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Damasus fielen. Von dieser Zeit bis 1870, dem Gnadenjahr| Hirten. Die Grausamkeit ihrer Vögte riß den Geduldfaden ent­der Unfehlbarkeit, verursachte dieser Pfahl im Menschenfleisch zwei und die Feudalherrschaft in's Verderben. einen ununterbrochenen Krankheitszustand. Ein dem   deutschen Volke mißgünstiger Stern stand über der Stunde, in welcher der fromme Karl, von Größenwahn, wie vor ihm der makedonische Alexander und nach ihm der korsische Napoleon, besessen, die Tradition des fluchbeladenen römischen Imperiums dem Deutsch­thum aufpfropfte.

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In   Deutschland wurden zwar ähnliche Versuche blutig im Keime unterdrückt, flackerten aber in den Bauern- und Hussiten­kriegen immer wieder auf. Damit es den aufblühenden Städten nicht an Zerstreuung fehle, rauften sich die Zünfte mit den Patriziern und der Nath mit den Bischöfen herum.

So wären wir glücklich bei dem" goldenen" Zeitalter des Krieges aller gegen alle angekommen. Nur in einem Punkte waren alle Parteien einig, in der Plünderung der Juden. So sah es am Ausgange des Mittelalters aus; doch plötzlich leuchtete durch die blutigen Wolken der helle Schimmer eines Dreigestirns. Gutenberg's Buchdruckerkunst beflügelte die Gedanken und entriß den Priesterhänden des Wissens Waffe, um sie zum Gemeingut des Volkes zu machen. Das Donnerpulver des Bert­ hold   Schwarz vertilgte des Faustrechts Schergen im eigenen Nest; aber beide übertrifft der neueren Geschichte idealste That, die in der Reformation zu Tage tretende Auflehnung gegen den päpst­lichen Stuhl. Luther's Bibelübersehung reiht sich der Wirkung nach an Dante und   Homer. Trotz aller Kurpfuschereien war sein ge­sundes Werk nicht zum Umbringen, die abtrünnigen Schäflein blieben für   Rom verloren und kehrten trotz aller Lockung nie­mehr freiwillig in den ,, alleinseligmachenden" Pferch. Der schamlos haufirende Ablaßkram und die sittliche Versunkenheit der Klöster bestimmten selbst die Baghaften zum Ausharren. Auch die sozialen und geistigen Verhältnisse haben mittlerweile große Veränderungen erfahren. Das öffentliche Leben wurde durch das emporstrebende Bürgerthum mit reicherem Inhalt in gröberen Formen gefüllt, und die Handelsemporien Straßburg,   Ulm,   Augsburg,   Nürnberg und   Leipzig haben längst an Pracht und Reichthum die Pfalzen der Residenten überflügelt. Das sind die ersten Keime des vierten Standes.

Die spärlichen Bildungsmittel der schmachvollen Zeit, in welcher ein Canossa möglich war, befanden sich ausschließlich im Besitze der Kirche und wurden nur zur Verherrlichung des römi­schen Tiaraträgers verwendet, aber die Demokratin Natur sorgt immer dafür, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Der Organismus der Massen ist gerade so, wie der der einzelnen Menschen, Fieberanfällen ausgesetzt, die gebieterisch Luftverände rung erheischen. Ein solches Generalfieber veranlaßte die Kreuz­züge, welche die Kirche sofort als Punip-, Trieb- und Saugwerke zu ihrer Bereicherung benutzte, wobei sie aber trotz momentanem Nuzen doch schließlich zu Schaden kam. Tausende von Adels­geschlechtern wurden in das Morgenland getrieben, nachdem man sich wohl versichert hatte, daß die Güter der nimmer Wieder­kehrenden der Kirche zufielen. Eine traurige, maßlos traurige Posse begann auf der christlichen" Weltbühne der Reliquien schwindel. Was die freiwillig armen" Vertreter der Kirche noch nicht in ihren Klauen hatten, das wurde den Lebenden für werth­lose Knochen aus Roms Katakomben abgejagt und den Sterben­den so lange der Höllenpfuhl mit den grellsten Farben vorgemalt, bis sie zu Gunsten der Pfaffen testirten, und thaten sie es nicht, so wurden die Testamente gefälscht, denn Lesen und Schreiben war das unangefochtene Monopol der Kirche. Doch plößlich drohte der Kirche" der Feind von Osten, wo sie ihn am aller­wenigsten vermuthete. Die Wagefahrt nach   Jerusalem drückte dem Laien nicht nur das Schwert, sondern auch die Beier in die Hand und erweiterte seinen geistigen Horizont. Das öffentliche Leben erhielt durch die Kenntniß neuer Länder phantasievolle Anregung, mit deren glanzvollen Bildern ein erfrischender Hauch bis in die untersten Schichten des geknechteten Volkes drang, aus dessen Mitte die zwei größten Dichter der hohenstaufner Literatur­epoche, Wolfram von   Eschenbach und Walther von der Vogel- Zwischen weide, erstanden. Der Minnesang wurde zwar von vielen Hoch­geborenen" geübt, aber das niedriggeborene" Doppelgestirn ver­mochte keiner zu verdunkeln.

