sich die Geflohenen,„wir haben nur die Wahrheit gesagt. Sie haben unsere Brüder zerrissen."„Hört ihr es", tobten die Wölfe,„sie beschimpfen uns immer noch und ihr beschützt sie.Wir werden«ns an euren Kindern rächen."„Ihr dürft die Herren Wölfe nicht beschimpfen", sagten die zitternden Gastgeber,„ihr mißbraucht unsere Gastfreundschaft."„Uber sie haben doch wirklich...". sagtendie verzweifelten Flüchtlinge,„und sie wolleneuch gerade so fressen wie uns."„Schlagt doch diese Lügner und Hetzer tot",schrien wieder die Belagerer,„wir könnten diebesten Freunde sein und durch ihre Schuld istzlvischen uns Feindschaft."„Da habt ihr es", sagten di« tapferenGastgeber,„ihr bringt uns in Schwierigkeitenmit unseren besten Freunden."„... Und euere Grundsätze?"„Gebieten es uns wie euch über die Gelüste der mächtigen Nachbarn zu schweigen."Sie öffneten das Tor und jagten dieFlüchtlinge hinaus. Doch di« Wölf« beachtetensie kaum, sie drängten zur Hürde, in der siefettere Beute vermuteten.—„Wer erlaubt sichda, durch sein Blöken unsere Ohren zu beleidigen?" brüllte einer von ihnen.„Wenn sie es wünschen, blöken wir nichtmehr, Herr Wolf", sagten die Schafe und zitterten, denn die Tore waren offen....Ihr riecht doch" nach den Berleumdern",schrie ein anderer.„Wir werden nicht mehr nach ihnen riechen", wimmerten- die Schafe.„Das ist uns gleich. Ihr seid vom Geisteder Verbrecher infiziert".Und damit sprangen die Wölf« zu und zerrissen die Schafe, denn auch die Wölfe habenihre Grundsätze, die sie, zum Unterschied vonden Schafen, niemals verraten.Der Hund des GendarmenDie Landstraße windet sich entlang derWaldabhänge, stundenlang ohne AbMeigungnach den hinter den Abhängen liegenden Ort-.schäften. Kein lebendes Wesen ist sichtbar, auchdie Tierwelt meidet den sonnendurchzlühten,!sandigen Weg. Es ist die elfte Stunde eines!heißen Julitages. Da, mit einmal, wird Ra-■schein hörbar. Beste knistern, vorsichtig lugt.zwischen seinen Blättern ein tiefbraunes Men- ischengesicht hervor. Ganz dunkle Pupillen, un- snatürlich groß, flitzen im bläulichen Augapfel,eine kleine braune Hand schafft Staum für einenschmächtigen Körper. Es ist ein Zigeunerjuivge. ISein Spähen setzt er, schon auf der Landstraße 1stehend, noch immer fort. Dann steckt er zwei|Finger in den Mund. Ein gellendes Pfeifsignal,!echogetragen, schallt weithin hörbar. Plötzlich\belebt sich die Straße. Von dem Abhang, rechts'des Weges kommen sie, Männer, Frauen,' Kin-!der und Pferde. Sie fühlen sich sicher vor Gendarmen, die sie stundenlang verfolgt hatten, bevor es der Sippe gelang, im dichten Wald Un-!terschlupf zu finden. Jetzt stehen sie im Kreise, iberaten. Die Pferde— zwei schöne Tiere—'blieben an der Waldgrenze,.die Köpfe neigensich suchend dem Waldboden zu. Doch es gibtnur Moos an diesem Gehänge, kein saftigesGras, nur einige ausgetrocknete Halme. Fastgleichzeitig setzen sich die Pferde in Bewegung,■die Zigeuner beachten es nicht. Stehen— noch|immer diskutierend— uneinig, nach welcherRichtung sie gehen sollen.Plötzlich kommen die Pferde im Galopp,zurück, ein lautes Wiehern läßt die Zigeuner!erschrecken. Erst alles wild durcheinander, danndi« Frauen voran, ihre Kinder am Arm, die■Männer hinter ihnen, beginnen sie den rasen-!den Tieren zu folgen, bald verschwinden sie indem dichten Wald.'