Für unsere Mütter und Hausfrauen

Nr. 3

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Beilage zur Gleichheit ooooooo

Inhaltsverzeichnis: Getrost! Von Ludwig Pfau  . Eine Reform in der Babyausstattung. Von Else König. Vom menschlichen Körper. II. Die Gans und ihre Verwertung. Von M. Kt. Feuilleton: Das Hünengrab. Von Martin Andersen Neyö.

Getrost!

Von Ludwig Pfau  .

Der Freiheit Werk, getrost! es muß gelingen; Dem Strome gleicht es, der dem Berg entsprossen: Wie klein und hilflos hat er sich ergossen! Die Erde, meint man, sollte ihn verschlingen.

Doch wie er fließt, da kommen ihm mit Klingen Viel junge Bruderquellen nachgeschossen; Er wächst, im Arm die schwellenden Genossen, Und stolz entfaltet er die feuchten Schwingen.

So der Gedanke: ist er erst verkündet, Wälzt er sich fort im eigenen Gewichte, Und tausend Kräfte sind ihm bald verbündet.

Er gräbt sein Bett und macht den Damm zunichte, Er braust und strebt, bis er, ein Gott, sich mündet Mit Jubelschall ins Meer der Weltgeschichte.

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Eine Reform in der Babyausstattung. Kleiderreform!" Das Wort hat heute keinen reinen Klang. Weiß man doch zur Genüge, daß die Bewegung für Kleiderreform in der Hauptsache eine rechte Damenbewegung ist. Die proleta­rische Frau, die einmal die Zirkel Kleiderreformierender Damen besucht hat, läßt diese gern unter sich. Aber doch könnte es nichts schaden, wenn unsere Genossinnen sich mehr mit der Sache selbst bekannt machen würden. In unseren Frauenversammlungen drängt es sich einem immer auf, wie unzweckmäßig die meisten gekleidet sind. Bebel sagt mit Recht in seinem Werk" Die Frau und der Sozialismus: Die Art der Kleidung ist bis auf den heutigen Tag ein wesentliches Moment, das die Frau unfrei, schüchtern und feig, also im Zustand physischer Hilflosigkeit erhält." Doch davon ein andermal. Heute sollen meine Zeilen die praktisch wertvollen Winte des Artikels Selbst angefertigte Baby­ausstattung in Nr. 17 des vorigen Jahrganges etwas ergänzen.

Die Babykleidung ist heute noch gleich der vor hundert Jahren, ja sie hat sich dank der modernen Kinderwagen, modernen Moden usw. zum Teil verschlechtert. Man braucht nicht in abgelegene Landbezirke zu gehen, um noch das Wickelband zu finden. Auch in der Stadt verwenden es die Mütter noch gerne, weil die Kindchen ruhiger liegen". Ruhe aber ist die erste Bürgerpflicht auch in der Babydroschke. Dieser Standpunkt ist verständlich, wenn es sich um Arbeiterfrauen handelt, die mit jeder Minute geizen müssen und jede Störung als Raub an ihrer Zeit empfinden. Nur sollten auch sie bedenken, daß die Folgen des Ruhigliegens" sich später um so störender bemerkbar machen. Nicht nur Verdauungs­störungen infolge der mangelnden Bewegung, sondern auch schlechte Entwicklung der Bein- und Bauchmuskulatur sind bei den Kindern zu beklagen, die so schön ruhig liegen, weil sie durch Wickelband usw. am Bewegen und Regen ihrer Glieder gehindert sind. Auch in der Kleidung des Babys sollte nichts das Spiel der Kräfte des zarten Körpers hemmen. Bei der üblichen Säuglingskleidung stoßen wir aber auf ein starkes Bewegungshemmnis: die Win­del. Soll die Windel nur einigermaßen ihren Zwed erfüllen, so muß sie mehrfach übereinandergelegt werden und lähmt schon durch ihren Umfang allein die Beweglichkeit des Kindchens, wäh­rend der Leinenstoff der Behaglichkeit störend im Wege steht. Nicht bloß die Nässe, auch die Kälte der feuchten Leinenwindel wird vom Säugling peinlich empfunden. Die praktische Engländerin nimmt daher statt der Leinwand Wolle, Flanell zu den Windeln. Wolle bleibt auch im feuchten Zustand warm und noch porös und erfüllt damit zwei Vorbedingungen der Bekleidung. Doch auch die wollene Windel erschwert die Bewegungen des Babys. Vor einigen Jahren hat nun der Kieler Arzt Dr. A ßmus eine neue Art der Baby­ausstattung befürwortet, durch die die Windel beseitigt wird. Lei­der hat sie bis heute wenig Anklang gefunden. Die Aßmussche

