BUNTE WELT

Nr. 2

Unterhaltungsbeilage

1938

Der Bahnhof von Fünfzighübel

Fünfzighübel ist eine fleine Gemeinde in Mitteleuropa  , die auf jenem Gebiete liegt, das vor vielen, vielen Jahren unter der Herrschaft des Hauses Habsburg   stand. Ungefähr eine Wegstunde von Fünfzighübel entfernt glitzern und gleißen die Eisenbahnschienen, laufen schier endlos ins Weite, immer geradeaus, immer geradeaus.

Von Guido Reif

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Ausdrud gab, indem er laut vor zwei Leuten des Nachbarortes, die erstaunt dem Tun und Treiben derer von Fünfzighübel folgten, er= flärte: Na, bei uns wird das anders werden. Das fönnen wir wohl sagen." Borauf Lehrer und Pfarrer beifällig nickten und dem Bau einen letzten verächtlichen Blick vor ihrer Abreise zus warfen.

Wer mit dem D- Bug auf der Strede- während vom Ort in gerader Linie bis zur Nein! Der Anfang ist nicht möglich. Er Bahnstrecke, wo das neue Gebäude doch logis bätte zur Folge, daß jener Mann, der die Gescherweise errichtet werden müffe, eine gute schichte des Bahnhofs von Fünfzighübel verriet, Dreiviertelstunde zu gehen sei. Dieser Eintvand die fürchterlichten Unannehmlichkeiten hätte, löfte ein heftiges Für und Wider aus, in dem die sich zumindest in einer würsten Prügelei die Gemeindevertretung des Nachbarortes vielleicht aber auch im Ausschluß; aus der Ge- äußerst schlecht wegfam. Man warf dem Wald­meinde auswirken würden. Im Interesse hofbauer vor, daß er die Interessen der eigenen dieses Mannes muß die Strede verschwiegen Gemeinde nur deshalb hinter die der fremben Nach drei Tagen kehrte die Deputation werden, wie auch der Name der Ortschaft mit stelle, weil dort sein Schwiegersohn Gemeinde- aus Wien   zurüd. Ein geheimnisvolles Raunen der Wirklichkeit nicht ganz übereinstimmt. vorsteher sei. Einer der Bauern brachte zur fegte ein; ganz Fünfzighüvel sprach von den Sprache, daß sich der Waldhofbauer sogar seine Erfolgen der Reise, ohne daß jemand etwas Sonntagsanzüge im Nachbarort machen lasse, Genaues wußte. Jene aber, die es wußten, ein Umstand, der laute Hört- Hört- und Pfui- schwiegen. Es vergingen Wochen, während rufe und eine endlose Debatte darüber zur welcher fein Bauer am Abend zu Hause war, Folge, ob der Waldhofbauer ein Recht habe, fich fondern im Gasthof ſay, um das Bahnhofss im Nachbarorte Anzüge machen zu lassen projekt zu diskutieren, wie die Gatten zu Hause furz: die Sizung wurde wie gesagt eine zu erklären pflegten. Einige tamen auch des der aufregendften, eine Tatsache, die schon da-[ Bahnhofsprojektes wegen, die meisten aber wes E fei für eine Weile vergessen, daß beute durch hinreichend bewiesen ist, daß im Gasthof gen des Biers, nicht wenige auch wegen Reſt, über diese Schienenstränge Expreßzüge don- Bum Schwan", wo die denkwürdige Tagung der Kellnerin, dem lebenden Dorn im Auge der nern, die Oit mit West und Nord mit Süd ber stattfand, in dieſer Nacht von sechzehn Männern Bäuerinnen von Fünfzighübel. binden; es sei für eine Weile vergessen, daß zwei Fässer Bier konsumiert worden sind. Monate bergingen. Immer dringender auf den Straßen, die durch Fünfzigbübel füb- Unmittelbar nach der Beschlußfassung wurde der Ruf nach dem Bahnhofsgebäude, das ren, heute Autos rasen, die Geschwindigkeiten wurden alle notwendigen Schritte eingeleitet, um so mehr, als man im Nachbarorte ingtvis von hundert Kilometern mit Leichtigkeit be- um so rasch als möglich zum eigenen Bahnhof schen vom Plan der Fünfzighübler Kenntn: 3 vältigen; es sei für eine Weile vergessen, daß zu kommen. Es fanden sich einige reiche Bauern erhalten hatte und keine Gelegenheit vorüber­Beute über Fünfzighübel Flugzeuge ihre Bahn deren Stolz auf die fünftige Bahnstation grö- gehen ließ, ohne die braven Bürger dieses Drte3 ziehen. Die Geschichte des Bahnhofs von Fünf- fer war als ihr Geiz, die sich bereit erklärten, zu hänseln, weil sich in Wien   nicht3 rührte und aiabübel fällt in jene Zeit, in der dreißig Kilo- alle unerläßlichen Maßnahmen zu finanzies man annahm, daß die Station ein frommer meter für die Eisenbahn eine phantastische Ge- ren. Schon wenige Tage später stand der Ges Wunsch der Gemeinde Fünfzigbübel bleiben fawindigkeit waren und das Tempo eines ettvas meindevorsteber mit dem Lehrer und Pfarrer würde. zu rasch fahrenden Landauers Männern und begleitet von einer Schar ganz begeisterter Da an einem regnerischen Morgen im Frauen wegen der auf den Straßen Tauernden Anhänger- am Bahnhof des Nachbarortez. Geber Klopfte es an die Tür des Gemeindes Lebensgefahr Schreden einjagte. wo fie den Zug erwarteten, der sie nach Wien   hauses und unmittelbar darauf traten drei führen sollte. Verächtliche Blicke streiften die Herren ein, von denen sich der eine als Regies primitive Einrichtung des Stationsgebäudes, rungsrat aus Wien   vorstellte. Die Fremden biz der Gemeindevorsteher sowohl der Meinung| nahmen nun den Bürgermeister wegen der Petis der Deputation als auch jener der Begleiter tion um eine Eisenbahnstation ins Kreuzberhör

