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nugbringende und erfolgreiche Verwendung derselben im Dienste des Mars   nicht erzielen lassen sollte?

Das Verdienst, die ersten, eigentlichen Taubenposten ein gerichtet zu haben, gebührt indessen dem Chalifen von Bagdad  , Sultan Nureddin, der im 12. Jahrhundert n. Chr. durch Tauben regelmäßige Nachrichten aus allen Theilen seines Reichs erhielt. Diese Taubenposten brachte der Chalif Achmed gegen Ende des 12. Jahrhunderts in noch großartigerer Weise zu immer höherer Vervollkommnung.

Jahrhunderte hindurch haben sich im Orient die Taubenposten erhalten, ja selbst in neuerer Zeit fanden Reisende dieselben noch in Aleppo  , Kairo  , Bagdada und noch gegenwärtig sind zwischen Tabris   und Teheran   in Persien   regelmäßige Taubenposten im Gange.

In Aegypten   hatte man im 15. Jahrhundert zur größeren Bequemlichkeit den geförderten Kurieren sogar Thürme als Etappenstationen erbaut.

Im ganzen Mittelalter bedienten sich der Brieftauben die Kreuzfahrer und Sarazenen. Es sei übrigens bemerkt, daß eine einzige gut dressirte Taube dieser Art in jener Zeit kaum weniger als 1000 Kremnizer Dukaten kostete, während heutzutage um denselben Preis mehr als 1000 Telegramme kurzer Fassung z. B. von Wien   nach Stambul   expedirt werden können, und zwar ohne Gefahr auf der Reise von irgend einem Kalab der Lüfte", vom Adlerschnabel oder Sperberfänger, weggehascht zu werden. Die bei der Taubenpost verwendeten Tauben waren die sogenannten ,, türkischen", eine Gattung, die an Größe und Flügelraschheit die gewöhnlichen europäischen   Tauben übertrifft.

Um sie zum Postdienst zu dressiren, fütterte man sie an einem bestimmten Orte und gestattete ihnen von Zeit zu Zeit längere Aus­flüge, damit sie ihre Heimatliche Gegend genau kennen lernten. Dann führte man sie in einen Käfig über, in der Richtung des Ortes, nach welchem der Korrespondenzdienst eingerichtet werden sollte, zuerst eine halbe, dann eine ganze Stunde 2c. mit sich fort und ließ sie los, worauf sie sogleich nach Hause zurückflogen. Hatten sie sich so nach und nach die Richtung nach ihrer Heimat ein geprägt, so hielt man sie an dem ihnen fremden Orte eingesperrt und reichte ihnen Futter von schlechter Qualität, wodurch ihre Sehnsucht nach ihrer alten Heimat und die Schnelligkeit, womit sie, in Freiheit gesetzt, nach derselben zurückstrebten, vermehrt wurde. Kurz vor Antritt der Heimreise wurden sie richtig ge­füttert, damit sie nicht, vom Hunger getrieben, unterwegs Futter suchten, wodurch Aufenthalt verursacht worden wäre. Um sie zu verhindern, während des Fluges eine Tränke aufzusuchen und in's Wasser zu steigen, und bei dieser Gelegenheit das an einen ihrer Füße gebundene Briefchen zu durchnässen, wusch man ihnen vor ihrer Abreise die Füße mit Essig. Männliche Tauben, deren Weibchen sich zu Hause befanden und brüteten, galten als die besten Expressen"; denn sie gleichen abwesenden Ehemännern, denen daheim Familienfreuden bevorstehen, und die, vorausgesetzt, daß sie überhaupt gute Gatten sind, statt des Bummelzuges den Schnellzug wählen, um desto früher heim zu kommen.

In Europa   scheint man sich der Brieftauben zuerst bei den Belagerungen von Harlem   1573 und von Leyden 1574 bedient zu haben.

Den Brieftauben danken zum großen Theil die Rothschilds  die kolossale Vermehrung ihres Reichthums. Nathan Rothschild  in London   wurde plötzlich ein großer Taubenliebhaber, doch nicht ohne Ursache; denn er hatte eigens Agenten angeworben, welche den Kriegsheeren auf dem Fuße folgen und über alle wichtigen Ereignisse durch Brieftauben Berichte einsenden mußten. So dienten Siege und Niederlagen Napoleons   I. dazu, den schlauen Jobber zu bereichern. Später theilte man sich durch Brieftauben die Gewinne der Lotterieziehungen zwischen Paris  , Brüssel   und anderen großen Städten schleunigst mit, damit man die Gewinn­nummern möglichst noch rechtzeitig auffaufen konnte. Dann be­Dann be­nußten die großen Banquiers die Brieftauben dazu, sich gegenseitig von den Kursschwankungen in Kenntniß zu setzen. Man nannte daher diese Tauben auch wohl Kurstauben, und diese Verwendung ist es, gegen welche Beranger in seinem zu Anfang unserer Mit­theilungen zitirten Gedichtchen eifert.

