Kurt Hiller stellt uns dieses Kapitel seiner in der ., Neuen Weltbühne" in Prag erscheinenden SchutzhaftErinnerungen zum Abdruck zur Verfügung:
Mit drei oder vier anderen werde ich auf einen Flizer verladen; wir müssen uns getrennt seßen und alle rückwärts, Difenbar, um nicht zu sehen, wohin die Reise geht. Nach einer fleinen Viertelstunde, etwa um acht Uhr abends, halten wir auf den Hof eines jener halb fasernen halb zuchthaushaiten Backsteingebäude, die der Gegend am Rande des Tempelhofer Feldes ihr unerfreuliches Gepräge geben. Sollte das die berüchtigte SA- Höhle in der General- PapeStraße sein? Der Fahrt nach kaum; auch herrscht hier die SS. Also ein Haus, das ich nicht kenne.( Bald sollte sich herausstellen, daß die Oeffentlichkeit es gleichfalls nicht fenut und daß man seine Existenz aufs strengste geheim hält.)
Die Begrüßung
Wir müssen uns in einem engen hawwunflen Gang nebeneinander auffellen, alles, was wir bei uns haben, vor uns niederlegen, in den Hut oder die Müße: Brieftasche, uhr, Messer, Bleistifte, Portemonnaie, sogar den Ring vom Finger, Krawatte und Kragen, das Taschentuch, den Hosengurt, die Schnürsenkel. Vor jeden von uns fritt ein SS. Kerl, dicht, fast Nase an Nase. Ich schaue mir meinen an, leicht analysierend; er brüllt, ich Schwein solle zu Boden sehn. Sein Nachbar, grinsend, wünscht mit ihm zu tauschen. Vor mich tritt ein riesiger Sportsterl. Promenadenmischung, höhnischer Blick, ipiße, etwas zu kleine Nase, unten rötlich. Er lacht mich an:" Solche weeche Neese, die lieb ich be= sonders" und schon habe ich vier, fünf Fausthiebe im Gesicht, mit voller Borkraft aus nächster Nähe, daß mir Schummrig vor Augen wird und das Blut in vollem Strome aus der Nase schießt. Man stößt mich in die Schreibstube, ich gebe die Sachen ab, die Personalien werden notiert. Dann jagt man mich mit Tritten in eine Belle. Ich falle blutbesudelt auf den Strohjack. Die Tür knallt zu.
Die Exekution
Noch ehe ich recht zur Besinnung fomme, holt man mich wieder heraus, hetzt mich in ein geräumigeres 3immer. Seine Wände sind mit Peitschen und Geißeln drapiert; die Mitte nimmt ein großer viereckiger blanfgescheuerter Tisch ein; rings um ihn, teils sibend, teils stehend, etwa zwanzig SS.- Leute, einer mit nacktem Oberkörper, muskelbepackt, wie der Henker auf Schundbildern. Die Gesichter der Männer: nicht höhnisch, meist ruhig gespannt, in Erwartung von Wesentlichem. Das Kommando führt ein dicklicher bierblonder Patron, Mitte dreißig, über den ich später erfahre, daß er Lipke( Lübke?) heißt. Ich muß mich über den Tisch legen; vier Kerle pressen mir die Hände an die Kanten und halten meine Füße fest. Hinter mich tritt der Entblößte mit riefiger Peitsche( ich sehe sie nicht, aber ein paar Tage später zeigt sie mir in meiner Zelle grinsend der Borer; sie ist zwei bis drei Meter lang und aus weich- breitent gelben Leder). Fünfundzwanzig Hiebe. Nach dem fünften, sechsten tanbe ich, das ist nicht überlebbar und beginne zu schreien. Das itachelt ite; höhnische Zuruse Nach dem vielleicht zwanzigsten brülle ich, ich würde ohnmächtig. Nach dem fünfundzwanzigsten fritt eine Pause ein. Ich falle hin; man reißt mich auf. Man befiehlt mir, Hose und Unterhose herunterzulassen, und ich muß mit dem Bauch abermals über den Tisch. Man umflammert mir die Gelenke, drückt meinen Kopf mit einer Wucht auf die gescheuerte Platte, als wäre er vorn felber platt, hebt mir das Hemd hoch, und nun folgen neue fünfundzwanzig. Durch die Gewohnheit und bei sich verminderndem Bewußtsein werden sie um den Schatten einer Spur weniger unerträglich als die ersten.
