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armzenen Ni, 9
Völker in Sturmzeiten
Im Spiegel der Erinnerung- im Geiste des Sehers
Der Freiheitskämpfer Ludwig Börne
Aus seinen Pariser Briefen" vor hundert Jahren
Zu den großen Freiheitskämpfern des 19. Jahrhunderts gehört Ludwig Börn e. Liest man in seinen Schriften, so begreift man nicht, weshalb er heute zu den Halbvergessenen gehört. In seinem Bekenntnis zu der Menschheit ewigen Dingen lodert das Feuer des Gerechtigkeitswillens in einem Stile, an dem sich in den vierziger und fünfziger Jahren eine Generation von Journalisten schulte. Es fehlte ihm die Skepsis und die Ironie seines Zeitgenossen Heinrich Heine . Dafür konnte er das Ueble und Rückständige noch viel tiefer hassen, das Gute und das Echte noch viel stärker lieben als er..
Börnes ,, Pariser Briefe" wurden vom September 1830 bis Mai 1833 geschrieben. Er war nach Paris in den Monaten nach der Juli- Revolution, gekommen. Der Nachhall dieser Kämpfe ist in seinen Briefen noch ganz lebendig. Darüber hinaus sind wir auch heute noch gefesselt von der Darstellungskraft eines Menschen und Charakters, dem Kunst nur als Mittel zum Zweck galt: Zum Kampf für Freiheit und Wahrhaftigkeit.
Paris , Dienstag, den 21. September 1830. Diesen Mittag stand ich eine halbe Stunde lang vor dem Eingange des Museums und ergötté mich an der unvergleich lichen Beredsamkeit. Geistesgegenwart und Keckheit eines Marktschreiers, der ein Mittel gegen Taubheit feil bot, und mehrere aus der umstehenden Menge in Zeit von wenigen Minuten von dieser Krankheit heilte. Als ich unter dem herzlichsten Lachen fortging, dachte ich: mit diesem Spaße ernähre ich mich den ganzen Tag. Und er dauerte keine drei Minuten lang, reichte keine dreißig Schritte weit!
Im Hofe des Louvre begegnete ich einem feierlichen Trauerzuge, dessen Spitze dort still hielt, um sich zu ordnen. Voraus ein Trupp Nationalgarden, welche dumpfe Trommeln schlugen, und dann ein unabsehbares Gefolge von stillen, ernsten, bescheidenen, meistens jungen Bürgern, die paarweise gingen, und in ihren Reihen viele Fahnen und Standarten trugen, welche mit schwarzen Flören bekränzt waren. Ich sah, fragte, und als ich die Bedeutung erfuhr, fing mein Blut, das kurz vorher noch so friedlich durch die Adern floß, heftig zu stürmen an, und ich verwünschte mein Geschick, das mich verurteilte, jeden Schmerz verdampfen zu lassen wie eine heiße Suppe und ihn dann löffelweise hinunter zu schlucken. Wie glücklich ist der Kämpfer in der Schlacht, der seinen Schmerz, seinen Zorn kann ausbluten lassen und der keine andere Schwäche fühlt, als die dem Gebrauche der Kraft nachfolgt!
Tod und Freiheit!
Es war eine Todesfeier für jene viér Unteroffiziere, welche in der Verschwörung von Berton der Gewalt in die Hände gefallen und als wehrlose Gefangene ermordet wurden. Heute vor acht Jahren wurden sie auf dem Greve- Plats niedergemetzelt, und weil es ein Mord mit Floskeln war, nannte man es eine Hinrichtung. Abends war Konzert bei Hofe. Es ist zum Rasendwerden! Acht Jahre sind es erst und schon hat sich in Tugend umgewandelt, was damals für Verbrechen galt. Wenn man, wie es die Menschlichkeit und das Kriegsrecht will, auch die im Freiheitskampfe Besiegten in Gefangenschaft behielte, statt sie zu töten, dann lebten jene unglücklichen Jünglinge noch. Mit welchem Siegesjubel wären ihre Kerker geöffnet worden, mit welchem Entzücken hätten sie das Licht, die Luft der Freiheit begrüßt! Könige sind schnell, weil sie wissen, daß es keine Ewigkeit gibt für sie, und Völker sind langsam, weil sie wissen, daß sie ewig dauern. Hier ist der Jammer. Wie damals, als ich die fluchwürdige Hinrichtung mit angesehen, so war auch heute mein Zorn weniger gegen den Uebermut der Gewalt als gegen die niederträchtige Feigheit des Volkes gerichtet. Einige tausend Mann waren zum Schutze der Henkerei versammelt. Diese waren eingeschlossen, eingeengt von hunderttausend Bürgern, welchen allen Haß und Wut im Herzen kochte. Es war kein Leben, kaum eine Wunde dabei zu wagen. Hätten sie sich nur so viel bemüht, als sie es jeden Abend mit Fröhlichkeit tun, sich in die Schauspielhäuser zu drängen; hätten sie nur rechts und links mit dem Ellenbogen gestoßen: die Tyrannei wäre erdrückt und ihre Schlachtopfer gerettet worden. Aber die abergläubische Furcht vor der Soldatenmacht! Warum taten sie nicht damals schon, was sie acht Jahre später getan? Es ist zum Verzweifeln, daß ein Volk sich erst berauschen muß in Haß, ehe es den Mut bekommt, ihn zu befriedigen; daß es nicht eher sein Herz findet, bis es den Kopf verloren.
