BUNTE WELT Nr. 11 Unterhaltungsbeilage 1938 Der Diktator von San Domingo Im Jänner 1938 übernahm die Republik Sa» Dimin go die Verpflichtung, ihrem Nach­barstaat Haiti 789.000 Dollar- zu zahlen und in Zukunft für die Sicherheit aller auf dominga- nischem Gebiet lebenden Haitianer zu garantie­ren. Die 780.900 Dollars waren Schadenersatz für 8000 Haitianer, die im Oktober 1937 von Dominganern Soldaten, Gendarme» und Polizisten. Zivilisten abgeschlachtet worden tuaren. Ein Menschenleben wird also mit 180 Dollar- berechnet. Die Insel Haiti , eine der großen Antillen, dem südamerikanischen Festland im Norden vor­gelagert, ist politisch unter die beiden RepuRike» Haiti und San Domingo aufgeteilt. Haiti hat 39.000, Son Domingo 49.000 Ouadratkilo- meter Fläche; in Haiti leben aber 2.8, in San Domingo nur 1.8 Millionen Menschen. Die verschiedene Bevölkerungsdichte erklärt, daß die Eimvanderung von Haiti nach San Domingo , nicht umgekehrt, gehr. Haitianische Arbeiter ziehen ins Domin- ganische, nm aus den Zucker-, Tabak- und Kaffeeplantagen zu arbeiten, und haitianische Siedler fassen auf domingauischem Boden, vor allem in den Grenzgebieten, Fuß. In der ersten Oktoberwoche des dergange- nen Jähre? ging in San Domingo folgendes vor sich: Unter Führung der Armee und der Polizei veranstalteten die Einwohner von San Domingo eine Bartholomäusnacht, in der, wie gesagt, über 8000 Haitianer ermordet wurden: Männer, Frauen, Kinder. Mittelpunkt der Aktion war die Stadt Dajabön im Nordwesten der Dominganischen Republik. Roch dem Be­richt eines amerikanischen Einwohner- von Haiti trieb die Gendarmerie die auf domingauischem Gebiet wohnenden Haitianer zusammen und schaffte fie, in Trupps zu 180, nach Dajabön. Bon dort wurden sie in Gruppe» zu Sechsen nach Süden transportiert, wo in einem Wald Männer lund auch Kinder) auf fie tvarteten. Sie fiele» über die Gefangenen her, schlugen fie mit Knüppeln nieder und murkste» fie dann mit Messern, Säbeln, Bajonetten und gabel­artigen, dreiklingigen Dolchen ab. Ein?bne« rikaner, der in San Domingo lebt, schreibt, er habe Karren um Karren gesehen, die, m:t verstümmelten Leichnamen beladen, bluttriefend vorbei- und dem von Haifischen wimmelnden "'eer zuzogen. Andere Leichen tvurden ab­wechselnd eine Schicht Menschen und eine Schicht Hölz aufgebäiift, mit Benzin Lbergofien und verbrannt. Die Scheiterhaufen schwelten tagelang. Die Nachricht über da? Massaker fickerie nur langsam in? Ausland durch. Beide Regie­rungen die haitianische wie die dominin- ganisch« versuchten die Sache zunächst zu vertuschen. Dann erfuhr man zunächst in Nord­ amerika inige» über die Vorgänge, Und bald darnach teilte Haiti mir, es habe die Ber­einigten Staaten, Mexiko und Kuba um ihre guten Dienste" zur Beilegung der Angelegen­heit gebeten. Die direkt Beteiligten waren also bei ihre» unmittelbar geführten Verhandlungen i nicht einig geworden. Als die auterikanische! ' OessenÜichkeit sich zer erregen begann, gab der domininganische Gesandte in Washington, Pa» storiza, eine öffentliche Erklärung ab, in der er vonlokale» Zusammenstößen" sprach und sich über dalungowöhuliche Interesse" be­schwerte, dar die Vereinigte» Staaten der Sache widmeten. Es sei unerwünscht, dieser Interesse, da ei fich um einen bereit- beigelegtenkleinen Zwischenfall" bandle. War diesenkleinen Zwischenfall" hervor- gerufe» Hobe, wurde der Welt verkündet, sei d»e Empörung der dominganischen Bevölkerung über die haitianischen Arbektsucher und-finder gewesen. Also ein spontaner Ausbruch der Volkswut. Dem widerspricht unter anderem: daß es fich nicht um einenlokalen Zwischen­fall" oder um einigelokale Zwischenfälle" gebandelt bat, sondern das ziemlich alle Grenz­distrikte Schauplatz diese- Morden- waren ja, daß da- Gemetzel fich nicht auf die Grenz­bezirke beschränkte, sondern»ach der ausdrück­lichen Versicherung de- schon erwähnten ameri­ kanischen Einwohners von San Domingo zur gleichen Zeit im ganzen Gebiet der Republik , soweit fich Haitianer vorfanden, Veranstalter tvurden; außerdem aber auch die Tatsache, daß die eigentlichen Veranstalter die Armee und die Polizei waren. Kein Zweifel: das Massaker war organisiert, und er dient« nicht pri­vate» Zwecken bestimarter Bevölkerungsschichte», sondern allgemeine» politischen maßgebender Stellen. Maßgebend ist in San Domingo nur einer: Trujillo , der Diktator. General Rafael Leoni­das Trujillo Malina