,, Blutverlust gering"
Nach der Exekution bin ich nicht viel lebendiger als eine Leiche. Auf der Tischplatte, wo mein Kopf lag, liegt eine große Lache Blut. Blutverlust gering!" spottet Lipfe. Dann fragt er mich:„ Na, ist dir einer abgegangen?" Die Frage verrät den Kerl; und die ganze Bande. Ich wanfe zum Waschraum," vielmehr werde gewankt. Man steckt mir den Kopf unter einen dicken Strahl. kalten Wassers: ais Veinigung gedacht, als Wohltat empfunden. Von Abtrocknen teine Rede. Man treibt mich im Laufschritt zur Belle; ein ungeheurer Fußtritt befördert mich hinein. Ich fliege an die der Tür gegenüberliegende Steinwand; auf der Stirn flafft eine Wunde; ich versinke in Schlaf.
So sieht der Anfang, so der Empfang aus; nicht nur bei mir. Alle Intelleftuellen werden so empfangen, alle Juden, die meisten Kommunisten und ein Teil der Sozialdemokraten. Ein Kamerad erzählte mir später, er habe nicht fünfzig, sondern hundertzehn Peitschenhiebe bekommen. Der Fall, daß Gefäßbacken fortoperiert werden mußten weil das zerwalkte Fleisch faulte, war nicht selten.
In der Zelle
Ich bin, zum Glück, nicht„ windelweich", sondern steinhart Beschlagen; das spannt und brennt. Ich fann taum liegen, Beschweige siten, am wenigsten auf jenem fünf Zentimeter schmalen Eisenträger, der, eine Hand lang aus der Wand 1agt und hier Stuhl oder Schemel, ersetzt. Liegen tagsüber ist zudem verboten. So bleibt mir nur übrig, in dieser halbdunklen Zelle, zu ebener Erde, ſtunden- und stundenlang wie eine gefangenes Tier dahinzutrotten; a 13 ein gefange= nes Tier; Leftüre gibt es natürlich nicht. Genau das, wovor mir so lange so unsäglich gegraut hat: erzwungenes Nichts= tun, ist nun eingetreten. Aber, merkwürdig, dieser Zustand
wird liebenswert
Schläge, Drohungen,
gemessen an seinen Unterbrechungen. So vit sich die Zellentür öffnet. erwartet mich eine neue Beinigung oder Erniedrigung, Schmähungen; und man hat den einzigen Wunsch: allein zu be obltat dieſes Negativums vimmt man das positive bleiben, ungestört, die schwarze Kanaille nicht zu sehen. Für Grauen der Untätigkeit gern in Rani. Nach drei Tagen fomme ich in eine etwas bessere Belle; im erſten Stod, bieter einen gebied me fine ( böne windbewegte Bappel am Wetzipiel Neutöflier Volksparfs!) und hat einen Schemel. Ausgnß; Klosett oder wenigstens einen Rübel enthält auch sie nicht. Jedes BeHinausstecken der Dürfnis muß man anmelden, durch Hinausstecken der
" Fahne", strammstehend und differenzierend: Belle 78, Nummer 231, bittet flein austreten zu dürfen"( bittet groß austreten zu dürfen"); meist erregt man Anstoß mit diesem Wunsch; die Kerle sind faul; oft muß man warten, manchmal eine halbe Stunde und länger; einmal, abends vor dem Schlafengehn, erklärt mir der Posten:„ Das hat bis morgen früh Zeit". Auf meine Antwort:„ Ich fürchte, dann den Nachtposten stören zu müssen," erwiderte er:„ Na, denn fürchte man!" und schlug die Tür zu. Ein Zuchthäusler, bekanntlich, ist vor dieser Gattung Quälerei geschützt. Seine Zelle enthält das Erforderliche. Er ist nicht genötigt, wozu wir bisweilen genötigt waren: die Waschschüssel oder sogar den Eẞnapf zum Nachtgeschirr zu machen. Was übrigens verboten war! Nicht verboten war, Reste des Kaffees auszi schütten. Also gossen wir morgens, bevor wir die Waschschüssel hinaustrugen, tarnend Lorfe in den Urin und hoben zu diesem Zweck vom Abendtranf ein wenig auf. Hilfstechniken dieser Art entwickeln sich nur in Gemeinschaft; einstweilen bin ich in Einzelhaft.