Erinnerung
Mit solchen Gedanken ging ich neben dem Zuge her und begleitete ihn bis auf den Greve- Platz. Dort schlossen sie einen Kreis, und einer stellte sich auf eine Erhöhung und schickte sich zu reden an. Ich aber ging fort. Was an diesem Ort und über solche jammervolle Geschichten zu sagen ist, war mir bekannt, genug. Ich ging die neue Kettenbrücke hinan, die jetzt vom Greve- Platz hinüberführt. Ich sah den Strom hinab, daß die kurze Entfernung zwischen dem Louvre, wo Frankreichs Könige herrschten, und dem Revolutionsplate, wo sie gerichtet wurden von ihrem Volke, und ich erstaunte, daß die Gerechtigkeit, wenn auch eine Schnecke, so lange Zeit gebrauchte, diesen kurzen Weg zurückzulegen. Zwischen der Bartholomäus- Nacht und der Eroberung der Bastille sind mehr als zwei Jahrhunderte verflossen. Heillos wuchert die Rache der Könige; aber die edle Rache der Völker hat niemals Zinsen begehrt! Man kann ungestört träumen auf dieser Brücke. Sie ist nur für Fußgänger und sooft einer darüber ging, zitterte die Brücke unter mir und mir zitterte das Herz in der Brust. Hier, hier an dieser Stelle, wo ich saß, fiel in den Juli- Tagen ein edler Jüngling für die Freiheit. Noch ist kein Winter über sein Grab gegangen, noch hat kein Sturm die Asche seines Herzens abgekühlt. Die Königlichen hatten den Greve- Plats besetzt, und schossen über den Fluß, die von jenseits andrängenden Studenten abzuhalten. Da trat ein Zögling der polytechnischen Schule hervor, und sprach: Freunde, wir müssen die Brücke erstürmen. Folgt mir! Wenn ich falle, gedenket meiner. Ich heiße d'Arcole; es ist ein Name guter Vorbedeutung. Hinauf!" Er sprach's und fiel von zehn Kugeln durchbohrt. Jetzt liest man in goldnen Buchstaben auf der Pforte, die sich über die Mitte der Brücke wölht: Pont d'Arcole, und auf der andern Seite: le 28 Juillet 1830. Für Ossians Aberglauben hätte ich
in dieser Stunde meine ganze Philosophie hingegeben. Wie hätte es mich getröstet, wie hätte ich mich versöhnt mit dem zürnenden Himmel, hätte ich glauben können: um stille Mitternacht schreitet der Geist des gefallenen Helden über die Kettenbrücke, setzt sich auf die eiserne Bank, und schaut hinauf nach seinem goldnen Namen, der im Glanze des Mondes blinkt. Dann vernehmen, die am Ufer wohnen, ein leises Jauchzen, süß wie sterbender Flötenton und sagen: das ist d'Arcole's Freude.
