wenn das junge Mädchen nicht durch Schmeicheleien von der mürrischen Alten sich dies und das erstritten, wären in der großen Nußbaumholz- Kommode nicht Schäße aufgespeichert gewesen, wie sie das Herz einer jeden jungen Frau mit Entzücken erfüllen. Röschen musterte zuweilen mit verklärten Blicken alle diese schönen Sachen, und es störte sie wenig, daß die gestrenge Mama mit verächtlichem Naserümpfen von dem altmodischen Granatschmuck, dem schwarzen Seidenkleide und der Bisampelz- Garnitur gesprochen und es für höchst, vulgär" erklärt hatte, die silberne Zuckerdose( das Hochzeitsgeschenk des Erbonkels), sowie die zwölf silbernen Kaffeelöffel, die im offenen Etui, hinter dem Braut franze im Glasschränkchen prangten, auf diese Weise den Blicken der Besucher preiszugeben.
Röschens Stolz aber war die„ rothe Garnitur", welche in der Buzzstube prangte. Jakob hatte Wort gehalten. Die Gestelle daran waren das Werk seiner fleißigen Hände, und von seinen fleinen Ersparnissen hatte der junge Meister den grellrothen Wollendamast zu den Bezügen angeschafft.
Mit leisen Sohlen schlich die junge Frau durch die„ Buzzstube“ und fast andächtig bewundernd blieb sie vor dem rothen Damast Sopha stehen und konnte sich garnicht satt daran sehen.
Zuweilen gesellte sich auch der„ Meister" zu ihr, denn Jakob pflegte sein Frauchen öfter in der Küche, im Keller oder in der Wohnstube aufzusuchen, scheinbar freilich, um irgend eine wich tige Angelegenheit mit ihr zu besprechen, in Wirklichkeit aber plagte ihn die Sehnsucht nach ihr, wenn er das liebe, frische Gesichtchen und die guten, freundlichen Augen nicht beständig vor sich sah. Merkwürdigerweise sprachen die jungen Eheleute, wenn sie sich in Zukunftshoffnungen berauschten, selten oder nie von der einstmals zu erwartenden Erbschaft, obgleich die Vermuthung doch ziemlich nahe lag, daß der Oheim, der sich so gütig gegen sie erwiesen, ihnen wohl auch die Erbschaft zuwenden werde. Das bescheidene Röschen und der fleißige Meister Jakob brauchten den Reichthum des Erbonkels nicht, um glücklich zu sein, und deshalb ward der Schatz von ihnen auch nicht so sehnsüchtig begehrt. Onkel Eusebius war ein häufiger Gast in dem Häuschen mit den grüngestrichenen Fensterladen. Auch der alte Student suchte Proselyten zu machen für seine Lehre von der Nichtigkeit irdischer Güter, und er freute sich, daß seine jungen Verwandten so genügsame Naturen waren, wenn er gleich die überschwängliche Zärtlichkeit, die sie für einander hegten, wenig vernünftig und seinen philosophischen Lehren nicht analog fand.
So strenge Dame Edeltrud den Umgang mit den bürgerlichen Bartels auf das allerbescheidenste Maß reduzirt hatte und weder die Besuche der Schwägerinnen annahm, noch dieselben erwiderte, so wenig konnte Röschen sich abschließen. Nur die verdrießliche Miene Meister Jakobs verscheuchte noch einigermaßen die lästigen Besucherinnen. Tante Martha glich bereits einem wandelnden Fasse und Emmerenzia war in der Länge der Zeit zum Spahn geworden.
Die Neigungen der dicken Dame hatten sich mehr und mehr den materiellen Genüssen des Lebens zugewendet, während die magere Emmerenzia mit der Habichtsnase, dem zurückgebauten Kinn, den begehrlichen Augen und der lispelnden Stimme sich völlig vergeistigt hatte.
Im lezten Jahre, nachdem die zwei offiziellen Persönlichkeiten des Städtchens, welche sozusagen dem Publikum angehörten, der alte Pastor und der junge Arzt, die ihnen dargebrachten zarten Opfergaben eines liebebedürftigen Frauenherzens kalt verschmäht, hatte sich Emmerenzia auf das Dichten verlegt. Dem geduldigen Papiere vertraute sie die verschwiegensten Ergüsse einer üppigen Phantasie an, hier strömte sie in sehr holprigen Versen und mit Zuhülfenahme der kühnsten Bilder aus, was ihr jungfräuliches Herz bewegte, und Emmerenzia's Haß gegen Hans, den einstigen Gegenstand ihrer Liebe, datirte erst von dem Moment, wo sie die Bemerkung machte, daß er, hinter dem Ladentische ſizend, entschlafen war, indessen sie ihm eine Sammlung ihrer lyrischen Poesien, unter dem Titel„ Geistige Kinder Floras" zum besten gegeben.
Selbstverständlich ward Emmerenzia's neueste Passion von Martha, Johann und dessen Gattin, die für Poesie auch nicht das mindeste Verständniß hatten, auf das entschiedenste verdammt, und die alte, schwärmerische Jungfrau war mehr als je die Ziel scheibe des Spottes. Am meisten entrüstet über diese verdammenswerthe und sündhafte„ Schreiberei" aber war die greise Gertrud, und Herr Jakob hatte manche heitere Stunde, wenn die alte Haushälterin, welche sehr fromm war und gleichzeitig strenge
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Ansichten über Zucht und Sitte besaß, ihm, in ihre Prosa übersetzt, die romantischen Ideen Emmerenzia's vortrug.
