sich einen Platz in der Nähe des braven Vaters und einen ditto in dem Herzen eines der Töchterlein zu erobern. Drüben auf einemlichten" Platze standen ernsten Gesichtes die berathenden Männer des Turnvereins zu Gr., die sich stritten um denPunkt", wo die Erde ausgeworfen werden sollte, um den in der Nähe am Boden liegenden schlanken Eichenschößling aufzunehmen. Nicht weit davon hatte eine Wurstverkäuferin ihren Stand aufgeschlagen und konnte nicht genug der schönen goldbraunen auf einem Rost gebratenen Würstlein, die fast so herrlich dufteten, als die Blumen des Waldes, den herzuströmenden Festgenossen verabreichen, denn immer hörte man den verlangenden Ruf: Noch ai Würstel! Noch ai Würstel!" Die Wurstverkäuferin, das sah man ihr an, hielt sich bestimmt für die erste Person aus dem Festplatze. Mit welcher souveränen Verachtung blickte sie auf den noch immer streitendenden Vereinsvorstand hin, und gab zu er- kennen, wie Wurst es ihr war, wann und ob derPunkt" ge- funden werde, aus welchem die Eiche gepflanzt werde; sie wußte sicherlich, daß der neue Schößling auf alle Fälle genau auf dem Mittelpunkt unserer lieben Erde stehen würde und das war ihrem Herzen genug. Der Punkt war endlich gefunden! Trompetengeschmetter, Festrede, Liederklang, Deklamation wer hätte das alles nicht schon einmal erlebt? Freiheit und Vaterland, Waldesgrün und Lagerbier, Bratwürste und hübsche Mädchen; alles das auf einmal gesehen und genossen! Da ist es nicht zu verwundern, daß mancher biedre Turner trunken vor Begeisterung, vor Bier und Liebe allzufrüh schon in den Schatten der Bäume niedersank und die Lieder und Toaste, die im grünen Hain erklangen, nur wie eine traumhafte Sage vernahm, die ihm wunderbar am Ohr vorbei rauschten. Wohl den Glücklichen; sie konnten niemals enttäuscht werden. Ihnen waren derartige Feste lediglich des Genusses halber da und sie hatten genossen. * * Gehen wir zu einer anderen Gruppe. Ein Turner mit blon- dem Haare und leuchtenden Augen, ein hübscher Junge, deklamirt. Horchen wir zu: So seh' ich noch den Schößling: Des Volkes Einigkeit, Als Riesenbaum dastehen, Durch Blut und Tod gefeit. Ihr Brüder, unser Glaube Daran, er wanke nicht, Sei stark gleich einem Eichbaum, Den nie ein Sturm zerbricht. Und wie des Eichenlaubes Tiefglänzcnd, kräftig Grün, So möge uns die Hoffnung Im Herzen immer blüh'n. Daß uns're Liebe bleibe So fest wie Eichenholz, So dauerhaft, beständig Sei unser höchster Stolz. Doch unser Haß sei bitter, So wie die Eichelfrucht---"

