Für unsere Mütter und Hausfrauen

Nr. 6 。。。。。。。。 Beilage zur Gleichheit

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Inhaltsverzeichnis: Jugendschriften. Von Bernhard Rausch.- Mais als Voltsnahrungsmittel. Von M. Kt. Für die Hausfrau. Feuilleton: Die Veef. Von Else Belli.

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Jugendschriften.

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Der Jugend kennzeichnendste Eigenschaft ist ihre freudige Be­reitwilligkeit, zu empfangen, in sich aufzunehmen. Wie sie mit allen Sinnen die täglich nenen Erscheinungen der Außenwelt ein­saugt, so gibt sie sich mit offener Seele den Einflüssen des ge­druckten Wortes hin. Sie vermag es nicht, sich in bewußter Aus­wahl vor schädlichen Einwirkungen zu schüßen. Wer erinnerte sich nicht des goldenen Zaubers, den ein edles Buch, wer nicht der vergiftenden Schwüle, die ein ekles Buch über seine Jugend­tage breitete? