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Siamesisches Ornament

Siamesische Kunst

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Die Neue Welt. Jlluftriertes Unterhaltungsblatt.

Eine Fülle herrlicher Kunstwerte birgt das ferne Asien  . Neben China   und Indien  blickt auch Siam auf Kunstschäße so reicher und mannigfaltiger Art, daß den Europäer ehrfurchtsvolles Staunen ergreift gegenüber dieser Pracht. Bewundernswert ist vor allem die Großzügigkeit, mit der die Siame fen bei der Herstellung ihrer herrlichen Kunst­bauten vorgehen, handele es sich nun um einen Tempel oder einen Palast. So errich ten sie zum Beispiel für die Verbrennungs­feierlichkeiten kostbare Bauten mit herr­lichem Mosaitschmuck usw. Unter den siamesischen Bauten aus aller und neuer Zeit auch aus früheren Jahrhun­derten find prachtvolle Beispiele erhalten gibt es eine Fülle der kostbarsten Kunst­denkmäler. Es handelt sich zumeist um Tempel, große und fleinere Pagoden. Reich mit Stulpturen geschmückt, heben sie sich aus den sie umgebenden Wohnhütten her aus, die bescheiden, primitiv und ohne An­spruch um den reichen Tempel herumliegen. Die schönen alten Pagoden sind für den Fremden nicht immer leicht zu finden. Sie liegen nicht an den neuen, modernen Straßen der Hauptstädte( mit ihren Autos und Elek­trischen), sondern fernab, oft nur auf dem Wasserwege erreichbar. Denn das Land, deffen Reichtum und Fruchtbarkeit durch Ueberschwemmungen gefördert wird, ist von Kanälen durchzogen und durch solche stille Seitenkanäle hindurch führt häufig der Weg zu den schönsten Tempeln. Diese fiamesi­schen Bauten find nicht immer so imposant und wuchtig wie die indischen, aber sie sind überaus formvollendet, dabei grazios und in ihrem Schmuck von großem Geschmack. Ihre senkrechten Linien sind meist etwas ge­schwungen, wodurch das Ganze einen be= lebten, bewegten Ausdruck bekommt.

In vielen Fällen sind es runde Bauten, die sich nach oben hin in Abfäßen verjüngen. Je mehr derartige Absätze vorhanden sind, desto größer ist die Ehrung für denjenigen, dem zu Ehren der Bau errichtet wurde. Das­felbe Prinzip besteht bei den Ehrenschir­men", an einem Stabe übereinander ge­türmte Schirme aus Stoff( ähnlich unseren seidenen Lampenschirmen), welche im Emp­fangsraum der Würdenträger ihren Platz finden. So stehen zum Beispiel im Audienz­faal des Königs in Bangfot ein Dugand folcher Stäbe mit fostbar bemalten Schir­men um den Thron herum. Die Archi­tektur der Siamesen verwendet zu ihrem Schmud das foftbarste Material. Ganze Wände sind mit Reliefs und Skulpturen bedeckt, andcre tragen leuchtende Mosaiten,

die aus Goldplättchen und fostbaren Stüc chen feinsten Porzellans zusammengefügt find. Große Figuren flankieren die Ein. gänge. Häufig ist es der Elefant, dessen Steinbild vor den Toren der Paläste usw. aufgestellt wird. Wie groß die Siamesen in der Ueberwindung technischer Schwierig­feiten sind, beweist der Umstand, daß sie eine Ruppel von 96 Meter Durchmesser ge­baut haben( die größte Kuppel Europas  , die Hagia Sofia  , hat einen Durchmesser von rund 50 Meter). Eine große Rolle spielt in Siam die Farbe, das eintönige Grau euro­päischer Straßen wäre in diesem farben. frohen Lande undenkbar. Auch die Men. schen fleiden sich in bunte Gewänder, deren Farben für bestimmte Tage vorgeschrieben find. Für die Trauerfeierlichkeiten legen fie weiße Kleider an, und eine Trauer in un­serem Sinne fennen sie überhaupt nicht. Den Siamesen ist auch die Furcht vor dem Tode, wie sie durch die Kirche bei uns ge­züchtet worden ist, fremd. Sie sehen feinen Grund zur Betrübnis in der Erlösung von dem Dasein, und aus diesem Grunde atmen ihre Bestattungsfeierlichkeiten, die eine große Rolle bei ihnen spielen, einen ganz anderen Geift als die europäischen. Diese Feiern sind ihnen Gelegenheiten zur Entfaltung der Kunst. Man baut, wenn die Mittel vorhan= den, Tempel für die Feiern, andere zur Auf­bewahrung der Aschenurne. Einen Teil der Feiern machen die Festspiele aus, bei denen das Schattentheater nicht fehlen darf. Es werden hierzu toftbare Figuren verwendet, die aus Leder geschnitten und bunt bemalt find. Sie stellen Gestalten aus dem siame= sischen Heldenepos dar. Mitunter sind diese Puppen, die auf Stangen dirigiert werden. mit zierlich geschnigten Ornamenten um­geben. Sie sind keineswegs naturalistisch aufgefaßt, sondern bewußt phantastisch und ausdrucksreich. Sie verförpern das gute und das böse Brinzip, betonen das Edle oder das Lächerliche usw. Eine Anzahl sol­cher Schattenfiguren sind in der siamesischen Abteilung des Bölkerkundemuseums zu Ber­ lin   zu sehen. Hier befinden sich auch eine ganze Anzahl anderer fiamesischer Kunst­merte, deren Betrachtung einen Begriff von dem Können diefes Volkes geben. Da sind Elfenbeinschnitzereien, Schmuckstücke, Mas­fen, Stulpturen, Nachbildungen der Relief­stulpturen auf Wänden, bronzene Buddha­figuren, eine Sammlung herrlicher Borzel­langefäße, Schalen, Schminkdosen, Stäbe und Palmblätter mit eingerigten und auf­gemalten Sprüchen usw. Besonders sehens wert sind hier auch die großen Ladarbeiten, die der Siamforscher Dr. Döhring mit dem größten Teil der übrigen siamesischen Samm­lung unter großen Schwierigkeiten aus Siam hierher gebracht hat.