Der städteverwüstende Kampf der Welfen und   Waiblinger rief den dritten Stand in's Leben, indem er die   Hansa und den schwäbischen Städtebund zwang, gegen die Kirche und den Adel Front zu machen. Auch der Wissenschaft wurde nachgerade die Klosterzelle zu dumpf, und das Morgenroth der Renaissance be­gann. Und das Bolt? Je nun, es befand sich den Verhältnissen angemessen. Alle fünf Quadratmeilen sorgte für seine Wohlfahrt ein reichsunmittelbarer Landesvater, gesegnet mit legitimem und illegitimem Nachwuchs, umgeben von einem Troß in seine Farben gekleideter Faullenzer; die Felsen beklebt mit den Wespennestern der wegelagernden Vorfahren unseres heutigen Adels, die zwar nicht zu lesen und schreiben, aber desto mehr zu rauben und zu saufen verstanden. Gab es auf der Landstraße nichts zu holen, so schlugen sie sich gegenseitig zum Beitvertreib die Schädel ein. Dieses Privatvergnügen nannte man das Faustrecht. Die lau­schigen, besonders schönen Plätzchen des Landes zierte überall ein Kloster, die   Benediktiner immer hübsch am Hügel, die Cisterzienser im Thal; die andern weißen, braunen und schwarzen Kutten­träger und Trägerinnen, wie es ihr Nuzen oder Geschmack er­heischte, aber alle weich gebettet und von gekrönten und unge­frönten alten Weibern männlichen und weiblichen Geschlechtes mit fetten Benefizien an Land und Leuten reich dotirt; und alle diese geweihten und ungeweihten Bäuche füllte die schwielenharte Hand des leibeigenen Bauers, dem das Jus primae noctis"*) auch noch die Bürde der Aufziehung von Kindern eines anderen Vaters auferlegte. Dazu von zehn zu zehn Jahren Pest und Hungersnoth das reichbesetzte Mahl des Lebens war nur für die freigeborenen Schlemmer aufgetragen, während die Hoffnung auf ein besseres Jenseits" das jahrhundertlange Hungertuch der Hörigkeit webte. Doch das volle Maß macht oft ein Tropfen überfließen, und dieser Tropfen war die Thräne der schweizer

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*) Das Recht der ersten Nacht, wonach das Mädchen aus dem Leibeignenstande vor ihrem Eintritt in den Ehestand zuvörderst dem Herrn" gehörte.

Als das Minnelied verstummte, ging die Kunst des Gesanges auf die Bürgerschaft über, aber diese drückte der lyrischen Dich­tung einen trockenen, lehrhaften Charakter in verkünftelten Formen auf. Dafür fand das Volkslied wegen seiner Ursprünglichkeit und Frische bei den niederen Klassen der Bevölkerung liebevolle Pflege.

Zwischen Blumen des Waldes hin rieselt der Brunnen des Volkslieds, Dort in's verjüngende Bad taucht sich die Muse bei Nacht.

Die Entdeckung Amerika'  s machte die staunende Welt auf den so lange unbenutzten Schatz der griechischen Naturkenntnisse auf­merksam und war so der Impuls ihrer erneuerten Pflege. Die Wissenschaft, auf freie Forschung gestützt, bahnte der Freiheit eine Gasse.

Da senkte sich unvermuthet auf ihre Aussaat ein giftiger Mehlthau die   Jesuiten.

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Die lebensklugen Rekruten der Ecclesia militans boten sich den Päpsten als Spione an, um bald Schlachtenlenker zu werden. Sie wußten sich in alles, selbst in die Launen der Weiber, zu schicken und regierten durch die Schwächen der Männer die Welt. Indem sie jedermann den Abschied von der Wahrheit zu erleichtern wußten, hatten sie im Handumdrehen eine Gegen­reformation eingefädelt, und als diese zu stocken begann, hezten sie   Europa in den dreißigjährigen Krieg. Der westfälische Friede nöthigte dem   deutschen Michel ein so enges Camisol auf, daß er schier zu ersticken drohte. Glücklicherweise war Michel dauerhafter wie das Camisol, er reckte und streckte sich so lange, bis die Nähte plazten, und gedieh nach wie vor, während seine Nachbarn nach der blutigen Durchführung der Glaubenseinheit" von den Folgen des   katholischen" Faulfiebers heimgesucht wurden. Mit dem römisch- deutschen" Kaiserthum ging es immer noch bergab, nichts konnte seine matten Pulsschläge beschleunigen. Die ge­puderten und bezopften Quart-, Ottav- und Duodezfürsten hatten nur das Wohl und Wehe ihrer speziellen Vaterländer" im Auge. Dadurch kam zwar   Berlin,   Dresden,   München,   Hannover,  Weimar u. s. w. auf's hohe Roß, aber Frau   Germania auf den Hund. Bevor Nudelfingen sein Kontingent, bestehend aus einem Sattel, und Schleißberg den dazu gehörigen Reiter stellte, nahm"  Frankreich das   Elsaß und äscherte die   Pfalz ein. Die   deutschen  Fürſten beeilten sich, die Maitressenwirthschaft des großen" Ludwig zu kopiren, und um dieses kostbare Plaisir bestreiten zu können, ließen sie wacker die Steuerschraube arbeiten und ver­kauften noch nebenbei ihre lieben Landeskinder in die Fremde an die meistbietende Schlachtbank.

Da traten zwei konfessionslose" Apostel auf, der preußische