Der Kriegsdienst verweigerer
Am vierten Tage beginnt das Exerzieren. Täglich etwa eine Stunde im Hof. Die Alten, Kranken und Lahmen trotten, die Hände auf dem Rücken, im„ kleinen Kreis" ihren Gänsemarsch. Wir andern müssen ran. Meist nur zu stumpfsinnigem Marschieren mit„ Das Wandern ist des Müllers Lust"," Ich hatt einen Kameraden“,„ Lore, Lore, Lore" und zu ermüdenden Dauerläufen mit Springen über ein Stöckchen, das Lipfe hinhält; oft aber gibt es auch
Der Schwur von Saarbrücken Von Rudolf Pfister, Bern Auf tausenden Lippen schwebt heiliger Schwur: Wir hüten der Heimat die deutsche Kultur; Vor rufen der Lüge, dem Terror: Halt! Wir bieten Trotz der finstern Gewalt. Soch tragen wir unserer Freiheit Fahn Zum Sieg über Hitler voran!
Wir bergen in unferer fäuftigen Kraft Dem Deutschtum den Frieden, die Glut und den Saft. Geschundene Brüder dort über dem Rhein Die Schwielenhand her; wir schlagen darein; Für Deutschland ewig brennen auch hie Die Herzen!... Für Sitler? Nie!
Ihr vielen, Gebrochnen in Sllaveret, Wir richten euch auf, wir machen euch fret. Unser Truhruf sei euch ein brüderlich Mal Zur tommenden Freiheit; ein grüßend Fanal. Soch rollt es wie Donner über den Rhein Zu Deutschland : Ja! Zu Hitler : Nein!
( Aus ,, Schutzhäftling 231")
Ich steige am Morgen vom Strohsack wie auseinandergenommen und falsch wieder zusammengefeßt, ohnmachtsnah, mit Herzstichen. Vor der dritten Nacht in Schellen bewahrt mich der Arzt( ein seltsames Exemplar).
Ich habe später von zuverlässigen Kameraden gehört, daß gewisse Gefangene( solche, die im Verdacht standen, sich einstmals an Nationalsozialisten vergriffen zu haben) viele Wochen hindurch in Handschellen gehalten wurden, Tag und Nacht; nur zum Waschen, zum Essen, zur Erledigung der Bedürfnisse sollen sie ihnen jeweils für einige Minuten abgenommen worden sein. Das bedeutet langsamen Mord. Die Ketten der sibirischen Kettensträflinge flingen pathetischer, aber sie ließen ihren Trägern ungleich mehr Bewegungsfreiheit.
,, Solche disziplinarische Maßregeln notwendig"
Das Egerzieren ist in diesen Tagen besonders scharf; jeder Weg im Hause zum Antreten, zum Austreten, zum Waschen, zum Essenempfang, zum Geschirrsäubern- muß überdies im Paufschritt zurückgelegt werden( die Vorschrift gilt für alt und jung; wer„ geht". friegt Maulschellen. Borhiebe, Fußtritte); und die Ernährung ist ganz unzu reichend. Meine Beine schwellen an; ich beachte es erst nicht; nach ein paar Tagen ist das rechte so elefantisch aufgedickt, daß ich den Fuß kaum in den schnürsenkellosen Stiefel zu zwängen vermag. Ich melde das dem„ Sanitäter" und bitte um Dispens vom Exerzieren. Nun gerade nicht. Im Gegenteil, mein Hintermann auf dem Hof erhält den Auftrag, mich seste zu treten. Um Schlägen zu entgehen, folgt er. Soll ich ihm zürnen? Soll ich dem stirnlosen Lulatsch Levy zürnen, weil er auf Befehl( Jude gegen Jude) mich mit feiner kolossalen Flosse markig ohrfeigt? Erst einen halben Monat später, als er mit plumper Vertraulichkeit auf börsen jiddisch mich anquatscht, stößt der Bursche mich ab.
