Die Gene Wolf

No13.Jahrg.Ill.

Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk.

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Erscheint wöchentlich.- Preis vierteljährlich I Mark 20 Pfennig. In Heften à 30 Pfennig. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter.

Weihnachten.

Erzählung von M. Kautsky.

( Schluß.)

" I, so geht man nicht fort, das wäre sehr unartig, Georg," ermahnte Rosa in einem hausmütterlich strafenden Tone. Der Onkel hat lange genug mit dir gespielt, du gibst ihm dafür eine Patschhand."

" Ja, einen tüchtigen Patsch gebe ich ihm," rief der Kleine mit einem übermüthigen Aufblizen seiner Augen, und er hob die kleine Hand, so hoch er konnte." Reiche mir nur die deine her, Onkel." Dieser hielt ihm die Linke hin.

" Nicht doch, die Rechte gibt man," scherzte Rosa. Fritz öffnete hierauf gehorsam die zusammengeballte Rechte. Rasch schob Rosa, die dies alles mit Absicht herbeigeführt hatte, die Lampe vor, ihr Licht offenbarte eine geröthete Handfläche. Richtig, sie ist verbrannt!" rief Rosa mitleidig aus. Ich wußte es ja, ich hatte es gleich bemerkt, nein, ich bitte, stecken Sie nicht wieder die Hand in die Tasche, wie Sie vorhin thaten. Sie müssen eine kühlende Salbe darauf legen." Rosa sprach jezt so dringlich, es klang so überaus gut und theilnahmsvoll, daß Frizz freudig erstaunt in ihr Gesicht sah.

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Sehen Sie mich nur nicht so erstaunt an, ich bitte Sie, Herr Mahlknecht. Ich bin nicht immer rabiat, freilich, Sie halten mich für eine Tigerin."

" Nein, Rosa, ich sehe, Sie haben ein mitleidiges Herz, ich möchte auch sehr gerne eine Salbe gebrauchen, aber ich glaube nicht, daß Auguste eine zu Hause hat."

" Ich habe ich habe

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eine mitgebracht," sagte sie ganz verschämt. Ich sah ja vorher schon gar deutlich den Brandfleck, und ich dachte sogleich an die vorzügliche Salbe, die ich noch von meiner verstorbenen Mutter her habe; es wäre freilich möglich, daß sie schon etwas verraucht ist."

O, das thut nichts, geben Sie sie nur her."

Rosa nahm aus dem Körbchen, das sie mitgebracht, einen Leinwandstreifen, der bereits mit der vorzüglichen Salbe bestrichen war. Sehen Sie, das müssen Sie jetzt auflegen," sagte fie, indem sie ihm denselben hinreichte.

" Ich weiß nicht, ob ich das mit der linken Hand zusammen bringen werde," meinte er kopfschüttelnd. Ich bin damit sehr ungeschickt, Fräulein Rosa, ach, Sie glauben garnicht, wie sehr ungeschickt." Und in der That, er brachte es garnicht auf die rechte Stelle. Rosa zögerte noch, aber ihr gutes Herz überwand den alten Groll. Sie erfaßte den Streifen und legte ihn zart und

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1877.

behutsam über die geröthete Haut. Ach, das thut wohl, das kühlt!" rief mit Enthusiasmus der Patient.

" Jezt muß es noch verbunden werden," erklärte der junge Doktor. " Mit was denn, haben Sie nichts, Fräulein Rosa?" Wenn es Ihnen recht wäre, würde ich mein Sacktuch dazu verwenden."

O, es ist mir schon sehr recht."

" Halten Sie hübsch ruhig, Herr Mahlknecht, sonst verschiebt sich das Pflaster."

" Dann müßten Sie es noch einmal anlegen."

Sie stand vor ihm und hielt seine Hand in der ihren und wickelte behutsam das Taschentuch darüber. Ihr wurde so sonder­bar dabei zu Muthe, so heiß drang es ihr zum Herzen, so siedend heiß quoll es herauf, und er, der Sitzende, sah zu ihr auf mit den lieben Augen, die garnicht falsch waren, und sie blickten so tief, so grundtief in die ihren. Sie wußte sich plötzlich nicht mehr zu helfen, und als der Knoten gemacht war, schlug sie wie verzweifelt die Hände vor ihr erglühendes Gesicht und rief in einem herzbrechenden Tone:" Ach, wenn Sie doch nur der Fanny nicht untreu geworden wären!"

Frizz fuhr überrascht zurück, diesen Ausspruch hatte er jetzt am wenigsten erwartet, aber er faßte sich und fragte recht sanft: Würden Sie dann glücklicher sein, Rosa?"

" Ach, viel glücklicher," drang es unter ihren Händen hervor. Ich hätte Ihnen dann keine Ohrfeige gegeben!"

" Rosa, beunruhigen Sie sich deshalb nicht, das thut nichts, ich versichere Sie."

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Und dann dann brauchte ich Ihnen nicht gram zu sein, und ich müßte nicht beständig an die arme Fanny denken, wenn ich Sie ansehe."

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Aber das sollen Sie nicht, Sie sollen nicht an die Fanny denken; ich denke selbst nicht mehr an sie, warum thun sie es?"

Das ist ja eben das Schlimme. Ihr Männer, ihr zerreißt leichtfertig Verhältnisse, die ihr angeknüpft habt, aber ein armes Mädchenherz das geht am Treubruch zugrunde."

"

Warum nicht gar, bei Fanny ist dies gewiß nicht zu fürchten." " So? Was wissen Sie? Sie haben sie nicht weinen ge­sehen, aber ich, und ich kann mir recht gut denken, was das heißt, wenn man denjenigen verliert, den man lieb hat." Aber Rosa!"

III. 29. Dezember 1877.