Nr. 1
Für unsere Mütter und Hausfrauen
Unterernährung der Zellen. Infolge einer Ernährung, die nach Menge und noch mehr nach Beschaffenheit ungenügend ist, tritt fie daher in der Arbeiterklasse besonders häufig auf. Die Gesundheit unseres Körpers als Ganzes und in seinen einzelnen Teilen hängt von dem Zustand unserer Zellen ab, für den die Ernährung von so ausschlaggebender Bedeutung ist. Die Frage der Volksgesundheit ist zum sehr großen Teil im buchstäblichen Sinne des Wortes " Magenfrage", eine Tatsache das, die in den Zeiten der Hungersnotpreise unseren proletarischen Frauen zu denken geben muß.
-
oo O
Die Mutter als Erzieherin.
-
-
Ruhig! oder der Wauwau kommt! Du weißt dir keine Hilfe mehr gegen das Quälen, Weinen und Schreien deines Kindes. Erst bat dich dein Liebling, dann flehte er immer inständiger, ihm doch seinen Wunsch zu erfüllen. Traurig und grollend darüber, daß dir das deine Arbeit und deine Mittel nicht gestatten, suchst du ihm seinen Wunsch auszureden. Doch dein Kind bleibt fest und wiederholt immer wieder:„ Ich will aber." Es hängt sich an deine Arbeitsschürze, es folgt deinen Schritten und zeigt dir schließlich Trok. Dein Mitleid wandelt sich in Zorn über den kleinen Störenfried. Noch wagst du es glücklicherweise nicht, dein Kind zu schlagen, denn du weißt ja selbst, wie berechtigt, wie verständlich sein Wunsch ist. Oder du schämst dich vielleicht auch nur vor deinen Nachbarn, den Vorübergehenden, dein Kind zu schlagen. So tommt es bloß drohend von deinen Lippen:" Du, der Wauwau tommt!" Ruhig, oder ich hol den Schußmann!" Dein Kind schridt zusammen und wird ganz still, es lehnt sich an dich, sein berzerrtes Gesicht glättet sich langsam nur die Lippen zucken noch die feuchten Augen schauen ängstlich zu dir auf. Erleichtert atmest du auf und bist froh, daß es dir gelang, auch ohne Schläge dein Kind zur Ruhe zu bringen. Nach etlicher Zeit, Bionaten oder Jahren schickst du dein Kind zur Abendstunde fort, etwas zu holen, und wunderst dich nun, daß es sich fürchtet und nicht gehen will. Pfui! wer wird denn Angst haben! Du Großer hast gar Bange vor dem Buschebau?" spottest du. Aber dein Kind fann sich nicht überwinden, schämt sich und fürchtet sich doch. Schließlich werden dir aber seine Dummheit und sein Eigensinn zu arg und du schiltst und schlägst es. Und doch bist vielleicht du allein oder du in erster Linie schuld daran, daß dein Kind sich jetzt so fürchtet. Denn du warst es, der es damals zum erstenmal in Schrecken versetzte mit der Drohung:" Ruhig! der Wauwau tommt!"" Was," entgegnest du, das ist ja gar nicht möglich. Das ist ja folange her. Damals war mein Kind klein, heute muß es doch verständig sein. Und wer denkt auch immer an später!" Ja, du sollst aber an die Folgen denken, sollst dir gegenwärtig halten, daß die ersten Eindrüde großer Furcht sich tief, unaus löschlich in das weiche Gemüt deines Kindes einprägen. Rein Wort, das du je zu deinem Kinde sprichst, bleibt ohne Nachwirkung. Wieviel fester müssen die Erfahrungen haften, die als Schrecken und Furcht die Seele deines Kindes erschüttern. Du siehst, deine Ausrede: heute müßte es doch schon so verständig sein! hilft dir gar nichts. Dein Kind ist eben nicht furchtlos- durch deine Schuld. Und auch, wenn es selbst einsicht, wie grundlos seine Furcht ist, die Gemütsstimmung ist eben bestimmender für seine Entschlußfähigkeit als alle verstandesmäßige überlegung. Du selbst bringst ja vielleicht dein Kind nur dadurch dazu, seine Furcht zu über winden, indem du es törichterweise durch Schläge oder Androhung bon Strafe in neuen Schrecken versetzt. So hast du für die Erziehung deines Kindes eine endlose Kette von Fehlgriffen geschaffen. Wie kannst du vollends als Proletarierin deinem Kinde mit dem Schußmann drohen. Deinem Kinde mit dem Schußmann brohen, heißt es zur Furcht vor der Polizei und der uniformierten. Macht, zu kriecherischem Sinne erziehen, anstatt es aufrechten Gang und stolzen Blick zu lehren und ihm Freiheitssinn einzuflößen. " Ja, wie soll ich denn mein Kind zur Ruhe bringen?" wendest du ein.„ Schlagen soll ich es erst recht nicht, und da bleibt mir kein anderes Mittel." Ich verstehe es nur zu gut, daß dein von Arbeit und Sorgen müder Kopf durch deines Kindes Quälerei noch weher wird und du dich nach Ruhe und Stille schnst. Sie gewinnst du aber nie, wenn du nicht gelassen der Unart deines Kindes begegnest. Wie Gegenrede den Zorn von Großen reizt und Schweigen Erwachsene beruhigt, so bricht sich auch deines Kindes Troz an deiner gelassenen Entschiedenheit. Bleibst du ohne Spott und Ärger gegen dein Kind, so wird es zum zweitenmal ficher nicht seine Sträfte in ohnmächtigem Quälen unnüz verschwenden. Auch ohne drohende, einschüchternde Worte, Zeichen deiner Schwäche, wirst du das Kind nach deinem Willen lenken können.
