Kritische
Bis Mittag alles ruhig
Am Freitagvormittag liefen ununterbrochen Züge mit Abstimmungsberechtigten aus dem Reiche ein. Aber welch ein verwandeltes Bild im näheren und im weiteren Umfreis des Bahnhofs im Gegensatz zu den letzten Tagen! Wir zählten mehr als 100 Landjäger zu Fuß und zu Pferde, die im Verein mit blauer Polizei überall strenge Absperrmaßnahmen durchführte. Es gab Seine Ansammlungen mehr, feinen Gesang, kein Geschret. Ruhig zogen die Ankommenden in losen Gruppen mit ihren Koffern und Päckchen vom Bahnhof zu ihren Sammelorten und Quartieren, leber nacht wurden sehr weitgehende Befehle von höchster Stelle erteilt, die, soweit wir es bis in die Mittagsstunden hinein beobachten konnten, überall mit Schärfe durchgeführt wurden. Nicht einmal die Angehörigen der Ankommenden wurden zum Bahnhof zugelassen.
Aber merkwürdigerweise ließ die Polizei die teilweise in geschlossenen Kolonnen ausmarschierenden Leute des sogenannten Ordnungsdienstes der„ deutschen Front" auf marschieren. Sie werden anscheinend von den Autoritäten des Saargebiets offiziell und feierlich als eine Art von Hilfspolizei anerkannt. Mit großen Tafeln standen sie in den Nebenstraßen, auf denen die Ankommenden ange: wiesen wurden, wohin sie sich zu begeben hätten. Sie grüßten die uniformierten Polizisten wie ihres gleichen. Ab zwei Uhr werden die Ordnungsleute der Einheitsfront aufmarschieren. Sie werden gewiß das gleiche Entgegenkommen bei der Polizei finden.... Jenseits der Sperre, auf der Bahnhofstraße vor allem, ging es freilich sehr lebhaft zu. Hier spürte man die fiebernde Unruhe der Bevölkerung, Gruppen von Schwarzmützen bahnten sich ihren Weg. Aber niemand wagte eine Demonstration: teils aus Respekt vor der von fremden Offizieren befehligten Polizei, teils, weil sie spürten, daß die sehr zahlreich vertretene Einheitsfront sich keine Provotation mehr bieten lassen wollte. Ueber dem Brausen der Großstadt lag eine seltsame, von Spannungen geladene Unruhe...
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und des Lands
Kriegspfad knechts. Weil wir Arbeitsmöglichkeiten und Brot behalten wollen, die im Reich täglich mehr schwinden, trotz der gegenteiligen Versicherung der bezahlten Agitatoren. Weil wir nicht Lumpen weichen wollen, die als alte Nazis ihren Arbeitsbrüdern die Plätze wegnehmen.
Weil wir die Versicherungs- und die übrige soziale Gesetzgebung nicht abbauen lassen wollen.
Weil wir deutsche Kultur nicht vertauschen wollen gegen Barbarei, nicht die menschheitlichen Jdeale der größten Deutschen verleugnen und verhöhnen lassen wollen.
Weil wir die Gesinnungslosigkeit des amtlich patentierten deutschen " Schrifttums soweit an uns von der Saar fernhalten wollen. Desgleichen jenes Antichristentum, das ber Kirche des Menschenfreundes Jesus aufgenötigt werden soll.
Weil wir von diesem letzten Stück von der Gewaltherrschaft verschonter deutscher Erde aus den Kampf um ganz Deutschlands Befreiung und Wiederherstellung seiner Ehre vor der Welt führen müssen und werden.
Weil wir nicht Untertanen werden wollen derer, die wegen des Reichstagsbrandes und ähnlicher, von ihnen befohlener Verbrechen, statt zu herrschen vor ein Volks gericht gehören.
Mitbürger! Deutsche ! Männer und Frauen der Arbeit! Laßt euch nicht verwirren und in die Knechtschaft treiben von der„ deutschen Front"! Werft die geistigen Fesseln ab! Zeigt, daß euch Bolkstum mehr ist als die. ,, Stimme des Blutes"! Sollen die Toten des Krieges für Hitler deutschland gefallen sein? Erhaltet Deutschland fich selbst, erhaltet es sich hier für eine schönere Zukunft! Laßt das„ Nein" der Saar zu der ihr heute vorgeschlagenen Rückgliederung millionenfach durch Deutsch land rollen und ein Echo wecken! Dies unsre Losung: " Frei die Saar im freien Deutschland !" Deshalb und solange Status quo!
Einer für viele.
