor folgte gehorsam seinem Beispiel.
Du kannst tanzen, Kind, und ich kann singen, laß uns unser Heil versuchen." Dann sprang Jones mit schwankenden Bewe gungen umher, verneigte sich tief vor Cumnor, schlug mit seiner Milchkanne an die Kanne Cumnors und begann laut zu schreien: „ Es braust ein Ruf wie Donnerhall."
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, Warum tanzest du nicht?" brüllte er.
Der Jüngling sah den furchtbaren Ernst in Jones' Gesicht; er schlug schnell mit seiner Kanne an die Kanne Jones' und begann eine Art irischen Tanz auszuführen. Die beiden rasten in wilden Sprüngen umber, der Esel graste ruhig weiter, und von dem brennenden Frachtwagen stiegen rote und gelbe Flammen auf.
Während die deutsche Nationalhymne in den Felsen widerhallte, frochen die Apachen immer näher an die tanzenden Männer heran. Die Sonne brannte heiß, und die Körper der beiden Tanzenden trieften von Schweiß. Jones riß sein Hemd ab, die Haare klebten ihm am Kopfe, und die feine, goldene Kette schlug bei jedem Sprunge auf seine breite nackte Brust. Immer näher und näher tamen die Apachen heran, Pfeile und Bogen unsicher in den Händen haltend. Ganz langsam krochen sie von den Hügeln herunter immer in Gruppen von 15 oder 20 Mann- und hielten jeden Augenblick zögernd an. Die Milchkannen schlugen rastlos aneinander, aber Jones fühlte die Schläge des jungen Mannes immer schwächer werden.
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Die Wacht am Rhein " war beendet; jetzt kam Habt Ihr meine Flora nicht gesehen?" an die Reihe. Du mußt nicht den Mut verlieren, Kind," sagte Jones sehr sanft und sang dann sofort weiter. Die Apachen standen jetzt schweigend in etwa zwanzig Meter Entfernung am Fuße des Hügels, und Cumnor konnte die Indianer zum erstenmal aus nächster Nähe bewundern. Er sah sie sich bewegen, sah ihre farbigen, schlanken Körper, ihre dünnen Arme und ihr langes schwarzes Haar. Der Gedanke, daß es sich leichter tanzen ließe, wenn er ebensowenig bekleidet wäre wie die Indianer, durchkreuzte plötzlich sein Hirn. Seine Stiefel wurden schwerer und schwerer, und seine Beinkleider umspannten die Sehnen wie nasse, drückende Riemen. Die Apachen trugen nur leichte, bis an den Schenkel reichende Mokassins, die mit einer Schnur um die Taille befestigt waren. Cumnor beneidete die Apachen heiß, daß sie sich so ungehindert bewegen konnten, als sie dem Play, an dem er tanzte, näher und näher famen.
Er wußte nicht, wie lange er so getanzt und wie lange er nichts gegessen hatte, er fühlte nur eine immer größer werdende Stumpfheit, fühlte, wie der Gedanke, seine Stiefel auszuziehen und sie den Indianern gegen ein Paar Mokassins zum Tausch anzubieten, ihn völlig zu beherrschen begann. Aus allen Winkeln seines Gehirns frochen die Gedanken hervor, und alle liefen sie zu der einen firen Idee zusammen: die Stiefel tauschen, die Stiefel tauschen! Cumnor biß die Zähne zusammen, er mußte Herr über sich und seinen Willen bleiben; immer lauter schlug er mit seiner Kanne gegen die Kanne Jones', sich jeden Augenblick sagend, daß es sein Leben galt. Dann bemühte er sich, den Text von Jones' Lied zu erfassen und sich auf den Namen des Liedes zu besinnen.
Jetzt sang Jones gerade„ Yankee Doodle" mit selbstverfaßten Worten: Jetzt will ich einen, Bluff versuchen, tu du genau, was ich tue," wiederholte er fortwährend. Cumnor wartete immer auf das Wort„ Bluff"; es fiel so hart und schwer wie ein Hammerschlag in sein Ohr und betäubte seine eigenen Gedanken auf einen
Nr. 5
Augenblick. Er fühlte, wie seine Beine langsam erlahmten, und war froh, einen scharfen Schmerz in der Fußsohle zu spüren. Ein Kieselstein hatte den Weg in seinen Stiefel gefunden und drang nun durch die Haut in das Fleisch ein.„ Das ist gut," sagte er laut und trat fest auf die wunde Stelle. Durch den brennenden Schmerz wich die Lähmung.