E. L.
Sygiene.
3
Kostenlose häusliche Reinigung und Desinfektion. Im Volke herrscht schon von alters her der Brauch, Kleider und Betten, besonders von Kranken und Verstorbenen, zu sonnen. Freilich geschieht dies wohl nur in der Absicht, das Lüften zu fördern und schlechte Gerüche zu entfernen. Das wird auch unzweifelhaft erreicht, wie ein einfacher Versuch beweist. Füllt man zwei Glasflaschen mit fauligen Gasen und stellt die eine ins Sonnenlicht, die andere ins Dunkel, so verschwindet bei der ersteren der efelhafte Geruch sehr bald, während er bei der letzteren sich eher vermehrt als verringert. In neuerer Zeit ist nun durch zahlreiche Versuche bewiesen worden, daß wir in der Bestrahlung durch die Sonne ein sehr wirksames Mittel zur Abtötung jener kleinsten Lebewesen, der Batterien, Bazillen, haben, die die Erreger vieler gefährlicher Krankheiten sind. Professor v. Esmarch in Kiel übertrug auf Kleider und Betten, Felle, Möbel, Wäsche und dergleichen die verschiedensten Krankheitserreger, sekte die infizierten Gegenstände den Sonnenstrahlen aus und untersuchte dann ungefähr alle Stunden, ob und wieviel Batterien noch vorhanden waren. Namentlich die Cholerabazillen wurden nicht nur an der Oberfläche, sondern auch in den tieferen Schichten der Betten, Polstermöbel usw. sehr schnell durch die Sonne getötet. Ebenfalls vernichtend, wenn auch erst nach längerer Zeit, wirkt die Be strahlung auf die Bakterien des Typhus, Milzbrand, der Lungenentzündung, Schwindsucht und anderer Infektionskrankheiten. Demnach besitzen wir in der Besonnung ein sehr wirksames und fostenloses Reinigungs- und Desinfektionsmittel. Man kann daher Betten, Kleider und Wäsche von den fast stets und überall sich vorfindenden Krankheitserregern befreien, wenn man sie recht oft mehrere Stunden hindurch den Sonnenstrahlen aussetzt. Die an haftenden Bakterien werden dann getötet, können sich also nicht zu solchen Unmengen vermehren, daß der Mensch durch fie gefährdet wird. Ebenso sind die Schlafzimmer stets einer möglichst ausgiebigen Besonnung auszuseßen und nicht etwa durch dicke Vorhänge in dunkle, muffige Grabgewölbe zu verwandeln. Auch wird man gut tun, Kamm, Bürste, Zahnbürste, Handtuch, Waschlappen, Schwamm nach dem Gebrauch auf das Fensterbrett oder andere sonnenbeschienene Plätze zu legen, weil dadurch nicht nur der feuchte, muffige Geruch alsbald entfernt, sondern auch den Batterien ein sehr günstiger Ansiedlungs- und Nährboden entzogen wird. Wenn man eine mehrstündige Besonnung als Desinfektionsmittel häufiger anwendet, wird es nicht mehr so oft vorkommen, daß in der Familie eine ansteckende Krankheit ganz plötzlich auf schier unerklärliche Weise ausbricht. th.
O 0 0
Für die Hausfrau.
Weißes Pelzwerk reinigen, fann man auf recht billige Weise. Für Boa und Muff braucht man kaum mehr als 1 Pfund Gips für 3 Pf. aus der Drogerie, und bekommt das Belzwerk damit mindestens so hübsch, wie wenn man es in die chemische Reinigungsanstalt gegeben hätte. Am besten nimmt man die Reinigung im Hof oder Garten vor, denn im geschlossenen Raum muß man zuviel Gipsstaub einatmen, und dieser würde sich in Zimmer oder Küche überall hin verbreiten. Man nimmt in beide Hände etwas Gips und reibt nun die Belzhaare tüchtig zwischen den Händen durch. In furzem ist die ganze Boa wieder zart, und namentlich bei Tibet wird die Locke schön. Ist das Pelzwert sauber, so muß man es ordentlich austlopfen, es darf nichts von dem Gips darin bleiben. B. P.
Feuilleton
Das Geheimnis des Waldes.*
Ein weiter Weg war's bis zum Rohrsumpf. Erst mußte man durch den tiefen Wald, auf schmalem Steig, der sich zwischen hohen Föhren hinschlängelte und stückweis über kahlen Bergrücken ging. Wo der Bergrüden sich sentte, fing das Torfmoor an. Auf den Erdhügeln erhoben sich kleine Zwergliefern, und wenn die Waldmyrte blüte, war die Luft voll würzigen Duftes, der die Insekten herlockte. Auch über das Moor war's ein gutes Stück, und wenn der Berg wieder anstieg und man von seinem Kamm den Wald sich lichten und das Wasser spiegelflar und ruhig zwischen den
* Aus Wald und See. Novellen von Gustaf af Geijerstam ; Berlin , S. Fischer, Verlag.