G'änzende Volksbund- Kundgebung In Saarbrüden Burbach hat gestern die letzte öffentliche Verfammlung des Deutschen Volksbundes für christlich- soziale Gemeinschaft" stattgefunden. Die Anhänger der neuen katholischen Bewegung haben es fich nicht nehmen lassen, zur Versammlung zu eilen, um ihre Führer zu hören. Der Terror der deutschen Front" hat es nicht verhindern fönnen, daß an der Bersammlung über 2000 Per: fonen teilgenommen hatten, die den Hauptredner Hein rich Imbusch stürmisch begrüßt haben. Obwohl Imbusch von seinen Verwundungen noch nicht ganz genesen ist, entSchloß er sich, ungeachtet des Aerzteverbotes, zu sprechen. Imbusch rechnete mit den Nationalsozialisten aufs schärffte ab. Er befaßte fich vor allem mit dem Begrifi Pandesverrat" und erklärte, daß es gerade für die National= fozialisten nicht angebracht sei, Andersdenkende als Landesverräter zu bezeichnen, wo doch die Hitlerpartei in den vergangenen Jahren wiederholt Landesverrat betrieben hat. So erinnerte er beispielsweise an die Haltung der NSDAP . im Ruhrkampf im Jahre 1923, als die Nazis nichts besseres zu tun hatten, als der fämpfenden Reichsregierung mit dem Münchener Butich treulos in den Nücken zu fallen. Imbusch erinnerte auch an die Lauenburger Rede Sitlers, der, obwohl er damals nicht einmal deutscher Staatsangehöriger war, es wagte, öffentlich zu sagen, daß die NSDAP . im Falle eines Konfliktes mit Polen zunächst die Reichsregieruna stürzen und damit einen Bürgertriea entfachen würde.
Zum Schluß feiner interesanten Ausführungen erflärt
inbusch, daß am 18. Januar an der Saar der Grundfein zu einem neuen Deutschland gelegt werde, das wieder ein Deutschland der Freiheit, der Wahrheit und des Rechts fein würde
Nach Imbusch hielten rib suhnen und Johann Hoffmann mit größtem Beifall aufgenommene AnSprachen, wobei Hoffmann die sensationelle Enthüllung machte, daß am Tage vor der Abstimmung die Braunen mit einer gefälschten herauskommen gefälschten Saar- Post" werden
"
Der glänzende Verlauf der Versammlung zeigte, daß ein Teil der fatholischen Bevölkerung des Saargebietes hinter dem„ Volksbund" steht und gegen Hitler stimmen wird.
Fortseßung von Seite 1
Das Alibi der ,, deutschen Front"
Wie antwortet darauf die„ deutsche Front"? Ihr stellver= tretender Landesleiter Nietmann erläßt Aufrufe, die in dem Jargon, den jeder SA- und S- Mann tennt, zu verstärkten Disziplinbrüchen und Terroraften auffordern. Die deutsche Front" und ihr Nietmann wollen sich nur ein Alibi verschaffen.
Mit keinem Wort werden die Demonstranten und Terroristen der„ deutschen Front" gerügt. Zwar kann man an gesichts der Fälle von Tatsachen nicht mehr ablengnen, wie es noch bis vor einigen Tagen geschehen ist, daß im Saar : gebiet der Terror gegen die Volksfront wütet. Also ergänzt man den Terror durch verlogene, sagen wir deutlich: schuftige Aufrufe, wie wir sie aus den Februar- und Märztagen des Jahres 1933 zu hunderten ans Deutschland kennen. Vom Minister bis zum letzten Amtswalter wurden sie damals erlassen:
Provokatenre find am Werk," hieß es damals wie jetzt. Bolschewiftischer Aufstand droht- Kommunisten und So: zialdemokraten haben den Reichstag in Brand gesteckt als Fanal des Aufstandes Verkleidete Kommunisten zerstören die Wohnungen und mißhandeln Marristen Provofateure
schänden unsere große deutsche Revolution", und wie sonst noch die Herren Goebebls, Göring und Konsorten damals logen.
Die A. und die e, verstand: wir haben unser Alibi! Wir können foltern, stehlen, rauben, plün= dern, brennen, schänden, morden, Uniere Regierung und unsere Parteiführung beschuldigt nicht uns, sondern die Kommunisten und Sozial: demokraten. Auf die acht die sak, und wir werden unter allen Umständen für alle Taten in Schuk genommen. Sinterher fommt auf alle Fälle die Amnestie. Keinem von uns wird ein baar gekrümmt. Straf: frei los auf die marristischen Untermenschen"!