Der Arzt ist ein Unifum. Toftor Strauß, an die dreißig, flein, breit, frisch, blaue Raubaugen, überstramm, den werdenden Bauch unter dem SS - Koppel tarnend, fast nie mit dem Gefangenen über dessen Gesundheit im Gespräch, über seine Klagen und Wünsche, dafür dauernd mit ihn in politischer Polemit, auf dem Niveau des Alten Herrn einer nationalen Couleur. Als ich ihm informationshalber mein gepeitschtes Gefäß zeige, stellt er zwar zunächst die geistvolle Frage, ob es schmerze, läßt ihr aber foaleich die tieferschürfende folgen: ob ich als intelligenter Mensch denn nicht ehrlicherweise, Hand aufs Herz, zugeben müsse, daß solche disziplinarischen Maßregeln notwendig seien. Auf die Gefahr der Unintelligenz hin bestreite ichs. Er startet eine Entrüstungsrede gegen Linksblätter, mit Argumenten, die nur teilweise die Blätter und gar nicht mich treffen. Vorwürfe einzustecken wegen gewisser Haltungen, die man als Außenseiter jahrelang heftig bekämpft hat, ist spaßvoll außer in diesem Hause. Als ich erwähne, daß seit der Exekution mein Urin schmerzlich- braunrot ist, schnarrt er: Ja. wundert Sie das? Im Hintern gibts Blut." Das dicke Bein, ießt, stimmt ihn aber ernst. Er verordnet für zwei Tage absolute. Bettruhe". salzlose Kost entwässernde Pillen. Bis auf weiteres Befreiung vom Ererzieren und vom Laufschritt, ouf den Korridoren. Ich habe Wasser in den Beinen, die Nieren funftionieren nicht.( Fine Anzahl weniger widerftanhafähiger Kameraden find an Nierenzerreißung, infolge der Peitschenhiebe, zugrunde gegangen.)
halbtiefe Kniebeugen bis zum Umfallen, Liegestüt auf der fiesigen Erde beinahe bis zur Bewußtlosigkeit, inlegen! Auf! Marsch, marich! Hinlegen!" im Dreck wieder und wieder. Am schärfsten geschliffen werden Intellektuelle und Juden. Laufschritt und Sprung in alten schlappenden Eticfeln ohne Schnürsenkel ist eine Strapaze, zumindest für die Nerven, da einen die Angst vor dem Auslaatschen nicht ,, Ist das nicht unerhört anständig"?
verläßt.
Truppführer Rautenberg, Mitte zwanzig, blond, schmäch tig, ziemlich frumm. Brille, Typ des gescheiterten Theologiestudenten, muß in meinen Aften ein beschlagnahmtes Flugblatt der CRP. entdeckt haben. worin neben anderen Maßnahmen Kriegsdienst verweigerung empfohlen wird. Auf dem Hose steht, vom Gewitter der letzten Nacht, eine riesige Ffüße; vielleicht drei Meter lang, einen breit. Rautenberg läßt alle gerade verfügbaren Gefangenen längs der Psüße antreten, und ich muß im Parademarsch an ihnen vorüber. dreimal, viermal, immer durch die Pfütze( mit offenen Stiefeln). Er backpfeift mich vor der Front der Kameraden und freischt:„ Seht euch diesen Zumpen an! Seht ihn euch genau an! Wißt ihr. was der ist? Kriegsdienstverweigerer ist der! Kriegs- dienst- ver- wet- ge- rer!!! Merkt euch dieses Gesicht für ewige 3eiten! Der Schuft ist ein noch größeres Schwein als ihr, der ist von euch allen der gemeinste Verbrecher!"
Handschellen anlegen!
Wieder in der Zelle, bedreckt, schweißtriesend, mit. an gebrochenem Nasenbein, zerichlagenem Gesäß, zerschundenen Handgelenken, der Stirnwunde und nun dieser neuen Demütigung( auch hatte der„ Kommissar" des Hauses, ein salopper Herr von Augern, mir versichert, ich könnte mit vier bis fünf Jahren Konzentrationslager rechnen), werde ich vo einem unzähmbaren Verlangen gepackt, auszuproben, ob mit den Aermeln meines Lüfterjäckchens Selbst- Erdrosselung möglich iet. Stein Spiel, tein Ernst, ein verzweifeltes dummes Experiment. In der Sekunde, da ich es anstelle. äugt ein Posten durch den Spion. Ex öffnet, fragt, ich stammle und er meldet. Um neun Uhr abends läßt Rautenberg mir Handschellen anlegen. Bis sechs Uhr morgens. Das preßt die Gelenke, schneidet in die Haut und drückt beide Hände enger zusammen, als Fesseln mit Retten es täten. Die Stahlringe um jedes Handgelenk verbindet ein Scharnier. Neun Nachtstunden so zu liegen ich wünsche es höchstens dreien von meinen siebzig Feinden. Man ändert ständig, im Rahmen des Möglichen, die Lage der an den Wurzeln zusammengezwungenen Hände zueinander und hält das gekoppelte Armpaar abwechselnd über dem Leib und über dem Kopf Tedmüde sein, infolge der Schellen nicht zum Schlaf kommen, dabei momentweis hundertmal einduffeln, durch den Handzwang immer wieder wach wer= den. Erleichterung probieren, vergeblich, vergeblich, ein
forumdammern, schmerz durchrädert und durch
ipuft Gespenstern, zum Beispiel meiner runden Klavierlehrerin aus früfer Kindheit, der toten Tante Thilde, mit
aitarünem Gesicht... dies ist wirklich die Hölle.
