Wie eilt die Zeit!- Nun sind es Gar fünfzehn Jahre schon, Als auf die Bahn des Lebens Du trat'st, mein lieber Sohn. Dir standen die hellsten Sterne Zum ersten Augenblick, Und Liebe, nah' und ferne, Nahm Theil an unserm Glück.

Kein Gott ward je behelligt Mit einem Wunsch für Dich; Nur reicht ob Deinem Haupte Die Hand der Mutter ich: Da fand sich nur ein Wille Auf unsrer Liebe Bahn, Da haben, ernst und stille, Wir das Gelübd' gethan: Ob Glück uns sei beschieden, Ob Unglück unser Loos, Ob Sturm und Wetter berge Der Zukunft dunkler Schoß Dich soll doch nur erfreuen, Was gut dich macht und wahr, Und Deiner Kindheit Maien Soll blühen immerdar.

Wie auch die Wetter tobten,

Uns scheuchten von Haus und Thor, Dir haben wir erhalten

Der Kindheit Blüthenflor.

Sein Duft bleibt Dir ein Segen, Ein heitres Licht sein Glanz, Wenn Dich auf öden Wegen Umgrauft der Schatten Tanz.

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Nun trittst du aus dem Eden! Weit vor Dir liegt die Welt, Du fürchtest keine Schranke, Du fühlest Dich ein Held. Dein Blick faßt alle Räume, Die Sehnsucht schwellt die Brust, Und selbst in Deine Träume Zieht ungeahnte Luft.

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An meinen Sohn.*)

Der Blick schweift zu den Gletschern, Die über den Wolken glüh'n, Und zu den weiten Meeren, Die tosend den Erdball umziehn. Ja, selbst die letzten Sterne Sind nicht dem Jüngling genug, Hinaus in die endlose Ferne Treibt ihn der Gedanken Flug.

Nur fort, mein Sohn! Die Wahrheit Ist solchen Fluges werth; Durch sie wird alle Sehnsucht Und jede Lust verklärt. Doch hüte Dich, daß nimmer Ein Glaube Dich umfängt, Und mit dem bösen Schimmer Dir Herz und Kopf bedrängt.

Glaub' nicht, mein Sohn, an Götter Und nicht an einen Gott, Nicht in der schönsten Stunde, Nicht in der größten Noth. Dir ist kein Himmel offen, Dir gähnt die Hölle nicht; Brauchst nicht auf Gnade hoffen Und fürchten kein Gericht. Glaub' niemals einem Priester; Sein Segen und sein Fluch, Sein Beten und sein Singen. Ist nur ein einz'ger   Trug. Er will nur Kinder und Knechte; Drum wo die Tyrannei Zerbricht der Menschen Rechte, Sind Priester auch dabei.

Glaub' nicht, mein Sohn, an Herren Und Sklaven von Natur;

Glaub' nicht, die müßten herrschen, Und die gehorchen nur. Mit Kette oder Krone Kam noch kein Mensch zur Welt, Und nur dem Recht zum Hohne Macht man zu Recht das Geld.

O, gegen diese Horde Hinaus, mein Sohn, zum Streit! Hier kannst Du nicht mehr irren: Du hörst den Ruf der Zeit! Du kannst um Gold und Flitter Kein Dienstmann werden nein: Du wirst kein Gottesritter, Kein Fürstendiener sein!

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Nur an die Wahrheit glaube Und ihre ew'ge Macht; Sie sprenget alle Ketten, Erhellet jede Nacht.

Kein Wahn, kein Trug bestehet In ihrem reinen Licht,

Und wenn die Welt vergehet, Vergeht die Wahrheit nicht.

Sie hat Dich hoch begnadet! Der erste Schritt, den Du In's bunte Leben wagest, Führt Dich der Wahlstatt zu. Und bist Du auf dem Plane, So hat es keine Noth: Dir ziemt nur eine Fahne, Mein Sohn, und die ist roth!

Dein Plaz ist, wo die Armen, Die Unterdrückten stehn, Die von den reichen Ernten Noch kaum die Spreu gesehn, Die ewig hämmern und wühlen Und Schäze schleppen zu Hauf, Und stöhnen in den Mühlen Und keuchen bergab und bergauf.

Dein Plaz ist, wo die Schaaren Mit bleichen Gesichtern stehn, Wo Männer, Weiber und Kinder Frierend in Lumpen gehn, Wo nur der Arbeit schnöde, Entseßliche Sklaverei,

Wo Geist und Herz eine öde, Unheimliche Wüstenei.

Sie kämpfen mit der Horde, Die kein Gewissen hemmt, Die Erd' und Meer und Himmel Verschachert und verschlemmt, Die mit dem Rechte rechtet Und mit Gewalt es bannt,

Und dann die Armen knechtet Und in die Joche spannt.