Tugend, Entsagung, Aufopferung ich habe dort viel darüber nachgedacht. Soll man oder soll man nicht? Der Ruhm: er ist ein schöner Wahnsinn, aber doch ein Wahnsinn. Nun, wenn auch! Was heißt Vernunft? Der Wahnsinn aller. Was heißt Wahnsinn? Die Vernunft des einzelnen. Was nennt Ihr Wahrheit? Die Täuschung, die Jahrhunderte alt geworden. Was Täuschung? Die Wahrheit, die nun eine Minute gelebt. Ist es aber die letzte Minute unseres Lebens, folgt ihr keine andere nach, die uns enttäuscht, dann wird die Täuschung der Minute zur ewigen Wahrheit. Ja, das ist's. O schöner Tod des Helden, der für einen Glauben stirbt! Alles für nichts gewonnen. Die Zukunft zur Gegenwart machen, die kein Gott uns rauben kann; sich sicher zu stellen vor allen Täuschungen: unverfälschtes, ungewässertes Glück genießen; die Freuden und Hoffnungen eines ganzen Lebens in einen, einen Feuertropfen bringen, ihn kosten und dann sterben ich habe es ausgerechnet bis auf den kleinsten Bruch es ist Verstand darin! Ich ging auf der andern Seite zurück. Dort fragte mich ein Bürger, der das Gedränge auf dem Greve- Platz bemerkte: Est- ce que l'on guillotine? Ich antwortete: au contraire, on déguillotine. ,, Wird guillotiniert?" Ist das nicht köstlich gefragt? Ich glaube, daß ich darüber gelacht. Alle Dummheiten kommen wieder.
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vom
Paris , Mittwoch, den 6. Oktober 1830. Ob ich zwar vorher wußte, daß die deutschen Regierungen den Forderungen des Volkes nicht nachgeben, sondern Maßregeln der Strenge ergreifen würden; ob ich zwar Schauplatz entfernt bin, so hat mir Ihr heutiger Bericht von den Truppenbewegungen, von dem Mainzer Kriegsgericht, doch die größte Gemütsbewegung gemacht. Ich hielte das nicht aus und ich bin froh, daß ich mich entfernt habe. Gott hat die Fürsten mit Blindheit geschlagen und sie werden in ihr Verderben rennen. Sie haben die ruhigsten und gutgemeintsten Schriftsteller mit Haß und Verachtung behandelt. sie haben nicht geduldet, daß die Beschwerden und Wünsche des Volkes in friedlicher Rede verhandelt würden, und jetzt kommen die Bauern und schreiben mit ihren Heugabeln, und wir wollen sehen, ob sich ein Zensor findet, der das wegstreicht. Die alten Künste, in jedes aufrührerische Land fremdes Militär zu legen, Nassauer nach Darmstadt , Darmstädter nach Nassau , werden nicht lange ausreichen. Wenn einmal der Soldat zur Einsicht gekommen, daß er Bürger ist eher als Soldat, und wenn er einmal den großen Schritt getan, blinden Gehorsam zu verweigern, dann wird er auch bald zur Einsicht kommen, daß alle Deutsche seine Landsleute sind, und wird nicht länger um Tagelohn ein Vater- oder Brudermörder sein. Alle alten Dummheiten kommen wieder zum Vorschein, nicht eine ist seit fünfzehn Jahren gestorben. So habe ich in deutschen Blättern gelesen, man habe entdeckt, daß eine geheime Gesellschaft die revolutionären Bewegungen überall geleitet und man sei den Rädelsführern auf der Spur. Die schlauen Füchse!
