übung erst später die Theorie mit ihren abgezogenen Regeln folgt, begann auch jetzt, nachdem die mehr oder minder aus sprachlichen Meisterstücken gebildete Reihe Luther 'scher Schriften ihr Ende er reicht hatte, ein pilzähnliches Emporwuchern von theoretischen Werken über die deutsche Sprache. Deutsche Grammatiker sind es in erster Linie, die bemerkenswerthe Aeußerungen über den Verlauf der Sprachentwicklung thun, an zweiter Stelle die Dichter, die Sprachkünstler, die selbstverständlich immerwährend Veranlassung hatten, nachzudenken über den von ihnen als Material gebrauchten Sprachstoff; oft waren die Grammatiker zugleich Dichter, ja das Zeitalter forderte gradezu, daß die Dichter Gelehrte, daß die Gelehrten Dichter seien, eine Forderung, welche, was den freien Schöpferdrang anlangt, lähmend auf die Produktion gewirkt und auch hauptsächlich verursacht hat, daß diesem Abschnitt unserer Literatur lange Zeit jede liebevolle Pflege vorenthalten würde, wiewohl auch er des Interessanten genug bietet.
Der große Sprachforscher und Sprachkenner Konrad Gesner spricht sich in der von ihm verfaßten Vorrede zu seines Freundes Josua Maaler deutschem Wörterbuch" sehr warm für das sächsische Deutsch aus, er nennt nur statt Meißen Leipzig , wegen seiner schon damals hohen Bedeutung als Meßplay, besonders für den Buchhandel, welch letztere Rücksicht ihn auch bestimmt, neben Leipzig die berühmten Druckorte Augsburg und Basel als Stätten guter deutscher Sprache zu nennen.
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eine wissenschaftliche Grammatik) der Meißnischen mund- ahrt und aussprache, als der im mittel- tüpfel des ganzen Hoch- Deutschlandes üblichen und durch den Großen Lutern und andere erleuchtete männer am bästen aus- gearbeiteten sprache billich gebrauchen, und die reime gleich als die schreib- ahrt darnach richten." Damit deutet auch er, und mit Recht, auf die centrale geographische Lage dieses Sprachgebietes hin, welche das Meißnische zur Vermittlung besonders geeignet erscheinen ließ. Geographisch bestimmt übrigens Besen den Begriff Obersächsisch folgendermaßen:„ Was ich von dieser Aussprache sage, will ich keineswegs auf das einzige Meißen gedeutet haben. Wir können sicher auch das ganze Voigtland, Thüringen , Mansfeld und Anhalt nebst der Lausitz und Nieder schlesien dazu rechnen. In allen diesen Landschaften wird in Städten, unter vornehmen, gelehrten und gesitteten Leuten ein recht gutes Hochdeutsch gesprochen: welches man a potiori( nach dem wichtigsten Bestandtheil) nach dem Size des vornehmsten Hofes das Obersächsische zu nennen pflegt."
Aus diesem und aus andern Gründen ward überhaupt Sachsen in deutschen Landen als Ort besonderer Kulturpflege gerühmt; hier lasse man einer guten Aussprache auch eine ganz besondere Sorgfalt angedeihen, man lese hier gemeinlich darum gute Bücher, um eine zierliche Sprache zu erzielen".
Ueber sächsische Gesittung urtheilt noch später der schwäbische schiedenen deutschen Volksstämme: Dichter Schubart in einem Spruch über den Werth der ver
Der Sachs ist fein, der Breme stark, Das Bayervolk hat Knochenmark..."
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Und braun ist mein Gesicht,
Enoch Hanmann, freilich ein geborner Leipziger, bemerkt in seinem Ergänzungswerke zu Opizens teutscher Poeterei: ,, Viele geben vor, als wenn sie( die von Opiz geforderte hochdeutsche Sprache) zu Leipzig und Halle sollte rein geredet werden. Und es ist nicht ohne, wenn ichs in Vergleichung gegen die andern In dem Liede des Schwabenmädchens sagt derselbe Schriftsteller: Derter schätze." Und an späterer Stelle:" Bu der Zierlichkeit gehört auch, daß man sich guter Meißnischer und iziger üblicher Reden, welche bey verständigen und vornehmen Leuten im Schwange, sich gebrauche"; z. B. solle ,, man nicht kusen oder schnacken vor reden, eine junge strunze vor eine jungfrau sezen". Schließlich bezeichnet er die Idealsprache nicht als eine solche„ die vom Pöbel insgemein geredet wird: sondern welche an keinem und doch fast an allen Orthen zu befinden". Aber doch geht aus Obigem hervor, daß diese Idealsprache der Verwirklichung am nächsten sei im Meißnerland.
