Sonntag-Montag, 13. n.<4. lag.
Völker in Sturmzeiten im Spiegel der Erinnerung- im Geiste des Sehers
Der Freiheitskämpfer Ludwig Börne Aus seinen„Pariser Briefen“ vor hundert Jahren Zu den großen Freiheitskämpfern des 19. Jahrhunderts gehört Ludwig Börne . Liest man in seinen Schriften, so begreift man nicht, weshalb er heute zu den Halbvergessenen gehört. In seinem Bekenntnis zu der Menschheit ewigen Dingen lodert da» Feuer des Gerechtigkeitswillens— in einem Stile, an dem sich in den vierziger und fünfziger Jahren eine Generation von Journalisten schulte. Es fehlte ihm die Skepsis und die Ironie seines Zeitgenossen Heinrich Heine . Dafür konnte er das lieble und Rückständige noch viel tiefe, bassen, das Gute und das Echte noch viel starker lieben als er. Börnes„Pariser Briefe** wurden vom September 1830 bis Mai 1833 geschrieben. Er war nach Paris in de» Monaten nach der Juli-Bevolution gekommen. Der Nachhall dieser Kämpfe ist in seinen Briefen noch ganz lebendig. Darüber hinaus sind wir auch heute noch gefesselt von der Darstellungskraft eines Menschen und Charakters, dem Kunst nur als Mittel zum Zweck galt: Zum Kampf für Freiheit und Wahrhaftigkeit.
Talleyrand Paris, Donnerstag, den 24. Februar 1831. Unter allen Figuren waren nur drei, die mich anzogen. Napoleons Schwester, damals Großherzogin von Berg, später Königin von Neapel. Sie sieht ihrem Bruder ganz un- gemein ähnlich, nur sind ihre Züge edler und zeigen den schönen Stolz des Sieges, den man in den Zügen des Kaisers vergeben» sucht. Dann: der Papst. Er sitzt so bedeutend abgespannt und duldend in seinem Sessel, wie eine gläubige und kränkliche Seele, die Gott nicht bloß anbetet in dem, was er tut, sondern auch in dem, was er nicht tut, geschehen läßt. Endlich Talleyrand . Ich habe ihn nie gesehen, nicht einmal gemalt. Ein Gesicht von Bronze, eine Marmorplatte, auf der mit eisernen Buchstaben die Notwendigkeit geschrieben ist. Ich habe nie begreifen können, wie noch alle Menschen aller Zeiten so diesen Mann verkannt! Daß sie ihn gelästert, ist schön, aber schwach; tugendhaft, aber unverständig; es macht der Menschheit Ehre, aber nicht den Menschen., Man hat Talleyrand vorgeworfen, er habe nach und nach alle Parteien, alle Regierungen verraten. Es ist wahr, er ging von Ludwig XVI. zur Republik, von dieser zum Direktorium, von diesem zum Konsulat, von diesem zu Napoleon , von diesem zu den Bourbonen, von diesen zu Orleans über, und es könnte wohl noch kommen, ehe er stirbt, daß er wieder von Louis Philipp zur Republik überginge. Aber verraten hat er diese alle nicht, er hat sie nur verlassen, als sie tot waren. Er saß am Krankenbett jeder Zeit, jeder Regierung, hatte immer die Finger auf dem Pulse, und merkte es zuerst, wenn ihr das Herz ausgeschlagen. Dann eilte er vom Toten zum Erben; die andern aber dienten noch eine kurze Zeit der Leiche fort. Ist Jas Verrat? Ist Talleyrand darum schlechter, weil er klüger ist als andere, weil er fester, und sich der Notwendigkeit unterwirft? Die Treue der andern währte auch nicht länger, nur ihre Täuschung währte länger. Auf Talleyrand » Stimme habe ich immer gehorcht, wie auf die Entscheidung des Schicksals. Ich erinnere mich noch, wie ich erschreck, als nach der Rückkehr Napoleons von Elba Talleyrand Lud wig XVIII treu geblieben. Das verkündigte mir Napoleons Untergang. Ich freute mich, als er sich für Orleans erklärte; ich sah daraus, daß die Bourbons geendet. Ich möchte diesen Mann in meinem Zimmer haben; ich