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hygienische Säuglingskleidung besteht in der Haupt­sache aus einer Stofftasche aus Nefsel von 30 auf 30 Zentimeter Größe, die mit Moostorf gefüllt wird. Dieses Moostorfkissen wird dem Säugling zwischen den Beinen hindurch vorn und hinten vor­gelegt. Da der Torf eine große Aufsaugungsfähigkeit besißt, so fann solch ein Kissen 10 bis 12 Stunden liegen bleiben, ohne daß die übrige Kleidung des Kindes durchnäßt und ohne daß dieses selbst belästigt wird. Die Haut bleibt stets trocken, und so ist ein Wundliegen ausgeschlossen, die Beine haben völlige Bewegungs­freiheit. Das Kissen kann getrocknet und wohl ein duzendmal be­nutzt werden, ehe es einer neuen Füllung bedarf. Diese selbst habe ich später durch gewöhnliche Torfstreu ersetzt, die zuvor von dem groben Staub gereinigt worden war. Ich habe es auch für zweck­mäßig gefunden, das Kissen in einen zweiten Umschlag aus Baum­wollflanell zu heften. Es ist leicht einzusehen, daß die Arbeit einer Mutter durch Verwendung dieses Torffissens sehr verringert wird. Denn statt den ganzen Tag ein Dußend großer Windeln hat sie nur den kleinen überzug zu waschen, der natürlich mindestens täglich erneuert werden muß. Auch das etwa zehnmalige Trocken­legen" des Säuglings bleibt der Mutter erspart, und für die Ar­beiterfrau ist ja die Zeitersparnis von größter Wichtigkeit, vor­ausgesetzt, daß sie nicht auf Kosten der Reinlichkeit und Gesund­heit des Kindes geschieht. Ich selbst habe die Neuerung seit Jah­ren erprobt und kann sie bestens Müttern empfehlen, die wenig Zeit und keine Haushilfe haben. Else König.

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Vom menschlichen Körper.

II. Stoffwechsel.

Wir haben gesehen: der menschliche Körper besteht aus Zellen und Flüssigkeiten, und ferner: jede der Millionen Zellen des menschlichen Körpers ist ein Lebewesen für sich mit eigenen Lebens­äußerungen. Allerdings sind die Lebensäußerungen einer Zelle nicht unabhängig von denen der übrigen Zellen, und das Leben des Menschen ist das Ergebnis eben des Zusammenwirkens all seiner Zellen. Wollen wir die Lebensvorgänge verstehen lernen, so müssen wir zunächst die Lebenserscheinungen der einzelnen Zelle untersuchen. Die Lebenserscheinungen der Zelle beruhen alle auf Umsatz von Stoffen, aus denen sie sich aufbaut. Wie in einer Dampfmaschine Kraft erzeugt wird durch Verbrennung der Kohle, so gewinnt auch die Zelle die Kräfte für ihre Arbeit, für ihre Lebensäußerungen durch 3erseßung, durch Verbrennung von Stoffen. Würde die Zelle nur Stoffe zerseßen, so würde sie sich aber bald selbst aufgezehrt haben. Will die Zelle bestehen bleiben und weiterarbeiten, so muß sie die zersetzten Stoffe wieder er= seben, wieder aufbauen aus der Nahrung, die ihr das Blut zuführt. Diese Zersetzung und den Wiederaufbau der Stoffe in der Zelle nennen wir Stoffwechsel. Der Stoffwechsel geht gewöhnlicherweise ununterbrochen vor sich, er ist eine der Haupt­lebensäußerungen der Zelle, die erst die übrigen Lebenserschei­nungen ermöglicht.

Die Zersetzung der Zellsubstanz beim Stoffwechsel ist in der Hauptsache eine Verbrennung. Unter Verbrennung versteht man die Vereinigung eines Körpers mit Sauerstoff. Und ähnlich, wie sich bei der Verbrennung der Kohle im Ofen die Kohle mit dem Sauerstoff verbindet, so vereinigen sich beim Stoffwechsel gewisse Substanzen der Zelle mit Sauerstoff, allerdings ohne daß Flammen und hohe Hiße entstehen. Diese Verbrennung ist Be­dingung für das Leben der Zelle und ihre Arbeit. Der Sauerstoff, den sie zu der Verbrennung benötigt, wird ihr durch die Atmung aus dem freien Sauerstoff der Luft zugeführt. Bei dem Menschen gelangt der Sauerstoff durch die Lunge ins Blut und wird von diesem an die einzelnen Zellen abgegeben. Durch das Blut werden der Zelle auch die Ersatzstoffe für die zersetzten Zellsubstanzen zu­geführt. Diese Ersatzstoffe werden der Zelle durch die Nahrung ge= bracht, die wir zu uns nehmen. Wir sagten schon, daß die Nahrung die Stoffe enthalten muß, die die Zelle aufbauen, also Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate, Salze und Wasser. Diese Stoffe, die wir in der Form der verschiedenen Speisen zu uns nehmen, werden durch die Verdauungsorgane umgearbeitet, gelangen ins Blut und durch dieses zu den Zellen,