Caspar Schoppe , beauftragt, ein Handbuch für einen österreichischen Fürsten zu schreiben, äußert sich 1625 in demselben dahin, daß das österreichische Deutsch nichts werth sei, dagegen das meißnische den Reigen führe, dessen Sprachgebiet sei für Deutsch land dasselbe, was den Griechen Attika, den Spaniern Toledo , den Franzosen Orleans, den Italienern Florenz sei: der Mittelpunkt der echten, rechten, einigen hochdeutschen Sprache.„ Luthers Bibel ist unsere Divina Comedia , jagt Scherer, d. h. dasjenige Werk, welches ein Musterbild für die deutsche Sprache aufstellt. Bedenke man nur, wie eifrig die Schriften Luthers , zumeist die Bibel, die Katechismen und die Hauspostille gelesen wurden, was sich schon aus den unzähligen Drucken von ungeheuren Auflagen ergibt, und man wird unbedingt zugeben können, daß Luther eben solch ein Markstein in der Geschichte des deutschen Geistes, besonders des Sprachlebens ist, wie Dante für Italien .
Zu Kölln an der Spree , also in Berlin wird im Jahre 1618 die Aufführung einer Comödie angekündigt mit den Worten: ,, Amantes amentes, das ist ein sehr anmuthiges Spiel von der blinden Liebe, oder wie mans deutsch nennt, von der Leffeley. Alles nach art und weise der jezigen Venussoldaten auff gut Sächsisch gereimet."
Daß übrigens der meißner Dialekt nicht ganz mit der gebildeten neuhochdeutschen Kunstsprache zusammenfiel und sich deckte, ist wohl klar; diese Anerkennungen wollen eben besagen, daß bei dieser Sprachweise am wenigsten abzuziehen sei, um die gebildete Gemeinsprache zu erhalten.
Dahin gehört auch die Bemerkung Besens im deutschen Helifon", in jedem Lande würden zwei Sprachen gesprochen, eine hoche, bei den geschickten( Gebildeten) und dem Frauenzimmer und eine niedere bei den Bauren u. s. w." Was das Sächsische anlangt, meint er:„ Meinen Meißnern( er war aus Anhalt, rech nete sich aber zu den Meißnern!) kann ich disfalls nicht gleich geben noch den rüffen halten", weil sie, ob sie schon die reineste und aus dem grunde der Sprache selbst meistentheils her- fließende bäste mund- ahrt haben", doch auch viele Sprachfehler begingen. Dem sei nun wie ihm wolle", fährt er fort, so sollte man sich dännoch so lange, bis wir unserer sprache wörter recht nach ihren stämmen gerichtet hätten,( durch eine tiefere Sprachforschung und
Der Sachsenmädchen Gaben Besitz' ich freilich nicht."
Opiz, hat seine Stellung zu dieser Frage nicht scharf formulirt Der literarisch bedeutendste Mann jener Epoche, Martin ausgesprochen, er fordert nur,„ deme, was wir hochdeutsch nennen, wo falsch geredet wird, in unsre schrifften zu vermischen." besten Vermögens nachzukommen, und nicht deren Oerter Sprache,
Opitz gibt uns Gelegenheit, an die Sprachgesellschaften zu erinnern, Vereinigungen, die sich nach dem florentinischen Muster der Academia della crusca*) gebildet hatten zur Pflege und Reinhaltung der deutschen Sprache, und voll edlen und patriotischen Eifers diesem Zwecke eine treue, angestrengte Thätigkeit widmeten, wie sie denn auch nicht ohne Einfluß auf Sprach- und Literaturentwicklung geblieben sind. Der" Nährende", wie der Ordensname des Vorstehers und Mitbegründers der„ fruchtbringenden Gesellschaft"( auch„ Palmenorden " genannt) Fürst Ludwigs von Anhalt- Köthen , lautete, schrieb an Opitz, der seinen gereimten" Psalter" an ihn zur Prüfung geschickt hatte, einen Brief nit verschiedenen Erinnerungen" in Bezug auf einige Mängel, z. B. speziell schlesische Wendungen, Worte und Reime, die nach der gebräuchlichsten art zu reden und zu schreiben" umzuändern seien, und meint damit wieder die meißnische.
In dem Briefwechsel der Gesellschaft, dem„ Erzschrein der Fruchtbringenden", findet sich eine interessante Zuschrift Besens, worin derselbe unter anderm in Bezug auf den Neudruck eines seiner Werke sagt:„ Was die Schreibrichtigkeit betrifft, so ist demselben, der den Truk lesen soll( gleich: dem Korrektor) anbefohlen worden, daß er sich nuhr nach der gemeinsten zu Wittenberg und Leipzig ist üblichen schreib- ahrt richten soll." Hier finden wir ganz deutlich ausgesprochen, welchen bedeutenden Einfluß die Druckereien mit ihren Segern und Korrektoren auf die äußere Gestalt der Sprache ausübten. Schottel, der erste tiefergehende deutsche Grammatiker, nimmt zwar an einer Stelle seiner Arbeit von der teutschen Haupt- und Heldensprache" eine ablehnende Haltung an gegen das Meißnische, in dem er sich lustig macht über die Anmaßung der Meißner( daß diese selbst einen solchen Anspruch erhoben, ist nicht belegt!), der hochdeutschen Sprache Richter und Schlichter sein zu wollen, gibt aber an andrer Stelle zu:„ die meißnische Ausrede( gleich Aussprache) ist lieblich und wohllautend." Ebenso Morhof , ein Mecklenburger, in seinem Unterricht von der teutschen Sprache und Poesie":" Die Meißner