Die Apachen hatten allmählich einen Kreis um die Arena geschlossen. Verschlagen, mißtrauisch, aber doch mit einer gewissen Ehrfurcht beobachteten sie die Tänzer, die ihre Kannen jetzt lang= sam im Takt nach Jones' heiserem Gesang zusammenschlugen. Jones war vollständig Herr über sich. Er führte einen Tanz um das noch glimmende Wrack des Frachtwagens auf. Dann umtanzte er in seltsamen Windungen die Leichen der Mexikaner und schlug über jeder Leiche die Kannen zusammen.
Als er fühlte, wie auch seine Kraft erlahmte, näherte er sich einem durch seinen Schmuck und Kopfputz als Häuptling gefennzeichneten Indianer. Er schrie erleichtert auf, als der Indianer vor ihm zurückwich. Dann hörte er plötzlich, daß sein Gefährte die Kanne fallen ließ; ohne sich nach ihm umzusehen, nahm er die Kanne auf und ging, mit den Kannen rasselnd, langsam in feltsamen Windungen an jeden einzelnen der Indianer heran. Bisher hatte keiner von den Indianern einen Laut von sich gegeben- jetzt aber wichen sie zurück. Der Häuptling stimmte einen Beschwörungsgesang an, in den sie alle mit gedämpften Stimmen einfielen. Leise die Zauberformel vor sich hin singend, sich dicht um den Anführer drängend, zogen sie sich langsam zurück. Jetzt sah Jones sich nach Cuminor um, da er glaubte, daß derselbe ohnmächtig geworden wäre. Aber Cumnor war nicht ohnmächtig, er hatte seine Stiefel ausgezogen und ging wie in Verzückung hinter den Indianern her. Sie sahen ihn kommen, blickten sich angstvoll nach ihm um und be schleunigten ihre Schritte. Cumnor rief ihnen etwas zu, deutete auf die Stiefel, die er in der Hand trug, und stolperte den Hügel hinauf. Schließlich setzte er sich hin. Die Indianer stiegen dicht um den Häuptling geschart immer höher hinauf, bis sie hinter Felsen und Dickicht verschwanden; ihr Gesang starb dahin wie ein Hauch....
Die Sonne stand schon sehr tief, als Jones sich aus dem Zu stand dumpfer Erschöpfung wieder aufraffte. Er rief nach Cumnor und kroch, da er feine Antwort erhielt, mühsam den Hügel hinauf. Der junge Mann lag mit fieberheißem Kopfe in schwerem Schlafe und stöhnte. Jones troch wieder hinunter, um Decken und die Feldflasche mit Wasser zu holen. Er deckte Cumnor sorgsam zu, befeuchtete ein Taschentuch und legte es ihm auf die Stirn; dann streckte er sich selbst neben ihm aus.
Die Erde strahlte wieder in kristallklarem Glanze, wieder war der Sand, waren die Yuccas in Licht gebadet, wieder waren die Berge in dunkles Violett getaucht, wieder glühte der Himmel in rötlichen und gelblichen Farbentönen.
„ Jock," sagte Jones schließlich. Der Jüngling öffnete die Augen. " Dein Fuß sieht schlimm aus, Jock. Kannst du was essen?" ,, Nicht mit meinem Fuß."
,, Ah, Gott segne dich, Jock! Sehr schwer frank bist du also nicht! Aber sag', tannst du essen?"
Cumnor schüttelte den Kopf.
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,, Du mußt aber doch was zu dir nehmen! Komm trink'!" Jones gab dem jungen Mann eine Mischung von Wasser und Whisky zu trinken und wickelte den kranken Fuß in sein eigenes Flanellhemd ein.
" In Grant werden sie dich schon kurieren. Bis dahin haben wir aber wohl noch zwölf Meilen durch die Schlucht. Grant ist ebensowenig eine Stadt wie San Carlos, aber die Soldaten werden sich unserer sicher annehmen. Sobald es dunkel wird, müssen wir uns aufmachen und auf irgend eine Weise dorthin zu gelangen suchen...."
Und sie kamen hin! Jones führte sein Pferd und den unerschütterlichen kleinen Esel und hielt außerdem noch Cumnor im Sattel fest.
Als es diesem, der im Militärlazarett in Grant gepflegt wurde, wieder besser ging, erzählte Jones allen, die es hören wollten, was für eine nütliche Waffe Eisbüchsen wären. Er erzählte ihnen weiter, daß man, um die Apachen zu verjagen, nur auf Strümpfen hinter ihnen her zu laufen brauchte dann nähmen sie unbedingt Reißaus.
Später ließen Jones und Cumnor sich beide anwerben. Ich vermute, daß Jones' Freund in Tucson noch immer auf ihn wartet..