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An der Theiß

( Kriegsfahrt 1916)

und erfuhren alles da3 noch einmal, was die Deputation in Wien   schon vorgebracht hatte. An diesem Morgen hatte der Gemeindewachs mann Schöberl viel zu tun. Von Hof zu Hof mußte er laufen, dauernd einen anderen Bauer helen, damit ja alle Gründe befannigegeben

Damals also geschah es, daß man in Fünfzigbübel auf die Eisenbahn aufmerksam wurde und einige der maßgebendsten Perfön­lichkeiten des Ories die da sind: Pfarrer, Lehrer, Gemeindevoriteher und Großbauern fich mit der Idee trugen, zur Eisenbahn in nähere Veziehungen zu treten. Eigentlich stammte die dee vom Lehrer des Ortes, der aumindest einmal in der Woche in der nahen Hauptstadt zu tun hatte und sich dann ent­ieder eines Fubrwerfs bedienen mußte, das In Wintersnacht bohrt stampfend fich der Zug, würden und jeder Bürger seine Meinung vor zur Betwältigung der Strede viele Stunden be- die kalte Luft zerspellt nötigte, oder auf den Bahnhof des Nachbarortes zu geben geztvungen war, wo ihn sein dortiger Kollege stets mit einem Lächeln begrüßte, das nichts anderes als Mitleid mit einem Kollegen ausdrücken sollte, der in einer Gemeinde unter­richtete, die nicht einmal einen eigenen Bahn­hof batte.

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an der Maschine breitem Bug.

wir stehen stumm an off'nen Türen. und stehn ganz steif. und stehen ohne Regen, ohne Rühren.

Die stille Steppe ist sehr weit und weiß. Der Mond scheint falt. Und silbern gleißt die Theiß.

In einer aufregenden Gemeinderatsjizung man spricht davon, daß es die aufregendste war, die je in Fünfzighübel ſtattgefunden batte, wurde der Beschluß gefaßt, an zu ständiger Stelle alles zu unternehmen, um zu einem eigenen Bahnhof zu kommen. Gegen den Beschluß sprach sich einzig und allein der Waldbofbauer aus. Er führte ins Treffen, daß ja jeder, der mit der Bahn fahren wolle, auf Wir stehen ohne Schlaf die lange Nacht. dem Bahnhof des Nachbarortes einsteigen fönne, Wir haben eine lange Nacht gewacht. benn dorthin gebe man mir zehn Minuten,

Sehr felten glänzt ein fleines weißes Licht: es flimmert fern. Wir sehn es alle. Keiner spricht.

Der Morgen blast.

Mar Barth.

der Kommission fundrun fonnte. Nur der Waids hofbauer wurde nicht geholt. Begreiflichers weise...

Am Abend fuhr die Kommission wieder ab. Die Bauern aßen noch lange im Wirts haus; und erst als die robuste Gattin des Brandstätter Sepp! dieſen mit Gewalt aus dem Gaitzimmer holte, dachten auch die anderen ans Nachhaufegehen.

Im Nachbarorte hänselte man die Fünfs sighübler weniger, feit man erfahren hatte, daß eine Kommission aus Wien   dort gewesen sei, um die Petition bezüglich einer Eisenbahnstation an Ort und Stelle zu studieren und man vers ftummte dort bald ganz, als Wochen später dem Ansuchen der Gemeinde tatsächlich entsprochen wurde und diese ihren Bahnhof betvilligt bekam, Aus diesem Grunde gab es in Fünfzigs hübe! ein Fest, wie man es in der Geschichte