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15.

JANUAR

Für DEUTSCHLAND gegen HITLER Rückgliederung

, Separatismus" oder Freiheitskampi?

Eine Antwort an Hitlers Saarkommissar

Als wir vor einiger Zeit den Saarbevollmächtigen des Reichskanlers, Gauleiter Bürckel , zum erstenmal ant Radio

auf völkerrechtlichen Grundlagen beruht, die auch von der derzeitigen Reichsregierung anerkannt werden, während der

bringt Arbeitslosigkeit! hörten, bezeugten wir ihm, daß seine Rede in Form und Separatismus am Rhein sich auf der Linie des Landes­

I.

Inhalt sich vorteilhaft von dem Gebrüll abhob, das sonst durch den Aether aus dem dritten Reiche" zu uns dringt.

Was droht der saarländischen Bekleidungs- und Herr Bürckel hat am Mittwoch wieder gesprochen. Leider Schuhindustrie?

In einer Artikelserie werden wir an Hand von Tatsachen­material zeigen, worin die Gefahren der Rückgliederung für einzelne Industriezweige des Saargebiets bestehen. Wir werden dabei Kohle und Eisen nicht erwähnen, da darüber schon alles Erforderliche bei uns und in der übrigen anti­faschistischen Presse gesagt wurde. Im Nachfolgenden wollen wir zunächst auf den drohenden Zusammenbruch der saar­ländischen Bekleidungs- und Schuhindustrie hinweisen, die nach einer Rückgliederung jeder Eristenzmöglichkeit beraubt würde.

Nach der Zollabschnürung hat sich im Saargebiet eine eigene Bekleidungsindustrie entwickelt, die mit ihren Erzeugnissen nicht nur das Saargebiet, sondern auch. den französischen Markt, insbesondere Elsaß- Lothringen , be= liefert. In erster Linie ist es die Wäschefabrikation, die sich in den letzten zehn Jahren wesentlich erweitert und durch den Zollschutz die Berliner und Bielefelder Konkurrenz vom saarländischen Markt fast völlig verdrängt hat. Sie liefert in größeren Mengen auch nach Frankreich , worüber am besten die Firma Arnold Becker& Co. Auskunft geben könnte, die ein weitverzweigtes Geschäft nach Frank­ reich betreibt. Die Herren- und Knaben- Kleider­fabrikation, ebenso wie die Berufsbekleidungsfabrika­tion, fonnten sich ebenfalls gut entwickeln. Auch hier liefernt die Fabriken größere Mengen nach Elsaß- Lothringen . Die Wirt- und Strickwarenindustrie war früher im Saargebiet überhaupt nicht vorhanden. Seit der Zollunion find zahlreiche kleinere Unternehmungen entstanden. Auch hat sich im Saargebiet eine selbständige Strumpfwaren= industrie gebildet, wobei größere Werke gegründet wur­den, wie beispielsweise die Saarländische Trifotagen- und Strickwarenfabrik in St. Ingbert und die Struma A.- G, in Quierschied . Dieser Zweig der Bekleidungsbranche, ebenso wie die Krawattenfabrikation, haben ebenfalls ihren Absatz nach Frankreich ausgedehnt.

Wenn im Falle der Rückgliederung die Zollgrenzen nach Deutschland fallen, so wird die leistungsfähigere reichsdeutsche Ronkurrenz all diesen nenentstandenen Bekleidungsfabriken die Existenzmöglichkeit nehmen. Die Berliner, Bielefelder, Frankfurter und Aschaffenburger Industrie werden in furzer Zeit die Erzeugnisse der saarländischen Bekleidungsindustrie auf dem heimischen Marft verdrängen. Auch die Chemnißer Strumpffabriken werden den saarländischen Strumpffabriken den heimischen Markt entreißen.

Aber das nicht genug. Mit der Errichtung der Zollgrenzen nach Frankreich hin würden alle diese saarländischen Be­fleidungsfabriken ihre im Laufe der letzten Jahre mühsam erworbene Kundschaft in Frankreich verlieren. Die Folge würde der Zusammenbruch der gesamten Saarländischen Bekleidungsindustriese in und die fünftaufend Arbeiter und Angestellten, die augenblicklich dort beschäftigt sind, würden mit ihren Familien ihre Eristenz

und Hochverrats bewegte. Entscheidend ist für uns dies: Der Separatismus am Rhein richtete sich gegen ein Staatswesen, das jeder politischen und religiösen Strö mung, jeder politischen und religiösen Weltanschauung, jedem geistigen Ringen überhaupt die freieste Betätigung gewährte.

müssen wir heute alles zurücknehmen, was wir damals sagten. Sein Geschrei und sein Kreischen war genau so, als wenn sein Führer" höchstpersönlich am Mikrofon gestanden hätte. Es ist zwecklos, sich mit dieser rohen Agitationspaufe, die übrigens im Saargebiet nur in Bruchstücken zu ver= stehen war, auseinanderzusetzen. Nur ein paar Worte über " Separatismus" wollen wir an Herrn Bürckel , der sich üblich war. Wir sprechen von dem Artikel 18 der Reichsver­rigens selbst gegen diesen Vorwurf zu wehren hat, und an die Seinen richten.