Unser Haß sei bitter"---- wir hörten nicht weiter zu. Junges Gemüth und schon hassen! Wen, wen hassen?Der das Volk, der das Vaterland schänden will." Der Ruf klingt uns noch. Junges Blut tobe aus, und wenn du dann vielleicht, wenn das Eichenreis die Stärke deines Arms erreicht hat, deiner stolzen Worte gedenkst, wirst du dich dann auch selbst hassen? Wenn allen jenen Männern, die in jener Zeit glühende, freiheitsglühende Worte sprachen, welche den Haß kündeten dem Servilismus, ihre damaligen Worte auf der'Stirn geschrieben ständen, so würde denselben das Bücken noch viel leichter, da sie dann die beschämende Erinnerung vor den Augen der Neu- gierigen verbergen könnten. ** * Und doch, wie begeistert horchte die Jugend dem Jüngling zu Freiheit, Vaterland, Volksthum! ** * Vor zwei Jahren habe ich dieTurnereiche" zu E. besucht. Es gelang mir erst nach vielem Umfragen, den Baum ausfindig zu machen. Einige sagten, er sei schon längstgestorben und verdorben" gestorben und verdorben, wie bei den ehrbaren Bürgern, die damals so begeistert lauschten, die Freiheit und das Volksthum. Die Wirthsleute des Felsenkellers sagten mir, es sei gleich- giltig, welcher vcki allen den umstehenden der Turnerbaum sei; es käme doch niemand, denselben zu besuchen; ich sei der erste, der darnach frage; übrigens hätten sie auch noch nicht lange die Wirtschaft gepachtet. Da trat ein Gast aus dem nahen Städtchen in die Stube, ich fragte denselben. Stumm führte er mich hinaus in's Freie und zeigte mir die Eiche.Ich gehe häufiger hierher," sagte er still und freundlich;ich war auch dabei, als der Baum gepflanzt wurde. Es ist jetzt alles anders. Damals hatte man noch Hoffnung-------- sehen Sie, wie welk die Blätter dort oben sind?"-- * Ich eilte zum Bahnhof zurück Hoffnung, ja Hoffnung für und für. Aber nicht einseitiger Bestrebungen halber wollen wir den Baum pflanzen; sondern er soll gepflanzt werden, daß er wachse und gedeihe und nicht die Frucht des Hasses, die Eichel- frucht erzeugt, sondern die Frucht der Freiheit, des wahren Volks- thums und der Menschenliebe. * Das brausende Dampfroß führte mich eilenden Flugs fort von der Stätte der Jugenderinnerung; es erinnerte mich an die rastlos eilende, an die thatenbedürftige Zeit. Immer vorwärts, immer vorwärts! Ja, vorwärts!----- Helft pflanzen den Baum, ihr Freunde, zum Segen der ge- summten Menschheit!

Parlamentarier.

Radowitz wußte,daß Mädchen und Diplomaten nur so lange bei den Liebhabern oder beim Publikum etwas gelten, als sie ihnen noch viel zu errathen übrig lassen," deshalb hüllte er sich immer ein in eine gewisse geheimni'ßvolle Wichtigkeit. Und diese Hülle ver- lor nichts von ihrer Dichtigkeit, wenn er auch einmal ein grades, wahres Wort sprach dasselbe wurde ihm eben nicht geglaubt. Das wußte er, und deshalb sprach er manchmal die Wahrheit, um später daraus pochen zu können,daß er es ja gesagt habe." Joses Maria von Radowitz war 1797 in Blankenburg am Harz geboren, er trat in die Armee des Königs von Westfalen, darauf in die preußische. 1836 wurde er Oberst und Vertreter Preußens am Bundestag. 1848 nahm er als General seinen Abschied. Als Mit- glied der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt war er Führer der äußersten Rechten. Nach Berlin an den Hof berufen, vertrat er Preußen und die Union (ein projektirter norddeutscher Bund) vor dem

erfurter Parlament und den preußischen Kammern. 1850 Minister des Aeußern; als solcher ein Hauptgegner der österreichischen Politik. Er starb 1853. Diese kurze Biographie zeigt uns eine gewisse Aehnlichkeit des Lebenslaufes und des Gedankenganges des parlamentarischen Ministers Radowitz mit denen des Herrn von Bismarck , nur, daß letzterer bei dem Könige von Preußen mehr Empfänglichkeit für seine Pläne vor- fand, als Radowitz bei Friedrich Wilhelm IV. Umsonst schrieb Radowitz im Sommer 1848 die Broschüre:Friedrich Wilhelm IV. von Deutschland, " umsonst suchte er nachzuweisen, daß des Königs Sinnen und Trachten seit der Thronbesteigung immer aus eine Einigung Deutschlands gerichtet gewesen sei, so daß es eines äußeren revolutionären Anstoßes garnicht bedurft hätte; er fand nicht die nöthige Gegenliebe bei dem wankelmüthigen Könige und einen scharfen Wider- stand bei dem spezifischen Preußenthum, welches sich viel leichter mit einer Norddeutschen Union unter Preußens Führung, als mit einem deutschen Kaiserreiche befreunden konnte. Die parlamentarische Thätigkeit Radowitz' als Abgeordneter und