Jllustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk. Erscheint wöchentlich. Preis vierteljährlich 1 Mark 20 Pfennig. In Heften Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter.

Der ErtwnKe!. Novelle von Hrnst von Watdow. (Fortsetzung.)

Die Sache war nun einmal geschehen, die Gäste im Zorn von ihr gegangen, daran ließ sich nichts mehr ändern, und da in diesem Moment die Magd mit der dickbäuchigen Kaffee- kanne erschien, winkte Frau Friederike der gleich ihr schon heiser gewordenen Martha, und beide Frauen ließen sich an dem ver- lassenen Kaffeetische nieder und lobten bei dem braunen Tranke die Klugheit der gewandten Magd, das edle Naß während der kleinen Familienszene draußen warmgestellt zu haben. Bon diesem ansprechenden Thema kam man dann wie von ungefähr auf die viele Mühe undMrthschaft", die eine solcheGasterei" ver- Ursache, und wie wenig dies anerkannt werde im allgemeinen. Da war dann nur ein kleiner Sprung, um auf den hier vor- liegenden speziellen Fall überzugehen und Jungfer Martha scheute vor diesem kleinen Sprunge durchaus nicht zurück. So kam es denn, daß, ehe noch eine Viertelstunde vergangen, der Friede wieder nothdürftig geschlossen und selbst Emmerenzia am Tische saß, ein Stück Streuselkuchen in denAufgewärmten" tauchte und über die Koketterie alternder Mädchen lispelte, die in der Residenz Gott weiß was für Liebschaften gehabt und nun in die Kleinstadt kämen, um unschuldige Jünglinge zu verführen. Onkel Johann hatte seine Mütze genommen und brummend das Zimmer verlassen. Er begab sich zu Bruder Eusebius , dem einstigen Studenten und gegenwärtigen Flickschuster von Dohlen- Winkel, denn es drängte ihn, während er über die Klatschsucht der Weiber daheim räsonnirte, seinem Mittheilungsbedürfnisse zu genügen. Droben, in dem Gastzimmer desSchwarzen Wallfisches" aber that Frau Edeltrud mit zum Schwur erhobener Rechten das feier- liche Gelöbniß, von heut ab mit der bürgerlichen Verwandtschaft ihres geadelten Gatten vorbehaltlich des Erbonkels ein- für allemal und auf das feierlichste zu brechen, nie wieder deren plebejische Schwellen zu überschreiten, noch gedünstetes Kraut und Schweinsbraten, Streuselkuchen und Cichorienkaffee dort zu ge- nießen, ihnen nie ähnliche Gaben der Liebe im eigenen Hause anzubieten, noch ihre Besuche anzunehmen. Wir sind geschieden, für jetzt und alle Zeit!" so schloß die in ihren heiligsten Empfindungen gekräntte Frau.Und wenn du wagst, mir in dieser Sache zuwider zu handeln, Sebaldus, dann ist auch das Band zerrissen, welches uns verknüpft, hörst du?!"

Ich höre, rter" Wie, du könntest es wagen, mir zu widersprechen?" Nein doch aber dann wäre es meiner unmaßgeblichen Meinung nc-ch besser, wenn wir wieder fortzögen, denn in einer so fteinen Stadt und verfeindet mit der ganzen Gesellschaft, ja mit der eignen Verwandtschaft, das ist ja ein Leben zum Tcufelholen!" Sebaldus!" Na ja ich bin schon ganz desperat!" Ich hindere dich ja nicht, dann und wann niit deinen Ver- wandten zu verkehren, nur mich, die geborene Freiin von Recken- stein, und meine Kinder nehme ich aus. Auch werde ich nicht die Flucht vor diesen Kleinstädtern ergreifen. Wir hatten ein Ziel, als wir die Residenz mit Dohlenwinkel vertauschten. Wohlan, dies Ziel wollen wir erreichen es wird ja nicht allzu schwer sein, so sagt mir meine Ahnung und erst dann wollen wir den Staub von unseren Schuhen schütteln und diesen erbärmlichen Spießbürgern den Rücken kehren, aber als Siegende und nicht als Geschlagene!" Sie war groß in diesem feierlichen Augenblick, das füblten sie alle und Frau Edeltrud selbst am tiefsten. Das graue Männlein beugte sich über die Hand der bcroischen Gattin und drückte eintn schüchternen Kuß auf dieselbe, während er ein beklommenes Amen" lispelte. Adelgunde sprach es leise nach und blickte dabei zu dem wolkcnbedeckten Nachthimmcl empor, seufzend suchte sie einen Stern zu entdecken, und als diese Bemühung fehlschlug, flüsterte sie resignirt: Eilende Wolken, Segler dar Lüfte, wer mit euch wanderte, wer mit euch schiffte! Grüßet mir freundlich meinen Theobald!" Da brachte die Magd das Nachtmahl mit einemschönen guten Abend!" herein; weil man im Sturni und Drang des Tages vergessen, eine diesbezügliche Extrabestellung zu machen, sandte Herr Jonas der hoftäthlichen Familie von dem, was der Schwarze Wallfisch" seinen Gästen heut Abend bot es bestand aus gedünstetem Kraut und Schweinskoteletten.

Meister Johann hatte sich nach der stürmischen Szene in seinem Hause, wie schon berichtet, auf den Weg gemacht, um dem Bruder

M. 3. November l»77,