Er kann nicht leugnen, daß dieselben politischen Organisa­tionen Sozialdemokraten, freie Gewerkschafter, Kom: munisten die jetzt für eine freie deutsche Saar ein= treten, im Rheinlande den Separatismus niedergerungen haben.

Herr Bürckel findet, daß der Kampf für den Status quo an der Saar noch schlimmer sei, als der Separatismus am Rhein , denn dieser habe die westlichen Provinzen nur von Preußen lösen wollen. Das ist nicht richtig, da die Lös­lösung vom Reiche von mehreren Richtungen des damaligen Separatismus erstrebt worden ist.

Herr Bürckel meint, genau wie die Separatisten am Rhein , begründeten wir unsere Politik mit der Ablehnung eines Regierungssystems in Berlin , das uns eben nicht paste.

Der Unterschied zwischen den Separatisten am Rhein und den Freiheitskämpfern an der Saar ist so gewaltig, daß man sich auf Spißfindigkeiten nicht einzulasien braucht. Auch lassen wir beiseite, daß die Abstimmung an der Saar

verlieren. Hervorzuheben ist dabei, daß in der saarländischen Bekleidungsindustrie vor allem weibliche Arbeits fräfte beschäftigt sind, die nach einem Zusammenbruch dieser Industrie anderweitig feine Unterkunft mehr finden werden.

Ebenso gelagert liegen die Dinge in der jaarlän­dischen Schuhindustrie. Bekanntlich sind nach der Zollabschnürung in der Saarpfalz , vor allem in der Gegend von Blieskastel und Homburg , neue Schuhfabriken entstan= den. Diese Schuhfabriken, etwa dreißig an der Zahl, be liefern hauptsächlich den jaarländischen Markt, teilweise aber auch Elsaß- Lothringen .

Die leistungsfähigere und dem Saargebiet benachbarte Grenzen, um mit ihren Waren sich auf den saarländischen Markt zu stürzen. Damit würde auch der saar­ländischen Schuhindustrie die Existenz möglich feit genommen und die dreitausend Arbeiter, die in der Schuhindustrie beschäftigt sind, würden nach und nach brotlos werden.

Pirmasenser Schuhinduſtrie lauert nur auf die Deffnung der

Wer also die im saarländischen Bekleidungs- und Schuh­gewerbe beschäftigten Arbeiter vor dem Schrecken der Ar­beitslosigkeit bewahren, will, muß auch aus diesem Grunde dafür Sorge tragen, daß die Rückgliederung an das dritte Reich" verhütet wird.

Dieser Staat schuf eine Verfassung, in der fogar, im in der Sprache Bürckels zu bleiben, der Separatismus von Preußen, Bayern usw. durch freie Volksabstimmung mög

fassung von Weimar . Wenn in einem solchen Staatsmesen bewaffnete Horden, wie dies übrigens von Banden Hitlers im November 1923 geschehen ist, sich gegen die Verfassung erheben, zumal unter dem Schutze feindlicher Besatzung, so sind sie in der Tat Separatisten" und verdienen die Ver­achtung jedes deutschen Politifers.

Zwischen damals und jetzt liegt ein gewaltiger für jeden sichtbarer Unterschied. Nun herricht im Reiche ein Partei­flüngel, nach unserer und der Meinung von vielen Mil­lionen guten Deutschen verfassungswidrig und verfassungs­brüchig, der jede andere Ueberzeugung unterdrückt, jede freie politische Betätigung, sie sei in einer Form wie immer, niedergefnüppelt. Unter Betrug und Gewalt ist ein Staat aufgerichtet ohne alle staatsbürgerlichen Rechte, ohne Pressefreiheit, ohne Versammlungsfreiheit, ohne Koalitions­freiheit, ohne jede Mitbestimmung des Volkes.

Die Machthaber dieses Staates haben sich durch ihre Taten japariert von allen guten Traditionen der deutschen Kultur.

Die freien Deutschen an der Saar weigern sich, diesem Ber brechen an Deutschland , das in der ganzen Kulturwelt als eine Schmach und eine Schande empfunden wird, zu fügen. Für diese freien Deutschen an der Saar ist Deutschland mehr als ein geografischer und völkerrechtlicher Begriff. Vom deutschen Volkstum und seinem unsterblichen Geiste wollen, werden, fönnen wir uns nicht trennen. Wir sind ge­willt, dem wirklichen Deutschland an der Siar eine Freistatt zu schaffen und von hier aus die Grundlagen des neuen kommenden Deutschland zu formen.

Das ist fein Separatismus, sondern ist die deutsch : sozialistische Idee, die sich gegen die jetzt im Reiche beri­schende undeutsche Barbaret durchsetzen muß und wird.

Erst im Februar?

Die Saarentscheidung in Genf

Genf , 10. Januar. Wir das gewöhnlich aus Völkerbundskreisen gut infor­mierte Journal des Nations" heute morgen wissen will, soll die außerordentliche Ratstagung, welche am 11. Januar beginnt, noch keine endgültige Entscheidung des Völkerbundsrates über die zufünftige Staats­zugehörigkeit des Saargebietes auf Grund des Abstim­mungsergebnisses bringen, sondern diese Entscheidung werde erst auf einer außenordentlichen Ratstagung im Februar fallen.

Die Volksabstimmung im Saargebiet

Links:

Eine der eisernen Urnen

Rechts:

Ein Abstimmungsberechtigter kreuzt in der Zelle den

Stimmzettel an