Bruch bei Lafayette
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Gestern abend war ich bei Lafayette, der jeden Dienstag eine Soirée gibt. Wie es da zuging, davon kann ich Ihnen schwer eine Vorstellung geben, man muß das selbst gesehen haben. In drei Salons waren wohl dreihundert Menschen versammelt, so gedrängt, daß man sich nicht rühren konnte, aber im wörtlichsten Sinne nicht rühren. Lafayette, der 73 Jahre alt ist, sieht noch ziemlich rüstig aus. Er hat eine sehr gute Physiognomie, ist immer freundlich und drückt jedem die Hand. Wie es aber der alte Mann den ganzen Abend in dem Gedränge und in der Hige aushält, ist mir unbegreiflich. Dazu muß man ein Franzose sein. Als man ihm die Nachrichten aus. mitteilte, schien er sehr vergnügt und lachte. Ich habe den Abend viele Leute gesprochen, die ich natürlich nicht alle kenne. Auch viele Deutsche waren da, junge Leute, die sehr revolutionierten. Die ganze Gesellschaft würde im Oesterreichischen gehenkt werden, wenn man sie hätte. Es geht da sehr ungeniert her, ja ungenierter als im Kaffeehause. Und dabei hat man die Erfrischungen umsonst. Ich ging schon um zehn Uhr weg. Da waren noch die Treppen bedeckt von Leuten, die kamen. Wie die aber Platz finden mochten, weiß ich nicht. Es waren auch zwei Sophas mit Frauenzimmern da, meistens Nordamerikanerinnen. Talley rand war neulich, ehe er nach London abreiste, in Lafeyettes Salon; es hat aber kein Mensch mit ihm gesprochen. Ich sprach unter anderm zwei Advokaten, welche die Verteidigung der angeklagten Minister übernommen. Sie sagten, die Sache stände schlimm mit ihren Klienten und sie ständen in Lebensgefahr. Sie wären aber auch so dumm, daß sie nicht einmal so viel Verstand gehabt hätten, zu entwichen. was die Regierung sehr gern gesehen hätte. Jetzt sei es zur Flucht zu spät. Der Kommandant von Vincennes , wo die Minister eingesperrt sind, sei streng und lasse nicht mit sich reden. Man erzählte auch von einem Bauern- Aufstand in Hanau . Wissen Sie etwas davon?
Donnerstag, 10. Januar 1935
Man schuf die Todesstrafe ab...
-Ihre Briefe machen mir eigentlich nur Freude, ehe ich sie aufmache, und in der Erwartung, daß sie recht groß sind. Aber einmal geöffnet, ist auch alles vorüber. In einer Minute habe ich sie gelesen, es ist das kürzeste Vergnügen von der Welt. Ich werde durch Ihre langen Buchstaben und gestreckten Zeilen sehr übervorteilt. Ihre ganzen Briefe brächte ich in zwanzig Zeilen. Was können Sie aber dafür? Ihre Freundschaft reicht nicht weiter.
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Was mag jetzt in Deutschland alles vorgehen, was man gar nicht erfährt, weil es nicht gedruckt werden darf! Ich habe den Abend oft das ganze Zimmer voll deutscher Jünglinge, die alle revolutionieren möchten. Es ist aber mit jungen Leuten gar nichts anzufangen. Sie wissen weder was sie wollen, noch was sie können. Gestern traf ich bei Lafayette einen blonden Jüngling mit einem Schnurrbarte und einer sehr kecken und geistreichen Physiognomie. Dieser war von ***, wo er wohnt, als dort die Unruhen ausgebrochen, hierher gekommen, hatte Lafayette, Benjamin Constant , Quiroga und andere Revolutionshäupter besucht und um Rat gefragt, gerade als hätten diese Männer ein Revolutionspulver, das man den Deutschen eingeben könnte.
Was sagen Sie dazu, daß die Todesstrafe abgeschafft werden soll, für jetzt wenigstens bei politischen Vergehen? Ist das nicht schön? Und das geschieht nur in der Absicht, die angeklagten Minister zu retten. Und nicht etwa die Regierung allein will das, sondern der bessere Teil des Volkes selbst. Diese Woche kam eine Bittschrift von hundert blessierten Bürgern, die alle die Abschaffung der Todesstrafe fordern, an die Kammer. Mich rührte das sehr, daß Menschen, welche von den Ministern unglücklich gemacht wor den, um das Leben ihrer Feinde bitten. Wenn man bei unserer lieben deutschen Bundesversammlung um die Abschaffung der Todesstrafe in politischen Vergehen einkäme, würde man freundlichen Bescheid bekommen! Und doch, wenn sie klug wären, sollten sie schon aus Egoismus die alten blutigen Gesetze mildern. Heute noch haben sie die Macht, wer weiß wie es morgen aussieht. Leid der Fremden