In der übernächsten Nacht muß ich sie wieder betreten. Abermals auf Rautenbergs Geheiß neun Stunden Handschellen; die Schergen, die sie mir anlegen, benehmen sich unroh, ossenkundig bedauernd, aber Befehl ist Befehl
Ich erhalte keine salzlose Rost. Ich habe die Wahl zwischent Fasten und salziger. Die„ Bettruhe" bringt mir mehrfachen Besuch von SS. - Knechten, die mich anhöhnen, mich Haufen Unglück auf dem Strohsack:„ Du Aas, verrecke da nur in deiner Ecke!"" Glaubst du vielleicht, daß du jemals lebendig aus diesem Hause kommst?"" Wir schmeißen dich in eine Grube auf dem Hof, Scheiße drauf und zuschütten da findet dich keiner von deinen Freunden!" Nachts, infolge der Pillen, muß ich den Posten bemühen. Ich wante zurück. Er: „ Du jebst ja, als wennste sterbst; na, denn sterb man, dit Sau." Es ist Fißner, ein riefiger verlebter Amateurringer. Später focht er und gibt an den Zellentüren das Essen aus. Nie ohne Beschimpfungen. Einmal zu mir:" Du stinfiges Judenas müßteit überhaupt nichts zu fressen friegen!" An den Ton gewöhnt man sich rasch. Im Sommer drauf ist Fizner zweifelhafte Attraktion des Schöneberger Rummelplates.
Ruhe, Pillen und meine gute Natur helfen. Das Wasser weicht aus den Beinen; aus dem rechten nur sehr allmählich; noch etwa vier Wochen lang ist es am Abend stets neu angeschwollen. Die ärztliche Befreiung vom Ererzieren hat zur Folge, daß einzelne Schwarze mich besonders scharf hernehmen, Was oben in der Zelle gelten mag, gilt nicht auf dem Hof.„ Hier hat der Arzt einen Dreck zu sagen; hier fommandiere ich!" brüllt mich ein Scharführer an, den ich, für mich und später für die Kameraden.„ das Warzenschwein" nenne, und der nicht bloß unarisch, sondern durchdringend hunnisch- falmückisch aussiebt. Truppführer Moser( Mädchengesicht mit Gorillafresse) läßt mich trob, nein, weben der Meldung:„ auf Anordnung des Arztes befreit nom Taner= Tauf" im Laufschritt solo fiebenual hintereinander den weiten Gefängnishof umfreifen.
Doch die Mehrzahl der Hof- Herren respektiert, was der Arzt verfügt hat. Doktor Strauß, sehr befriedigt über seinen Heilerfolg, redet mich an:„ Wenn ihr gefiegt hättet, würdet ihr mich an die Wand gestellt haben. Etwa nicht? Aber ich, ich furier Sie. Ist das nicht unerhört anständig von mir?" „ Sie geben damit ein Beispiel äußerster Sachlichkeit." Diese Antwort bewirkt etwas: Strauß setzt bei Rautenberg durch, daß ich, nach siebzehn Tagen, endlich nach Hause schreiben darf. Einen Zettel zwar nur, mit der Bitte um Seife, Bahn- und Nagelbürste, ein Hemd. ein paar Taschentücher. Anis strenaste verboten wird mir, über mein Befinden ein Wort zu schreiben und über die Stätte meines Aufenthalts. Dabei weiß ich selber nicht, wo ich bin nach Wochen kombiniere ich aus Gerüchtfeßen, die in den spärlichen Minuten des Zusammenseins mit Romeraden mir zufliegen, daß dieses Haus eine ehemalige Militärarrestonstolt tit nahe der Friesen, in der Columbiastraße, am Nordrand des Feldes, gegenüber von Tempelhof . Erst am 2. Oftober er= fahre ich durch einen freundlichen Kommilar. der mich in fremder Sache vernimmt, den amtlichen Namen des Firstituts:„ Columbia- Haus ".