Der„ Erbonkel" ließ es dann an ziemlich grobkörnigen satirischen Bemerkungen auch seinerseits nicht fehlen. Trotzdem hatte es sich die„ Dichterin", wie sie selbst sich nannte, nicht entgehen lassen, zu Röschens Hochzeit ein" Carmen" zu verfertigen, das nicht mehr und nicht weniger als 32 achtzeilige Strophen enthielt und die Wonne der Liebe, das Glück der Ehe besang. Für den auf den 25. Mai fallenden Geburtstag Bruder Jakobs hatte die poetische Schwester gleichfalls ein längeres Gedicht unter der Feder, das bestimmt war, zum Schluß der Feier, wenn der Toast auf das Geburtstagskind ausgebracht ward, vorgetragen zu werden. Der geizige, alte Herr war nämlich an diesem Tage und nur an diesem ein großmüthiger und splendider Gastgeber. Da wollte er die ganze erbberechtigte Sippe um sich sehen, zum Zweck, sich so recht gründlich über die Schwächen, Thorheiten, ja über die Niedertracht des ihm verhaßten Menschengeschlechts lustig zu machen, das er in diesen unschönen Exemplaren vertreten sah. Bruder Eusebius , der Philo soph , pflegte bei solchen Gelegenheiten nie zu erscheinen, ja er wünschte dem Bruder nicht einmal Glück, weil er, gleich dem Philosophen Empedokles , die Welt als ein Jammerthal, als eine Art von Eril ansah und es nicht für logisch hielt, die Verlängerung dieser Strafzeit, welche die Seele abbüßen mußte, noch zu bejubeln.
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Das Fest selbst wurde in einem zu dem Grundstücke des Erbonkels gehörigen großen Garten abgehalten. Das graue Haus am Markte nämlich hatte zwei Höfe, und wenn man den zweiten langen und schmalen Hof passirt hatte, stand man plötzlich vor einer halb verfallenen Mauer, in der sich eine kleine Thür befand. Durch diese Thür nun betrat man einen ziemlich großen, aber sehr verwilderten Garten. Die Kunst hatte hier nichts, die Natur viel gethan. Schöne, alte Bäume und im Mai und Juni ein reicher Rosenflor entzückten das Auge und ließen es vergessen, daß man sich in einer kleinen Wildniß befand und der Fuß über üppig aufgeschossene Schlinggewächse strauchelte, während die Kleider an den Dornen hängen blieben.
Inmitten eines wüsten Rasenplages stand ein großes Sommerhaus, das nur einmal im Jahre, und zwar eben zu dem festlichen Tage, gereinigt und nothdürftig ausgebessert wurde. Hier wurde das Festmahl eingenommen.
Die Geschwister Bartels, welche Bruder Jakobs konservative Neigungen fannten und im vorhinein wußten, daß er bei seiner großen Vorliebe für den sogenannten Rosengarten sein Geburtsfest wiederum dort feiern werde, hatten, wie alljährlich, allerlei Ueberraschungen ausgesonnen, durch die sie sich bei dem Erbonkel in Gunst sezen wollten.
Der Schreinermeister Johann hatte das von den letzten Winterstürmen fast zerstörte Sommerhaus renovirt und Jakob, der junge Meister und zukünftige Erbe, sogar einen bequemen Sessel für Onkel Jakob angefertigt, auf dem ein von Röschens geschickter Hand zierlich gesticktes Polster lag.
Adelgunde, die ein wenig zeichnete und in Wasserfarben malte, hatte den Rosengarten sammt dem renovirten, grünangestrichenen Sommerhause abkonterfeit und unter Glas und Rahmen bringen lassen. Die Hofräthin jedoch, deren elegante Hausmüße mit der goldnen Troddel im Vorjahre nicht den gehofften Erfolg gehabt, sann auf eine außergewöhnliche Ueberraschung, die noch dazu allen Dohlenwinklern ein Geheimniß bleiben sollte, damit ihre Idee" ihr nicht gestohlen werden könne.
Die geborene von Reckenstein hatte während ihrer glücklichen" Mädchenjahre, wie sie dem Gatten seufzend erzählte, Gelegenheit gehabt, der Feier so vieler hohen und allerhöchsten Geburtsfeste anzuwohnen, daß sie sehr genau wußte, was zur Verherrlichung eines solchen Tages erforderlich sei. Das hatte sie nun auf den kühnen Gedanken gebracht, in dem entferntesten Theile des Rosengartens, wo sich früher eine Kegelbahn befunden, ein Feuerwerk abzubrennen. Dame Edeltrud versprach sich viel von diesem illustren" Einfall, und schrieb selbst an ihren Sohn Adelhardt, daß er ihr aus Wolfsburg die erforderlichen Feuerwerksförper sende. Nur die verschwiegene Adelgunde wußte darum, und der Hofrath, der mit dergleichen Sachen umzugehen wußte, hatte die von Wolfsburg angekommene Kiste in Verwahrung genommen und beschlossen, die erforderlichen Vorbereitungen erst am Nachmittag des Festtags zu treffen, damit niemand etwas davon erfahren und Neid oder Mißgunst den schönen Plan nicht noch kurz vor der Ausführung vereiteln könne.( Fortseßung folgt.)