stellte ihn mit einem Barometer an die Wand, und ohne eine Zeitung zu lesen, ohne das Fenster zu öffnen, wollte ich jeden Tag wissen, welche Witterung in der Welt ist. Lafayette Talleyrand. und Lafayette sind die zwei größten Charaktere der französischen Revolution, jeder an seiner Stelle. Auch Lafayette weiß Sein vom Schein, Leben vom Tode zu unterscheiden; aber jedes Grab war ihm eine Wiege, und er verließ die Gestorbenen nicht. Er glaubt an eine Fortdauer nach dem Tode, an eine Seelenwanderung der Freiheit; Talleyrand glaubt nur, was er weiß. Wäre nur Napo leon wie Talleyrand gewesen! Da er nur der Zeit zu dienen brauchte, keinem Menschen, weil er selbst der Höchste war: hätte er mit besserer Einsicht sich selbst besser gedient, er wäre noch auf dem Throne der Welt. Was habe ich dem Kaiser nicht alles gesagt! Heine hätte cs hören sollen. Ich wdr allein im Saale, und stellte mich mit verschränkten Armen vor ihn hin, wie er es zu tun pflegte. Ich wollte ihn damit verspotten, und— Narr habe ich ihn geheißen! Ich hätte ihn Bösewicht nennen können, aber das hätte ihn nicht beleidigt. Nein, nie verzeihe ich dem Manne, was er sich selbst getan, wollte ich ihm auch verzeihen, was er der Welt getan. Sich mit der Gemeinheit zu besudeln, und sich aus Eitelkeit mit Schmutz zu bedecken, um sich einen Schein von abgenutztem Alter zu geben! Er hat die Freiheit nm ihre schönsten Jahre gebracht, er hat sie nm ihre Jugend betrogen, und jetzt muß sie mit grauen Haaren noch auf der Schulbank sitzen, und erst lernen, was sie längst könnte vergessen haben. Ehe ich ging, lachte ich ihm noch einmal freundlich zu. Für die Dummheit, die dn andere begehen machtest, will ich dir deine eigene verzeihen. Du warst der starke eiserne Reif, der die Faßdauben der Welt zusammengehalten. Und die Narren-Fürsten haben dich zerschlagen, und gleich hat der gärende Wein das Faß auseinandergesprengt, und schweres Holz ist an bohle Schädel gefahren! Das war schön. Medor Von Napoleons Krönung weg ging ich zu einem andern Schauspiel, das meinem Herzen wohler tat. Ich besuchte den edlen Medor. Wenn man auf dieser Erde die Tugend mit Würden belohnte, dann wäre Medor der Kaiser der Hunde. Vernehmen Sie seine Geschichte. Nach der Bestürmung des Louvre im Juli begrub man auf dem freien Platze vor dem Palaste, auf der Seite, wo die herrlichen Säulen stehen, die in der Schlacht gebliebenen Bürger. Als man die Leichen auf Karren legte, um sie zu Grabe zu führen, sprang ein Hund mit herzzerreißendem Jammer auf einen der Wagen und von dort in die große Grube, in die man die loten warf. Nur mit Mühe konnte man ihn herausholen; ihn hätte ' dort der’ hineingeschüttete Kalk' verbrannt, noch ehe ihn die Erde bedeckt. Das war der Hund, den das Volk nach- her Medor nannte. Während der Schlacht stand er seinem
Herrn immer zur Seite, er wurde selbst verwundet. Seit dem Tode seines Herrn verließ er die Gräber nicht mehr, umjammerte Tag und Nacht die hölzerne Wand, welche den engen Kirchhof einschloß oder lief heulend am Louvre hin und her. Keiner achtete auf Medor, denn keiner kannte ihn und erriet seinen Schmerz. Sein Herr war wohl ein Fremder, der in jenen Tagen erst nach Paris gekommen, hatte unbemerkt für die Freiheit seine» Vaterlandes gekämpft und geblutet, und war ohne Namen begraben worden. Erst nach einigen Wochen ward man aufmerksam auf Medor. Er war abgemagert bis zum Gerippe und mit eiternden Wunden bedeckt. Man gab ihm Nahrung, er nahm sie lange nicht. Endlich