. Ilieber die Landstraße fällt ein Schatten. IUnheimlich lang sehen die Bajonette aus, diedie beiden Gendarmen auf den Gewehren tragen.. Der eine,«in noch sehr junger Mann,trägt den Helm in der Linken, sein Begleiterund Vorgesetzte, hält einen Schäferhund an!der Leine. Unruhig ist das Tier, will sich be-!freien, zerrt an der Leine..Misch dich, Nero! Weiß der Teufel, das!Tier ist ganz von Sinnen."„Wirst Durst haben, bald find wir beim!Dach laß ihn los!"Der ältere Gendarm hat kaum Zeit, die!Leine an sich zu nehmen, so jäh stürzt Rerodavon. Kein Pfeifen nützt, kein Rufen. Nerojagt bergan, immer weiter, der Witterung nach.Als kleine Punkte, schon jenseits der Böschung,spiegeln sich die Pferde der Zigeuner imHundeauge. Nero jagt, Ohren gespitzt, Zungeweit vorgestreckt. Jetzt hat der Hund den Graber hinter sich, seine Flanken zittern, er keucht.Verschwunden sind die Pferde, wie fortgezaubert. Wütendes Bellen Neros, dann Stille.Nero liegt auf der Lauer. Das Pfeifen undRufen seines Herrn dringt zu ihm nicht. Unddoch spitzt er mit einmal die Ohren, lauscht.Jetzt hat er sich aufgerichtet, schleicht leise vorwärts. Die Rute schlägt freudig, immer schneller. Freudegebell hört man,, es wird erwidert.Im Gestrüpp, das dichte, kraffe Fell bemoostund voll Fichtennadeln, liegt sie, die Schnauzevorgestreckt auf den Vorderbeinen, die.Hündinder Zigeuner. Ruckweise nähern sich einanderder schöngepflegte Raffehund und die Bastardinder Landstraße. Als sie einander schon so nahe,daß beider glänzende Nasen einander fast berühren, springen beide gleiö^eitig auf. DieVordersüße NeroS umschlingen die Vorderfüßeder Bastardin. Ein Liebesspiel beginnt über alleRaffevorurteile hinweg. Dann liegen sie. Leiban Leib, nur die Augen bewegen sich, manchmallauschen beide mit zurückgelegten Ohren, aufdie Geräusche des Waldes.Rechts der Böschung, auf der Landstraßepfiff der Gendarm vergeblich. Nero kommt nicht.Links der Böschung: von der Ortschaft nur nochdurch den Bach getrennt, pfeift ein Zigeunerjunge. Sein Lieblingshund kommt nicht. Fastgleichzeitig bewegen sich Gendarm und Junge,beginnen den Aufstieg. Die Pfiffe beider treffen einander immer näher. Die Hunde hörennicht oder wollen nicht hören. Der Gendarm, derjunge, hört den Pfiff des Zigeunerkindes, machtseinen Begleiter- aufmerksam. Sie lauschen.Schon hört man das Rascheln, Aesteknistern.Mit einem Satz springt der Gendarm den kleinen Zigeuner an, packt ihn am Kragen. ZuTode erschrocken ist das Kind, kann nicht malSchreien vor Schreck. Da— was ist los? Etwasrast durch den Wald, direkt auf die beiden zu.Mit Entsetzen fieht der junge Gendarm, derdem Begleiter langsam gefolgt ist, wie Neround noch ein anderer Hund über den Gendarmen herfallen. Nero hält den starken Mann amBermel fest, rüttelt und zerrt an ihm, während>die Hündin sich an der Brust des Gendarmsfestgebiffen hat. Schießen? Unmöglich,«s ge-lfährdet den Kameraden.