Van der Lubbe und verkleidete ,, Marxisten"
So, auf das Signal von oben„ Provofateure am Werk", ging die blutige Terrorwelle im Vorfrühling 1933 über Deutschland hinweg. Auf dem Schlachtfeld blieben hundert
tausendfach die Zerstörungen nud die verwundeten und ge
töteten Opfer" von verkleideten Marristen."
Und alle, alle Nazibanditen wurden amnestiert. Ihre blu: tenden Opfer wurden in die Gefängnisse geworfen, ihre Frauen und Kinder um Geld und Gut bestohlen und ver: jagt. Die schuldigen Banditen gingen nicht nur straflos aus, sie kamen in hohe Staatsstellen, wurden Polizeichefs. Landräte, Regierungs- und Oberpräsidenten, um von noch höheren Staatsämtern aus naheliegenden Gründen zu schweigen.
Das wissen die Kreisleiter, Ortsgruppenleiter, Sektionsleiter, Rellenwarte und Blodwarte, das weiß ihre SA. und ihre S. auch im Saargebiet. Sie fennt den Nietmann und versteht seine Aufrufe au lesen, wie sie den Göring und den Goebebla fennt und deren Parolen gegen die Kommune". Die neuesten Aufrufe der deutschen Front" bedenten flar und eindentia: Drauf mit Terror auf die Untermenschen"! Gebt uns mit Gewalttaten die Möglichkeit, die Volksfront, die Sozialdemokraten und die Kommunisten zu beschuldigen.
3erstört ihre Einrichtungen. Wir werden schwören, daß es bolichewistische Provoka tionsstüde waren. Mikhandelt die marrifti. schen Funktionäre, wir werden die Hand zum Schwure dafür heben, daß sie von ihren eigenen empörten Anhängern wiedergeschla gen worden sind.
Sagen da ahnungslose Ausländer, wir übertrieben? Miß= traut die Regierungs- und die Abstimmungstommission diesen schweren Anklagen gegen die deutiche Front"? Hát man sch vergessen, wie die Nietmann und Kumpanei, ihre Presse und der hitlerdeutsche Rundfunk über den Mordanichlag auf Imbusch berichteten?: Auf ihre Führer erbitterte Status quo- Anhänger haben die Imbusch Versammlung aciprengt und den fatholischen Arbeiterführer blutig ge= schlagen."
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Regierungsautorität oder Rollkommandos?
Der stellvertretende Landesleiter der deutschen rout" glieder der„ deutschen Front" gelangen und auch strikte be= verlangt, daß seine Anordnungen zur Kenntnis aller Mit= obachtet mden. Das wird geschehen, Die philiströsen und spießbürgerlichen Elemente der deutschen Front", alle, die an Gut und Ansehen etwas zu verlieren haben, alle hono: rigen Mitglieder werden sich zurückhalten. Dafür wird den importierten und den einheimischen Rollkommandos die Bahn freigegeben.
Der hitlerdeutsche Terror- Aufruf ist da. Der Wille, vollzogene Tatsachen zu schaffen, ist sichtbar. Die Rachezüge und die„ Voltsinftiz" gegen marristische Funktionäre find protla miert. Das Saaraebiet steht vor der Gefahr blutiger Erein: tionen Höchste Alarmstufe ist für die Volksfront geboten!
In Stunden muß sich entscheiden, ob der Völkerbund vor dem nationalsozialistischen Teror und seiner Regierung in Berlin tapitulieren oder im letzten Augenblick eine Regie: rungsautorität im Saargebiet aufrichten will, die auch den Nationalsozialisten imponiert, und die fürchten nur die überlegene, harte Gewalt.
Das Stichwort
Verleugnet eure Mitgliedschaft der ,, deutschen Front"
Durch den deutschen Rundfunk wurden am Donnerstagabend 18 Gebote für abstimmungsberechtigte Mitglieder der„ deutschen Front" bekanntgegeben.
Im 5. Gebot heißt es: Laß auch Deine Mitgliedskarte der deutschen Front" zu Hause!"
Das ist die volle Bestätigung unserer Auslegung des Nietmannichen Terror- Aufrufes. Steiner, der sich an Demonstrationen und Gewalttätigfetten betelligt, soll als Mitglied der deutschen Front" erfannt werden. Man will ihn als„ Provokateur", als Marristen öffentlich abschütteln fönnen, um ihm hinter den Kulissen um so dankbarer zu sein. Die Auszeichnung und Beförderung wird später folgen.
Halbamtlich wird gemeldet:
Der englische Botschafter Sir Eric Phipps hat hente den Reichsminister des Auswärtigen , Freiherr v. Neu rath , aufgesucht und angeregt, daß Deutschland als. Ratsmitglied an der bevorstehenden außerordentlichen Ratstagung des Völkerbundes teilnehme, auf der die Entschließungen über das Saargebiet auf Grund der Er: gebnisse der Abstimmung gefaßt werden sollen.