gelang es dem beharrlichen Mitleid einer guten Bürgersfrau, Medors Gram zu lindern, sie nahm ihn zu sich, verband und heilte seine Wunden, und stärkte ihn wieder. Medor ist ruhiger geworden, aber sein Herz liegt im Grabe bei seinem Herrn, wohin ihn seine Pflegerin nach seiner Wiederherstellung geführt, und das er seit sieben Monaten nicht verlassen. Schon mehrere Male wurde er von habsüchtigen Menschen an reiche Freunde von Seltenheiten verkauft; einmal wurde er dreißig Stunden weit von Paris weggeführt; aber er kehrte immer wieder zurück. Man sieht Medor oft ein kleines Stück Leinwand aus der Erde scharren, sich freuen, wenn er es gefunden, und dann es wieder traurig in die Erde legen und bedecken. Wahrscheinlich ist es ein Stück von dem Hemd seines Herrn. Gibt man ihm ein Stück Brot, Kuchen, verscharrt er es in der Erde, als wollte er seinen Freund im Grab damit speisen, holt es dann wieder heraus, und das sieht man ihn mehrere Male im Tage wiederholen. In den ersten Monaten nahm die Wache von der Nationalgarde beim Louvre jede Nacht den Medor zu sich in die Wachstube. Später ließ sie ihm auf dem Grabe selbst eine Hütte hinsetzen, und folgende Verse darauf schreiben, die besser gemeint als ausgeführt sind: Depuis le jour qu'il a perdu son maitre, Pour lui la vie est un pesant fardeau; Par son instinct il croit le voir paraitre; Ab! pauvre ami, ce u est plus qu'ün tombeau. Medor hat schon seinen Plutarch gefunden, seine Rhapsoden und Maler. Als ich auf den Platz vor dem Louvre kam, wurde mir Medors Lebensbeschreibung, Lieder auf seine Taten und sein Bild feil geboten. Für zehn Sous kaufte ich Medors ganze Unsterblichkeit. Der kleine Friedhof war mit einer breiten Maner von Menschen umgeben, Alle arme Leute aus dem Volke. Hier liegt ihr Stolz und ihre Freude begraben. Hier ist ihre Oper, ihr Ball, ihr Hof und ihre Kirche. Wer nahe genug herbei kommen konnte, Medor zu streicheln, der war glücklich. Auch ich drang mich endlich durch. Medor ist ein großer weißer Pudel, ich ließ mich herab, ihn zu liebkosen; aber er achtete nicht auf mich, mein Rock war zu gut. Aber nahte sich ihm ein Mann in der Weste, oder eine zerlumpte Frau und streichelte ihn, das erwiderte er freundlich. Medor weiß sehr wohl, wo er die wahren Freunde seines Herrn zu suchen. Ein junges Mädchen, ganz zerlumpt, trat zu ihm. An diesem sprang er hinauf, zerrte es, ließ nicht mehr von ihr. Er war so froh, es war ihm so bequem, er brauchte, um das arme Mädchen etwas zu fragen, es nicht wie eine vornehme geputzte Dame, sich erst niederlassend, am Rande de» Rockes zu fassen. An welchem Teile des Kleides er zerrte, war ein Lappen, der ihm in den Mund paßte. Das Kind war ganz stolz auf Medors Vertraulichkeit. Ich schlich mich fort, ich schämte mich meiner Tränen. Wenn ich ein Gott wäre, ich wollte viele Freuden unter die armen Geschöpfe der Weit verteilen; aber die erste wäre; ich weckte Medors Freund wieder auf. Armer Medor!... Könnte ich den treuen Medor nur einmal in die Deputiertenkammer locken! Hörte er dort die Verhandlungen dieser Tage, vernähme er, sein guter Herr hätte' nie ein Deputierter werden, weil er nicht 750 Franken Steuern bezahlt, er, der doch sein Blut dem Vaterlande gesteuert— wie würde er bellen, wie würde er dem jämmerlichen Dupin und den andern allen in die Beine fahren!