Dienstag, den 21. Dezember. Gestern war wieder ein unglückschwangerer Tag für Paris , Frankreich , die Welt, und heute, morgen kann das Gewitter losbrechen. Die Regierung hat schon seit acht Tagen eine Verschwörung entdeckt und viele Menschen sind arretiert worden. Man fordert das Leben der Minister, deren Prozeß sich wahrscheinlich morgen entscheidet. Gestern versammelten sich einige Tausend Menschen vor der Pairs- Kammer mit drohenden Aeußerungen, und heute fürchtet man. größern Aufruhr. Ich bin doch ein rechter Unglücksvogel! Ich mußte mir gestern einen Zahn herausnehmen lassen, und kann noch heute wegen meines dicken Gesichts nicht ausgehen. Ganz Pa ris kann heute in Flammen stehen, und ich werde nichts er: fahren, bis heute abend die Zeitung kommt. Sie freuen sich vielleicht darüber und wünschen mir meine Zahnschmerzen von ganzem Herzen. Ich ärgere mich und dazu habe ich noch 20 Franken für das Zahnherausziehen bezahlen müssen. Was man hier geprellt wird! Wie die Blutsauger hängen sich die Pariser an den Fremden und ziehen ihm das Geld aus. Ich hoffe, daß die Regierung Kraft genug haben wird, die Unruhen zu dämpfen, es bleibt aber immer eine bedenkliche Sache. Man kann auf die National- Garde nicht fest zählen; ein großer Teil derselben ist rache durstig gegen die Minister und würde einem Volksaufstande keinen ernstlichen Widerstand leisten. Dazu gesellen sich noch 1. überspannte Köpfe, die eine Republik haben wollen; 2. mäßigere, die mit dem Gange der Regierung nicht zufrieden sind und eine liberale Kammer und ein liberales Ministerium wünschen; 3. die Anhänger Karls X.; 4. endlich die Emigrierten aus allen Ländern, Italiener, Spanier, Polen , Belgier, die Frankreich in einen Krieg verwickeln wollen, damit es in ihrem eigenen Lande auch endlich einmal zur Entscheidung komme. Diese lettern sollen besonders großen Teil an der Aufhetung haben. Heute wird die Pairs- Kammer von dreiunddreißigtausend Mann National- Garden und Linien- Truppen beschützt sein. Wenn es nur zu keiner neuen Revolution kommt, mir täte das bitter leid; denn es könnte alles wieder darüber zugrunde gehen. Sie werden die Verteidigungsrede der Minister wohl im Constitutionell lesen. Am besten nach meiner Ansicht hat Peyronnet gesprochen, der doch gewiß der Schuldigste ist. Aber er ist ein Mann von festem Willen, und darum hat er auch am meisten gerührt; er hat geweint und weinen gemacht. Polignac zeigt sich als ein solcher Schwachkopf und seelenloser Höfling, daß man ihn bemitleiden muß. Er verdient es gar nicht, geköpft zu werden. Der Advokat und Verteidiger des Guernon Ranville. Namens Cremieux, der gestern gesprochen, ist aus Gemütsbewegung in Ohnmacht gefallen und mußte weggebracht werden. In welcher schrecklichen Lage sind doch die vier unglücklichen Minister! Und ihre armen Weiber und Kinder! Gewöhnliche Verbrecher dürfen doch hoffen, die Richter würden ihnen das Leben schenken; aber die Minister müssen vor ihrer Freisprechung zittern, weil sie dann schrecklicher als durch das Schwert des Henkers, durch die Hände des Volks ihr Leben verlören. Am meisten dauert mich der Guernon Ranville . Dieser ist der Schuldloseste von allen, er hat an den Ordonnanzen den wenigsten Teil genommen, er war nur schwach und ließ sich verführen. Und dieser ist krank und hat eine Krankheit, die ich kenne, die ich vor zwei Jahren in Wiesbaden hatte. fast ohne Schmerz kein Glied bewegen, und so, bleich. leidend, fast ohne Kraft der Aufmerksamkeit. muß er täglich sieben Stunden lang in der Pairs- Kammer schmachten und zuhören, wie man sich um sein Leben zankt! Dagegen war doch mein Rheumatismus, von Ihnen gepflegt, gewiß eine Seligkeit. Und doch stähle ich mich wieder und mache mir meine Weichherzigkeit zum Vorwurfe, wenn ich mich frage: aber jene Könige und ihre Henkersknechte, wenn wir aus dem Volke ihnen in die Hände fallen, haben sie Mitleiden mit uns? Diese Minister, die dem Volke zur Rede stehen, werden doch wenigstens öffentlich gerichtet. Sie sehen sich von ihren Freunden umringt, sie lernen ihre Feinde. ihre Anhänger kennen, sie dürfen sich verteidigen und das Gesetz verurteilt sie, nicht die Rache. Und wenn sie auch als Opfer der Volkwut fallen, weiß man doch, daß sie unschuldig gemordet.
( Fortsetzung folgt)