Der Reichsminister hat den Botschafter wissen lassen, daß die Reichsregierung, nachdem sie ihren Austritt aus dem Völkerbund erklärt habe, sich aus grundsäglichen Erwägungen nicht in der Lage sähe, dieser Anregung Folge zu geben.
Gleichzeitig wurde der englische Botschafter darauf hin
gewiesen, daß Nachrichten hier vorlägen, wonach die end:
gültige Entscheidung über das Schicksal des Saargebiets erft in einer späteren Ratstagung erfolgen sollte, daß aber nach Auffassung der Reichsregierung ernste Be denken dagegen bestünden, die Entscheidung über das Schicksal des Saargebiets hinauszuzögern, da es insbe: sondere für die saarländische Wirtschaft schwerwiegende Schädigungen mit sich brächte, wenn der ungesunde Zwischenzustand mit all seinen Unsicherheitsfaktoren über das Maß des dringend Notwendigen hinang verlängert würde.
Hitlerdeutschland stellt also seine Prestige- und Rüstungspolitik über die Interessen des Saargebietes. Es lehnt brüst die Mitwirkung im Völkerbundsrat ab, obwohl es nach den Satzungen trotz seiner Austrittserklärung dem Völkerbund noch bis Ende dieses Jahres angehört Ueber das Schicksal der Saar wird also nach der Abstimmung ohne
An die
Arbeitersportler des Saargebiets!
Die SASI. grüßt Euch und fordert Euch auf, noch bis in die letzten Tage alles zu tun, um dem Gedanken des Status quo zu dienen. Der Standpunkt der Arbeiter= sportler des Saargebietes ist selbstverständlich schärffter Kampf gegen Hitler . Gebt dem Verräter seiner eigenen Partei, dem gewalttätigen Fronvoat der Deutschen , dem willfährigen Knecht Schachts und der deutschen Schwerindustrie bei der Abstimmung die gebührende Antwort. Für ein freies Deutschland jederzeit, nicht aber für das
Mitwirtung Hitlerdeutschlands entschieden werden. Das Saarvolk muß daraus die Folgerung ziehen: Hitlerdentsch land gibt uns preis! Stimmen wir für Status quo! Sichern wir dadurch Freiheit und Wohlfahrt des Saargebiets, bis im Reiche wieder eine Regierung besteht, die aus Deutschland einen Rechtsstaat macht und ihn auch völkerrechtlich in die Reihe der Zivilisation zurückführt.
In die hitlerdeutsche Politik paßt ganz die Forderung an den Völkerbund zu überstürzten Beschlüssen und die Trohung mit den„ Unsicherheitsfaktoren" im Saargebiet. Wenn der Reichsregierung um eine baldige Erledigung der Saarfrage zu tun wären, müßte sie in Genf mitarbeiten. Sie zieht es aber vor, ihre„ Unsicherheitsfaktoren" an der Saar wirken zu lassen.
Wie zu erwarten war Die Aufnahme in London London
, den 11. Januar 1985. Die Demarche in Berlin ist im Einverständnis mit Paris und Nom erfolgt. Die Ablehnung Deutschlands hat in amtlichen Kreisen nur geringe Ueberraschung hervorgerufen. Wenn es auch bedauerlich sei, so wird hier erklärt, daß Deutschland es nicht für nötig hält, an den Beratungen über das Saargebiet teilzunehmen, so sei es nichts desto= weniger wünschenswert gewesen, daß England eine solche Demarche unternommen hat. Die Schuld an ihrem Mißerfolg liege nicht bei der Londoner Regierung.
Man ist jedoch der Ansicht, daß dieser Mangel an Entgegenkommen weit davon entfernt ist, die Wiederaufnahme der Abrüstungsverhandlungen zu erleichtern
blutbefleckte Zuchthaus und die Kaserne des verbrecherischen Nationalsozialismus..
Arbeitersportler der SAJ, bietet in den letzten Tagen noch alles auf, um den Verrat Hitlers an der deutschen Arbeiterklasse und am deutschen Volle gebührend zu brandmarfen.
Frek sei die Saar , immerdar! Das bedeutet Einsetzen aller Kräfte für den Status quo. Zurüd zu Deutschland erst dann, wenn die Mörder und Brandstifter. die. Vernichter der Freiheit Teutichlands den wohlverdienten Vohn für ihre Schandtaten erhalten haben.
Alles für die Freiheit des Saargebietes! Nieder mit dem verräterischen Hitlerregime!