In Paris   hatten die Institute, welche sich der Tauben zu den angedeuteten Zwecken bedienten, übrigens mit mancherlei Wider wärtigkeiten zu kämpfen. Unter anderem hatte in den vierziger Unter anderem hatte in den vierziger Jahren eine Telegraphenagentur Brieftauben eingeführt. Einige Zeit sah man über dem Hause, welches sowohl sie wie das Korre­spondenzbureau Havas, Straße Jean Jacques Rousseau  , einnahm,

einen prächtigen Taubenschlag, woselbst man Tauben zum Depeschendienst abrichtete. Dieselben brachten von allen Gegenden Frankreichs   und den Nachbarstaaten Nachrichten herbei. Eines Tages ließ der Generalpostdirektor Conte dem Direktor der Agentur eine gerichtliche Verfügung überreichen, worin ihm aus­drücklich befohlen wurde, diese Art der Depeschenbeförderung ab­zuschaffen, wahrscheinlich, weil er von jener Taubenpost Nachtheile für sein Einnahmebudget fürchtete. Da es aber widernatürlich, ja lächerlich gewesen wäre, dieser Verfügung fiskalische Gründe gegenüber zu stellen, so suchte die Postverwaltung nach einem gesetzlichen Auskunftsmittel, und man fand, daß in Paris   eine polizeiliche Verordnung bestand, welche die Abrichtung von Tauben innerhalb der Stadt untersagte. Herr Conte benutzte dieses Ver­bot. Er ließ die unschuldigen Tauben tödten und nach der zu­nächst gelegenen Markthalle schaffen, woselbst sie den pariser Gourmands überliefert wurden.

Die Agentur hatte indessen 60 Stück Brieftauben reservirt, welche an alle ihre Direktionen gesandt wurden und unter den Flügeln Billets folgenden Inhalts trugen: Mein Herr! Herr G. P. D. Conte hat ein Verbannungsurtheil gegen unsere Reisenden ergehen lassen. Nach einiger Zeit werden Sie eine Korrespondenz durch einen gewöhnlichen Wagen erhalten, welcher noch etwas schneller wie die Briefpost ist. Schon nach einigen Tagen sind wir indessen im Stande, Herrn Conte zu beweisen, daß alle Guillotinen der Welt ohnmächtig gegen die dickpfotigen Tauben von Anvers sind."

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Im Jahre 1840, als der Telegraph zwischen Berlin   und Aachen   bereits in Thätigkeit war, aber von Aachen   bis Brüssel  noch die Leitung fehlte, richtete unser berühmter Landsmann Reuter, der Schöpfer des ersten Telegraphen- Korrespondenzbureaus, zwischen beiden Städten eine Taubenpost ein, durch welche die Beförderung von Depeschen ungemein beschleunigt wurde.

Mit den Telegraphen natürlich konnte die Taubenpost nicht tonfurriren; mit seiner immer weiteren Verbreitung und Aus­dehnung mußte sie immer mehr von ihrer weltgeschichtlichen Be­deutung herabsinken. Die girrende Taube ward wieder das, was Beranger so sehnlich wünschte, lediglich Liebesbote!

Die Taubenpost sollte indessen trotz des bösen Konkurrenten, des Telegraphen, nicht aussterben; die Liebhaberei bemächtigte sich ihrer. In England, Holland   und Belgien  , später auch in Deutschland   erwachte der Taubensport. In Belgien   vor allem ist die Brieftaubenzucht seit langer Zeit schon außerordentlich ver­breitet und vortrefflich organisirt. Die Gesellschaften von Tauben­freunden haben hier ihre Fachjournale, welche einen Einblick in den großartigen geschäftlichen Aufschwung dieser nobeln Passion einer günstig fituirten Minderheit" geben. Auch in Deutschland  veranstaltete man vor dem deutsch  - französischen Kriege Wett- oder Probefliegen von Brieftauben. So wurden beispielsweise am 21. Juni 1869 morgens 5 Uhr 10 Minuten 36 Brieftauben, welche von einem Liebhaber aus Duisburg   zu diesem Zwecke nach Magdeburg   gesandt worden waren, daselbst abgelassen. Die erste nach Duisburg   zurückgekommene Brieftaube hatte circa 47 Meilen direkter Richtung bei trübem Wetter in 6 Stunden 50 Minuten zurückgelegt sie traf 12 Uhr Mittags ein-, also die Meile in 8 Minuten; sie hatte demnach pro Meile 1 Minute mehr gebraucht, als der Kurierzug. Die zweite kam 12% Uhr Mittags und die übrigen im Laufe des Nachmittags.

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Die Liebhaberei für Brieftauben war es auch, welche der Weltstadt Paris   in den schweren Zeiten der Belagerung ein wichtiges Hülfsmittel bot.

Schon bei Herannahen der deutschen Heere stellte sich der Präsident der Société de l'Espérance, Cassier, der Regierung der Nationalvertheidigung mit 3000 Briftauben zur Verfügung; allein man wies ihn mit Hohn zurück. Erst nachdem die Be­lagerung zur Thatsache geworden, gelang es ihm, den General Trochu zu gewinnen. Cassier, van Rosebeke und Derouard rich­teten nun den Brieftaubendienst ein, jedoch mit einer viel ge­ringeren Anzahl, da die meisten Besizer und Züchter Paris   ver­lassen hatten.

Cassier war der erste, welcher im Oktober 1870 mit 32 Brief­tauben einen Luftballon bestieg und, nachdem er bei Mezz inner­halb des Bereichs der deutschen Armee herabgekommen, beinahe in Gefangenschaft gerathen wäre, doch glücklich in Tours an­langte. In Tours wurde vom Postdirektor Steenackers die Brieftaubenpost eingerichtet. Das System bestand darin in Tours alle aus der Provinz gesendeten Telegramme zu zentrali siren, ohne etwas an ihrer Fassung zu ändern, sie dann zu­