ist fünfundvierzig Jahre alt und seit acht Jahren der Herr von San Do­mingo. Er heißt offiziell:Generaltfimo" Wohltäter de- Vaterlandes",Doktor der llni- verfität" undAdmiral". Al- Admiral be­fehligt er«in kleines Dampfschiff, da- in Vor­kriegszeiten gebaut mid mit eiaer altmodische» Kanone und einige» Maschinengewehre» be­stückt ist. Ehrendoktor wurde er, nachdem er dem Senator Jaime Mota für 10.000 Dollar- ein Grundstück abgekauft und eS dem Staat für 100.900 Dollar- wiederverkanfi hatte und der Landwirtschaft-Minister Tolentino ihn wegen diese- Verzicht-, auf ein so wertvolles Befitztum öffentlich gefeiert batte. Die Hauptstadt San Domingo ist inCiudad Trujillo" lTrujillo- Stadi) umgetauft worden; eine neugeschaffene Provinz trögt den Namen de- Diktators, und dasselbe gift für viele Brücken und andere | öffentliche Gebäude, Wer ist Trujillo ? Ilridrünglich ein Gangster. Er gebörte nebst seine» Brüdern einer Bande an, die unter dem NamenPan, dilla de Pepiw" bekannt war, und trug ihn ihr den SpitznamenChapita". Unabhängig von­einander verfichern zwei Autoren, die sein Le­ben beschrieben baden Gotay und Sänchez daß er im Jahre 1911 das Postamt in San Cristobal bestohlen hat und dann als Flücht­ling auf der kleinen Insel Sani Thoma- lebte, bi- der Sturz des Präsidenten Eäcere- es ihm möglich machte, zurückzukebren. Bald nach sei­ner Rückkehr wurde er und sein Bruder Anibal: wegen Bichdiebstahls verhaftet. Im Jahre 1 1918 beging er eia« Scheckfälschung, die ihm sechs Monate Gefängnis einbrachte. Nach Verbüßung der Strafe wurde er Spitzel, und zwar in amerikanischem Sold. Die Bereinigte» Staaten hielten von 1916 bi- 1924 die ganze Insel besetzt, weil es in de» beiden Republiken immer sehr wild herging. Revolten und Morde waren da» tägliche Brot. Die USA -Marine, die die Besetzung durch­führte, richtete in San Domingo zu ihrer Un- terstützuna eineNationalgarde" ein. Ihr trat der au» dem Gefängnis entlassene Trujillo als Geheimagent bei. Er blieb nicht sehr lange in ihr: den» er nahm Bestechmigsgeld von Spielhöllen und Bordells; und obwohl ein hoher amerikanischer Offizier ihn schützte ka»r Gründen, die man nicht im Druck wiedergeben kann", sägt Carketon Braks inCurrent Hi- story"), wurde er entlassen. Er trat i» den Dienst einer Zuckergesellschaft, um nach einiger Zeit wieder in die Nationalgarde zurückzukeh» re», diesmal als gewöhnlicher Rekrut. Da er rückfichtSloS war, stieg er rasch im Rang. Er war berüchtigt wegen seiner Brutalität, seiner Räubereien und seiner Attacken auf Frauen, kam wiederholt wegen Diebstahl oder Vergewal- rigung vor Gericht, wurde immer noch von dem erwähnten Offizier geschützt, trotzdem aber schließlich entlasse»: wegen Feigheit. Als die Amerikaner abzogen, fand er sich sofort wieder ein. Er war mm Offizier. Durch Intrigen und Verrat beseitigte er eine» Test seiner Vorgesetzte» und stieg auf. Einer, der ihm im Weg stand, wurde von einem betrogene» Gatten erschösse», den Trujillo über dar, waS vovging, informiert hatte. Einen andere» brachte er zu Fall, indem er ihm gefälschte Do­kumente unterschob, die zeige» sollten, daß er in«ine Bcrschtoörung verwickelt sei. So bahn« er fich den Weg zum Gipfel und wurde Kom­mandant der Nationalgarde. Er taufte fie um in.Lkationalarmee", und im Jahr 1930 machte er mit ihr seinen Aufstand. AlS fich 1928 eine amerikanische Kommis- fion lim Zusammenhang mit einer notwendig werdenden Anleihe) mit den Finanzen deS SlaateS befaßte, stellte fich u. a. heran-. daß die Armeewäsch« im Unternehme» einer Mä­tresse Trujillos gewaschen wurde, selbstver­ständlich zu außerordentfich hohem Preis. Die Armeelisten waren doll von Namen, deren In­haber nie Soldat gewesen Ware» und also auch nie Löhnung bezogen hatten, und die Kom­mission kam zu dem Ergebnis, daß von den 16 Dollar- RonatSlöhnung, die de» wirklich in die Armee eingereihten SoDaten zustande». 8 bis 10 Dollar» den Weg in Trujillos Tasche» nähmen. Soldaten, die protestierten, käme» ins Loch oderverschwanden". Seitdem Trujillo Diktator ist, lohnt sich das Geschäft erst richtig. Seine Familienange­hörigen fitzen in wohlbezahlten Siellungeu- Mir ihnen zusammr» bat er die gesamt« Nahrungsmittelindustrie, die Tabakindustrie, die Seidenindustrie und andere Produktionszweige monopolisiert. Bestechlichkeit und Monopol» wesen, die früher Charakteristiken der Armee« kreise waren, find Eigenschaften der gesamte»