Die Herstellung solcher Lackarbeiten mit ihren Goldmustern( es handelt sich zum Teil um große Werfe, Altartüren, Schränke usw.) ist überaus schwierig und langwierig. Die Lacke werden nach Geheimmitteln und be­fonderen Rezepten hergestellt, die Bemalung erfordert die größte Langmut und Geduld. Der Lack macht, ehe er das richtige Schwarz und den Glanz erreicht, viele Stadien durch; oft dauert es monatelang, bis der rechte Ton erlangt ist. Auch die Temperatur ist von Einfluß auf die Arbeit, vor allen Dingen aber muß das Werf, ehe es trocken ist, vor Staub geschützt werden. Aus diesem Grunde fertigt man folche Lackarbeiten häufig auf hoher See zu Schiff an. Die in Gold aus= geführten Ornamente, die Figuren, das ver­bindende Gerant usw. sind von großer Stil­reinheit und Schönheit. Beweisen die Sia­mesen so in ihren großen Werfen ihre Liebe zur Kunst und ihr Verständnis, so spricht sich auch in den kleinen Gegenständen des täglichen Gebrauchs ein ungewöhnlicher Ge­schmack, eine unbedingte Sicherheit des Stil­empfindens aus. Man betrachte nur ein mal im Museum ihr Kinderspielzeug. diese zierlichen Puppen, die reizenden geschnitten

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Tiere, die bunten fleinen Krofodile usw., und vergleiche diese Sachen mit modernen euro päischen! Man wird zu dem Schluß koma men, daß wir in unserem gepriesenen ,,, tech nisch auf der Höhe stehenden" Europa   in Fragen der Kunst unendlich viel von diesem einfachen" Volt im fernen Siam lernen tönnen.

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-er.

Ecken und Kanten in der Technik

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Bon Hans Bourquin. Man hat wenig poetisch, aber nicht unzutreffend den menschlichen Körper mit einer Wärmefraftmaschine verglichen. Die Dampfmaschine wird mit Kohle und Waffer gespeist, und wenn unser Organis mus leben und arbeiten soll, so führen wir ihm, zumal in der Gegenwart, eine Fülle von ogidierbaren Stoffen zu, unter denen gegenwärtig die Kohlenhydrate eine leidige Rolle spielen. Aber welcher Unterschied Körper einer Dampfmaschine! Technik und zwischen einem menschlichen Leib und dem Natur bilden fchroffe Gegenfäße.

Jene zeigt in ihren Gebilden spike Eden, scharfe Kanten und harte Ränder. Die ge rade Linie drängt sich allenthalben vor, und die ebene Fläche beherrscht ein weites Ge biet. Eine der Grundformen in den tech nischen Schöpfungen ist das Parallelepipea don oder der Kaftenförper, um ihm einen Namen zu geben, der weniger zungen­brecherisch ist. Zwischen dem flobigen und plumpen Würfel und den dünnen Brettchen schwanten seine zahllosen Formen. Wer eine Bigarrenfifte anfertigt, wählt den Raftenförper, und es fällt ihm nicht bei, Eden und Kanten abzurunden. Das wäre fostspielig und unpraktisch, weil der Raum mit einem solchen Gebilde nicht ausgekauft würde. Dort freilich, wo sich ein Blech am Rande nicht scharffantig umbiegen läßt, tritt eine Rundung auf. Aber sie wird auf das inappste Maß beschränkt, und schließ­lich tritt wieder die Kaftenform vor. Bis meilen spitzt sich solch ein Körper wohl in einer schönen regelmäßigen Pyramide zu.

Aber der Technifer fennt auch frumme Linien. Bemerkenswert ist es dabei, daß er sich wesentlich auf den Kreis beschränft oder auf Formen, die von diesem abgeleitet

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