Illustriertes Unterhaltungsblakt
Grete Fillunger
ie Auskunft traf nach ein paar Tagen ein. Sie lautete, Schme- ling entstamme einer guten Fa» Milte, er habe früher einen Groß- Handel in Kolontalwaren beirie- bcn, habe das Geschäft aufgelöst und seine Gläubiger voll befahlt. Als Vertreter fei er bei seiner Kundschaft beliebt. Wenn er auch nur über beschränkte Mttel verfüge, könne man ihm im Hinblick auf seine Ehrenhaftigkeit einen kleinen Kredit gewähren. Triumphierend las Gonder seiner Frau die Auskunft vor. „In seinem Geschäft hat der Herr, scheint's, nichts vor sich gebracht," sagt« Grete. „'s gibt so Leut'," gab Gonder seine Ansicht kund,„die können für sich nicht Häuseln, für andre holen sie's heraus." Er bestellte gleich Briefbogen, Rechnun- gen und Kuverts mit dem Aufdruck: Wil- Helm Rühlmann» Nachfslger, Inhaber Theobald Gonder, Großschlächterei und Fletschwarenoersand. Die Probeabzüg« wurden ihm vorgelegt. Er konnte sich schwer davon trennen. Großschlächterei und Fleischwarenversand, wie wunderbar das klang I Das Herz hüpft« ihm in der Brust. Seine Konkurrenten, die Maul- christen, würden gauzen. Nur zu. Di« Ehr«, die ihm gebührte, mußten sie ihm geben. Ein« Woche verging, bis Schmeling di« ersten Aufträg« schickte. Sie hatten nicht viel zu bedeuten. Die Kundschaft, schrieb er, wolle sich erst von der Güte der War« überzeugen. Theobald führte alles aufs sorgfältigste aus. Die Rechnungen wurden bezahlt, und die Nachbestellungen waren so beträchtlich, daß Gonder die Schlachtung vermehren mußte. Grete verglich di« Her- stellungskosten der Ware mit den Preisen, wie sie der Agent für Frankfurt angesetzt hatte, und sie stellte fest, daß bei dem Ber- sandgeschäft blutwenig übrig bleibe. Das schade nichts, meinte Gonder, der große Umsatz solle es bringen. Er verkaufte den Braunen, den er von seinem Vorgänger übernommen hatte, schaffte sich zwei Schimmel an und fuhr damit, stolz wie ein Spanier zum Einkauf aufs Land. Der
Roman von Älfred Bock Ratsdiener Dauber, der sich der besonderen Gunst des Meister» erfreut« und in der Wurstküche mancherlei zu erschmeicheln wußte, sagte: „Wer so ein Geschäft hat und so ein Gespann, der kann der Welt«in Rübchen schaben!"— Während Theobald Gonder Zaum und
sFortsetzung)
Das Steintor i» Nostoä Geißel hielt und sich mörderisch wichtig machte, wirkte Ludwig Jbold im stillen. Er hatte seine Geschäftsführung damit b?> gönnen, daß er dem brauchbaren und wil- ligen Gehilfen das meiste überwiese was von mannigfachen Arbeiten zur Beftiedi- gung der alten Kundschaft sextigzustellen
war. Cr selbst verschaffte sich eine List« von Bücherliebhabern. An diese erließ er ein Rundschreiben, worin er sein« Dienst« als Kunstbuchbinder empfahl. Daran knüpfte sich zunächst ein Briefwechsel und Gedankenaustausch mit einem bekannten Mitglied der Darmstädter Künstlerkoloni«. Der Herr schickte dann die Heilige Schrift auf Bütten gedruckt mit' Handkolorierunz eines namhaften Künstlers. Ludwig ver- wandte zum Einband dunkelbraunes Kap- ziegenleder, das auf der Decke zur vollen Geltung kam. Der Raird war mit handgedruckten Goldlinien und Stempeln ge- schmückt, der Rücken durch echte Bünde ge- gliedert. Die feindurchdacht! Arbeit fand nicht nur den Beifall des Auftraggebers, si« gipg in einem Kreise Kunstverständiger von Hand zu Hand und trug dem jungen Meister so viele Bestellungen ein, daß er für länger« Zeit nutzbringend und seinen Wünschen ge- mäß beschäftigt war. In der Werkstatt wurde die Unterhaltung mit dem redseligen Gehilfen aufs Notwendigste beschränkt. Ludwig wollte seine Ruhe haben. Der Gedanke, der ihn bei seinem Schaffen lei- tete, war, das Aeußere wertvoller Bücher, die Ihm zu künstlerischem Einband anver- traut wurden, mit dem Inhalt in Einklang zu bringen Dazu war erforderlich, daß er die Werke selbst las. Das Neue und Fremd« in sich aufzunehmen, kostete ihn keine ge- ringe Anstrengung, nahm seine ganze Denk« kraft in Anspruch, doch kam Ihm der Wille, sich weiter zu bilden, zu Hilf«. Im Wirts- haus war er selten zu treffen. Er sagte, er brauche morgens einen klaren Kopf. Abend für Abend saß er bei seiner Mutter. Die hatte durch ihren Mann nur das Mecha- nische. Handwerksmäßige des Buchbinder- gewerbes kennengelernt, nun eröffneten ihr der Kunstsinn des Sohnes, seine geistige Tätigkeit den Blick In eine andere Welt, dl» sie zu ihrer Verwunderung und Erbauung in vielerlei Farben leuchten sah. Friede und Einigkeit wohnten in dem Buchbinder- haus. Oester kam des Uhrmachers Tochter,«ine zierliche Blondine, herüber und lieh sich von Frau Jbold gern zu längerem Verweilen � bestimmen. Sie halte einen gesunden Men-