— Börne im Kindertheater Freitag, den 25. Februar. Ich empfehle Ihnen das Buch: Theatre de Clara Gazul , Comedienne Espagnole, von Merimee . Der Verfasser hat sich nicht genannt. Er nimmt den Schein an, als wären die Komödien aus dem Spanischen übersetzt. Es sind eigentlich nur Skizzen und Szenen: aber mit großer Kunst werden durch wenige Striche ganze Charaktere gezeichnet und mit ein wenig Rot und Gelb die glühendsten spanischen Naturen treu gemalt. Man kann sich nichts Liebenswürdigeres denken. Der Verfasser hat eine unbeschreibliche Grazie, eine Phantasie gleich einer Lerche, wenn sie in der Abenddämmerung um grüne Kornfelder fröhliche Kreise zieht. Es sind Komödien, wild wie junge Mädchen, aber wie wohlerzogene; sie sind sittsam dabei und erröten leicht. Der Dichter hat, was die Deutschen Ironie nennen, und was ich noch bei keinem Franzosen gefunden. Seine Ironie ist wie die unsere, nur geflügelter. Und was in den Dichtungen fehlt, macht sie so schön als das, was sie besitzen; es sind reizende Nachlässigkeiten. Gestern habe ich Comtes Kindertheater besucht, oder wie es jetzt eigentlich heißt: Theatre» des jeunes Acteure. Es
ist lange nicht mehr so artig, als es vor mehreren Jahren war, da wir es gesehen. Die damaligen Kinder sind seitdem lange Jungen und Mädchen geworden, meisten» treten bejahrte Personen auf, und die wenigen Kinder spielen zu altklug. Micj) lockte eigentlich ein Stück, von dem man seit einiger Zeit viel gesprochen, ein buckliges Lustspiel. Es heißt: Mayeux ou* le bossu ä la mode. Mayeux ist eine Pariser Volkstradition von einem geistreichen Buckel, dem man alle möglichen guten Einfälle aufgebürdet! Ich weiß nicht, ob ein solcher Mayeux wirklich einmal gelebt, oder ob er bloß ein Geschöpf der Phantasie ist. Aber seit der letzten Revolution wurde dieser Mayeux wieder aus der Vergessenheit hervorgerufen, und man legte ihm in Liedern und Bildern die witzigsten Worte in den Mund. Das Vaudeville, von welchem hier die Rede, ist mit Geist und Laune geschrieben; auch haben nicht weniger als drei dramatische Dichter daran gearbeitet. Mayeux ist ein kleiner verwachsener Kerl, voll scharfer doch gutmütiger Laune, der im Juli mitgefochten, und trotz seiner verkrüppelten Gestalt als Grenadier unter der Nationalgarde dient. Es gehört nun viel Feinheit und Gewandtheit dazu, diesen Charakter und diese Mißgestalt so zu behandeln, daß er Lachen erregt, ohne sich lächerlich zu machen. Davor mußte man sich hüten; denn das wäre auf die Revolution und auf die Nationalgarde zurückgefallen. Den Verfassern ist es gelungen. Aber es wurde bei Comte gar zu schlecht gespielt, und ich konnte es nicht zu Ende sehen. Die Mißgestalt Mayeux» wurde so karikiert, daß sie widerlich wurde. Auch ein Buckel hat seine ästhetischen Regeln, die man nicht übertreten darf. Was mich in diesem Theater am meisten ergötzt, war der Jubel der hundert Kinder in ihren weißen Häubchen, und deren Mütter, und die tausend Küsse den ganzen Abend, und die unzähligen Stangen Gerstenzucker, die der Konditor junge absetzt. Aber wie kommt es, daß auch Kinder lachen, gleich den Erwachsenen, sie, denen doch alle» ernst und wahr erscheint, und die keinen Widerspruch und keinen Zufall unterscheiden?. Ich begreife das nicht. Es hat gewiß seine Erklärung; aber ich als Gelehrter darf das nicht vergessen haben.' Doch Sie, unwissende Freundin, müssen es wissen. Erklären Sie mir, warum Kinder lachen? Krieg! Krieg! — Bald wird das Eis überall brechen, nach und nach, und es wird eine tolle Wirtschaft geben. Ich sehe es für ein Glück an, daß jetzt eine so feindliche Spannung zwischen der französisichen Kammer und der Regierung