So geh' denn hin mit dem Glauben An der Wahrheit ewige Macht, Und dulde und kämpf' für die Freiheit Und halte für sie Wacht.

Und blieb das Herz, das warme, Doch ohne Freude und Lohn, Dann komm nur in meine Arme, Mein lieber, tapfrer Sohn!

*) Ein Gesinnungsgenosse hat mit dem vorstehenden Gedichte seinem Sohne bei Vollendung von dessen fünfzehntem Lebensjahre die Richtung für sein künftiges Denten und handeln und damit eine Art ,, Konfirmation" im politischen und religiösen Radikalismus zu geben versucht. Die Gefühlswärme und die hohe Gesinnungslauterkeit, welche aus diesen Versen spricht, haben uns bewogen, dieselben zu veröffentlichen und se unsern Lesern zur Beachtung, sowie diese Weise der Konfirmation zur Nachahmung zu empfehlen. Reb. d. ,, N. W.  "

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Der Gesandtensaal im Alcazar   zu Sevilla  . Bis in's elfte Jahrhundert führt uns unser Bild( Seite 77) zurück in jene glän­zende Zeit, welche das Araberthum über Spanien   heraufgeführt hatte. Das fulturfeindliche Christenthum war in der Person des christlichen Königs Roderich in der siebentägigen Schlacht von Xerez de la Fron­tera, am 19. Juli des Jahres 711, dem anstürmenden jugendfrischen Maurenvolfe erlegen, und wenn auch Karl Martell   durch den Sieg bei Tours  ( 732) den Arabern die Unterjochung von ganz Europa   endgiltig unmöglich gemacht, so behaupteten diese sich doch Jahrhunderte hin­durch in Spanien  . In Sevilla  , Saragossa  , Toledo   und Valencia  herrschten arabische Fürsten, und unter ihrer Klugen und toleranten Regierung, die, in schroffem Gegensatz zu den christlichen Herrschern, allen Andersgläubigen, Christen sowohl als Juden, freie Religions­übung und ungestörten Erwerb gestatteten, blühten Künste und Wissen­schaften, Handel und Ackerbau, wie nie zuvor und nie nachher in Spanien  . Der Alcazar   war der prachtvolle Palast der maurischen Könige in Sevilla  , der ein kostbares Denkmal maurischen Kunst finns in diesem Jahrhundert völlig in maurischem Stile restaurirt worden ist. Im Alcazar   war es auch, wo das über die gefährlichen muhamedanischen Feinde endlich doch triumphirende Christenthum im Jahre 1478 das erste Inquisitionstribunal errichtete, um den Kampf gegen alles menschlich Schöne und Gute mit Folter und Scheiterhaufen, so fanatisch und verrucht, wie es nur Pfaffen im Stande sind, weiter­zuführen.

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G.

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Ein Prairiebrand. Ich befand mich ungefähr tausend englische Meilen weit von Neuyork und war eben an der östlichen Grenze des Staates Jowa angelangt. Da wurde mir ein Brief der Meinigen aus der Heimath nachgesandt, in welchem, wie schon so oft, der Wunsch ge­äußert wurde, ich sollte unverzüglich nach Hause reisen, denn die Sehn­sucht nach dem ,, Sohne in der Fremde" sei allzugroß. Meine Gedanken schwärmten gen Osten, nach den grünen Fluren des lieben Deutschland  , und ich sauste mit einer Geschwindigkeit von 30 englischen Meilen per Stunde dem Westen zu. Ermattet wie ich war- ich hatte die vor­hergehende Nacht gleichfalls im Eisenbahnwagen zugebracht schlief ich endlich ein. Als ich wieder die Augen aufschlug, stand der Konduk­teur vor mir und sagte: ,, Sie haben nicht schlecht geschlafen! Das Abendbrot ist bereits vorüber*), aber ich konnte sie nicht aufrütteln. Wollen Sie sich nicht ein paar prächtige Feuer ansehen?" Jch blickte unwillkürlich mit einem noch halbgeschlossenen Auge aus dem Fenster, war jedoch nicht wenig erstaunt, eine nicht endend wollende Feuerstrecke zu erblicken. Ich öffnete das Fenster, bog mich hinaus, konnte aber weder nach hinten noch nach vorn einen Anfang oder ein Ende des Feuers finden. Es war als ob eine lange, nicht gar zu breiter Strecke der Erde in vollen Flammen stände. Ich eilte nach der andern Seite der Coupé's, blickte durch's Fenster und mir bot sich ein noch schönerer

*) Jm Westen gibt es auf den Eisenbahnen sehr elegante Speisezimmer; man braucht den Zug nicht zu verlassen, um zu essen.