„Nero! Nero!" Nerohärt nicht, läßt nicht los. Aber der Gendarmhat den Zigeunerjungen losgelaffen. Erst stehtder Junge, zitternd und weinend, dann umfaßter di« Hündin, flüstert ihr etwas ins Ohr. Sorasch er kann läuft der Junge dann abtvärts.Kaum ertönt sein Pfiff, läßt die Hündin denGendarmen los, rast dem Jungen nach. Ihrfolgt im nächsten Augenblick Nero, des Gendarmen Schäferhunds Der junge Gendarm hatnicht Zeit sich um das Tier zu kümmern, ermuß dem Kameraden die Wunden reinigen undverbinden.Die Landstraße windet sich entlang derWaldabhäng«, stundenlang ohne Abzweigungnach den hinter den Abhängen liegenden Ortschaften. Es ist ein heißer Julitag. Wir fitzen ander Böschung, nichts als Bogelzwitscherndringt an unser Ohr. Da— plötzlich Aesteknistern, Schritte find hörbar. Ein Zigeunerjung« kommt auf unS zu. Rechts neben ihm einreinrassiger Schäferhund, links neben ihm einzottiges Hundetier, ein Bastard:"„Geben Sie... bitte... Geben Sie..• 1"bettelt der Junge. Dann setzt er sich neben uns.Seine kleinen braunen Hände haben die Hündin umschlungen, er drückt da? schmutzige Gesicht in das krause Fell. Der Schäferhund steckteifersüchtig seine Schnauze zwischen sie.„Wollen Sie sehen... schön«, guteHunde... 1" Wir folgen dem Jungen. An deranderen Seite der Böschung, etwas über demBach, lagert die Sippe. Auch die Pferde sindda und der Zigeunerjunge zeigt uns die Nachkommen NeroS und der Zigeunerhündin. Putzigekleine Tiere. Nachdem wir sie genügend bestaunthatten, erkundigten wir uns über Neros„Herkunft". So haben wir die Geschichte erfahrenund auch, daß die Zigeuner aufgestöbert unvvor Gericht zitiert wurden. Sie wurden bestraft und zur Rückgabe Neros verurteilt. AlleVersuch«, Nero dem Besitzer zurückzugeben,scheiterten an NeroS Li«b« zur Hund n.Schließlich verzichtete der Gendarm, dessenBisse ohne bösen Folgen verheilten, auf Nero,der— sobald sich sein früherer Herr nurnäherte, bös« knurrte und die Zähne fletschte.So tötete der Naturtrieb die Dressur.ckoavk Wechsberg:Woher stammt das Zitat?Zitate sind jetzt beliebt. Sie schmuggelnsich in die Schlagzeilen der Zeitungen ein, inden kühl-sachlichen Geschäftsbrief und in dieschwungvolle Rede des Volksredners. Man hantiert mit ihnen in der Propaganda, sie werdengroß aufgemacht mit allen technischen Möglichkeiten der Publicity, bis sie als stolze„Schlagworte" dieser Zeit in die Hirne der Masse dringen. Von wem das Zitat stammt, wie es ursprünglich lautete, hat man dabei oft vollkommen vergessen. Mancher demagogische Voltsredner würde die Phrase„Mit eherner Stirnbehaupten" nicht ohne Hemmung aussprechen,wüßte er, daß sie auS dem Alten Testament(Nach JefaiaS 48,4) stammt. Und den schönenund oft mißbrauchten Satz„Recht muß dochRecht bleiben" hat nicht das einfallsreiche Hirneines staatlichen Propagandachefs erfunden:sondern Christian Fürchtegott Gellert vor 200Jahren. Das Wort von der„Welt, die betrogensein will"— wie wahr ist eS, auch betreffs derZitate— stammt von Sebastian Brant undwurde um die Wende deS 16. Jahrhundertsgeschrieben, ohne bis heute seine Bedeutung zuverlieren.Ueberraschend groß ist di« Zahl dichterischer Aussprüche, die so bekannt geworden