eingetreten ist, daß ein gefährliches Mißbehagen sich im ganzen Lande zeigt; denn Frankreich kann nur durch einen Krieg von innerem Verderben gerettet werden. Es mögen entscheidende Dinge sich bereiten., Die englischen Blätter, die nicht bloßvernünftig über die Sache sprechen— heute müßte einer dumm sein, der nicht vernünftig wäre— sondern auch kalt, weil sie der Krieg unmittelbar nichts angeht, sagen, der Krieg wHre unvermeidlich. Die zwei Prinzipien, welche die Welt beherrschen, Freiheit und Tyrannei, ständen sich feindlich einander gegenüber, und an eine, friedliche Ausgleichung wäre nicht zu denken; denn nie würden absolute Fürsten ihren Völkern gutwillig liberale Institutionen geben. Und so ist es. Tausendjährige Leidenschaften, Vorurteile von so alten und tiefen Wurzeln, zerstört man nicht so leicht, nicht einmal dann, wenn selbst die, die sie haben, von ihnen befreit sein möchten. Der Mensch ist nicht frei, auch der beste nicht. Er kann alles lernen wollen, aber nichts vergessen, und so lange Kopf und Herz vom alten besetzt sind, findet das Neue keinen Platz. Darum Krieg!— Der Pariser Kleinbürger Paris , Donnerstag, den 3. März 1831. Die Romane des Paul de Kock , die man Ihnen empfohlen und von welchen Sie mir neulich geschrieben, habe ich seitdem kennen gelernt-. Ein prächtiger Mann! Trotz der vielen Sorgen und Mühen, die mir jetzt Europa macht, habe ich in vier Tagen, in meinen kurzen Friedensstunden, acht von seinen fünfzig Bänden gelesen. Aber das ist genug für uns beide. Nur in Paris kann man Kocks Romane mit Lntt lesen, draußen verlieren sie ihren Wert. Mir haben sie viel Freude gemacht. Man lernt darin die Sitten der Pariser Kleinbürger kennen, mit welchen ein Femder, so wenig als die eingeborenen Pariser der bohren Stände selbst, im Leben in gar keine Berührung kommt. Wenn Jouy in seinem Ermite de la Chaussee-d’Antin Szenen aus der Pariser kleinen Welt schildert, scheint er dabei so weit hergekommen, holt er dabei so weit aus. als beschriebe er Sitten und Gebräuche der Hottentotten. Eine ganze Reisebeschreibung schickt er voraus, erzählt, wie er in früher Jugend— Jugend hat keine Tugend— aus Uebermut. und Zufall in das ferne wilde Land geraten; kurz, gibt sich die größte Mühe zu erklären und zu entschuldigen, daß er. ein feiner Mann der großen Welt, einige Male ein grobes Bürgerhaus besucht. In Paris sind die Straßen Provinzen, und man Icrqt viel Geographie und Statistik aus Kocks Romanen. Es gehen an uns vorüber: un riche passementier de la rue St. Martin— un riche epicier de la rue aux ours— un tabletier de la rue St. Denis— un parfumeur de la rue St. Avoie— mit Weibern , Töchtern, Kindermädchen, Kommis. Und ihre Sonntagspartien auf das Land und ihre Hochzeiten, ihre Galanterien, ihre Intrigen. Die Liebe spielt natürlich eine Hauptrolle wie in allen Romanen. Aber es ist keine deutsche Liebe, keine Liebe unseres Lafontaine, die noch heißer ist als der Kochbrunneu zu Wiesbaden ; sondern es ist eine angenehme warme Liebe, welche die natürliche Blutwärme des Herzens nie übersteigt. Monsieur Paul de Kock sagt:„e'est une bien jolie chose d’aimer et d’etre aime“—— dabei kann man sich nicht verbrennen. Und Philosophie hat er auch, Leben» Philosophie, bürgerlich zubereitet. Man kann von ihm lernen- So sagt er einmal, die Ehren wärmen tausendmal besser und schöner als sie sind, wenn nicht Mann und Frau einen großen Teil des Tages in so nachlässiger Kleidung vor einander erschienen. (Fortsetzung folgt)