Die Neue Welt

Illustriertes Unterhaltungsblatt

Grete Fillunger

te beschlossen, bald Hochzelt au machen, bes Trauerfahres wegen im stillen. Beim Abendläuten verließ Theobald das Spengler.

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haus. Zuerst hatte er Dor, In der Krone" ein Schöpplein zu trinken, bann befann er sich anders, schritt an der Poft vorüber und schlug, der fanft anftei. genden Kreisstraße folgend, bie Richtung nach dem Altenburgstopf ein. Im We fengrund rauschte der Bach. Die fernen Höhen waren von weißem Rebel umfpon­nen. Am Himmel flimmerten die ersten Sterne. Theobald achtete nicht der Som mernachtspracht. Er fah die Augen der Grete auf sich gerichtet, mar stolz, pas Staatsmäbchen gewonnen zu haben. Er dachte an die Zeit zurück, da fie als Kin­ber zusammen gespielt hatten. Ein Som­merabend vor dem Schloß. Buben und Mädchen bildeten einen Kreis und hüpften amm eine Spielgefährtin herum. Das war Grete Fillunger. Die sprang auf einen Jungen zu und wählte ihn zum Mann. Der Glückliche war Ludwig Ibold. Das Pärchen tanzte, und die andern fangen:

Wenn die Zwet zum Tanze gehn, Müssen wir hier Schidwacht stehn. Zwid, zwad Schäzelein, Morgen soll die Hochzeit sein!"

Der Neid gudte Theobald aus ben Rugen heraus. Als Schulbub( lef er der Grete nach. Sie war immer wundernett gefleidet und trug das Näschen ziemlich hoch. Einmal in den Haingärten hatte sie ihn zur Rede gestellt: Warum gehst Du mir nach?" Ich fann gehen, wo ich will!" hatte er trogig geantwortet. Du siehst so schmutzig aus," fertigte sie ihn ab, wenn man Dich an die Wand wirft, bleibst Du fleben. Er merkte sich dgs, überwand feine Wafferfcheu und begann auf. feine äußere Erscheinung mehr Wert zu legen. Bährend seiner Gefellenzelt beim Meister Rühlmann bediente er dig Grete zuweilen Em Baden. Was sie von Wurst, Spec oder Gamatz verlangte, händigte er ihr mit llebergewicht ein, womit er ihr seine Nei­gung bezeigen wollte. Er fam, die Molle auf der Schulter, ins Spenglerhaus. Die Brete war nicht mehr spizig, war freundlich

Roman von Alfred Bock

wie ein Malfäßlein, Sein Mut wuchs, und er verfäumte feine Gelegenheit, sich bel ihr in Gunst zu sehen. Jenesmal war er In allerfel Händel verwickelt, bie er nicht vom Zaun gebrochen hatte. Ein paar Fittche hatte er zerwamft und mit blutigen Nasen heimgeschickt. In der Stadt wurde er vertegert. Die Menschen sprachen vom Bösen lieber wie vom Guten. Gewiß, er war ein Kampfhahn. ein Haberecht, allein es stand auch manches in seinem Register, das ihm als Guttat angerechnet werden fonnte. Es geschah, daß der Turnverein auf dem Altenburgsfopf ein Schauturnen veranstaltete. Er zeichnete sich dabel aus und erntete viel Beifall. Die halbe Stadt war heraufgeftrömt. Nach der Arbeit er­hielt das Bergnügen fein Recht. Es wurde getanzt. Er bat die Grete Fillunger um den ersten Walzer. Sie schlug's ihm mit ben Worten ab: Ich hab Kopfschmerzen, Ich mag heut nicht tanzen!" Eine fleine Weile danach holte sie der Ludwig Ibold, und fie flog wie ein Wirbelwind mit ihm herum.

Der Schneider Rabenau, der Schiefhals, mederte: Mach Dir tein Herzbrechen, Theobald, das Blümchen blüht nicht für Dich. Ift's bie nicht, iff's eine andere!" Eine wilde Wut flammite in ihm auf. Er rannte in den Wald und riß ein paar junge Bäume aus. Danach fehrte er zu seiner Ramerabschaft zurück. Bier Wochen später ging er in die Fremde. Die Zeit legte vieles bel. Sein Zorn gegen die Grete war verraucht. Raum, daß er wieder nach ber Heimat Dampf gegeben und eben hier warm geworden war, trug man Ihm zu, Ludwig Ibold, der Windbeutel, habe die Grete im Stich gelassen. Seltsam hatte fich das Blatt gewendet, er hatte das Blüm­chen nun doch gepflückt. Indessen machte er sich nichts vor. Der Zufall war ihm zu Hilfe gekommen. Mutterseelenallein, fonnte bie Grete einen Mann wohl brauchen. Und da war er just der Rechte. Roß Donner! Die Kraft schoß ihm aus allen Boren. Er tannte sein Wert und seinen Willen.

Unter solchen Gedanken hatte er ben Altenburgstopf erflommen. Aus dem Städtchen blizten die Lichter herauf.

( Fortlekung)

Mingsum riefelten und raunten die Quellen. Der Mond stieg empor, überglänzte. das Tal und tauchte die Höhen in bläuliches Licht.

Gegen Mitternacht trat Gonder den Rückweg an. In der Krone" war das Gaftzimmer noch erleuchtet. Ein paar Spießer lärmten, als hätten sie ihre Kehle eine Meile welt offen. Der junge Meßger meister tam als später Gast hinzu. Ohne den Speftatel zu beachten, ließ er sich still vergnügt feinen Nachttrunk schmecken.

In der Dittmarschen Großbuchbinderel zu Stuttgart hatte Ludwig Ibold eine schwie rige Arbeit, bei der ihm vollkommen freie Hand gelassen worden war, glücklich vollen­bet. Todmüde legte er sich nach dem Abendbrot nieder. Wie er die Augen schloß, spürte er einen Druck auf der Brust, und es war ihm, als würde sein Kopf gehäm mert, Erst nach Mitternacht schlief er ein. Aber es war fein erquickender Schlummer, den er genoß. Unruhig wälzte er sich hin und her

Ihm träumte, er räumte daheim in der Werkstatt auf und warf die häßlichen Bunt­papiere und Kalifos zum Fenster hinaus. Sein Bater schrie wie beseffen, seine Mutter Tag mit dem Geficht auf dem Boden und weinte. Mit einem Male stand er vor dem Gutleuthaus der barmherzigen Schwestern zu Gmünd. Der steinerne Binzenz war Te­bendig geworben und rief ihm zu:

Halt Dich rein,

Getreu es mein,

Wiltu wehrt gehalten sein!"

Hinter ihm ficherte wer. Er drehte sich um und erblickte ein graues Männlein mit langem, ftraff niederhängendem Haar. Das sprach: Romm mit, guter Freund!" Er ging mit. 3m Nu waren sie vor der Blin benanstalt. Die Tür öffnete fich von selbst. aber nur ein wenig. Durch ben Spalt schlüpften sie hinein. Das Männlein warf ihm einen Mantel über, dessen Kapuze den Ropf bedeckte, und sagte: Niemand kann Dich jetzt sehen!" Seinen fleinen Begleiter zurüciassend, schritt Ludwig rechterfeits über einen geräumigen Flur und befand sich gleich darauf in einem grün tapezlerten Saal, ber sein Licht von oben empfing.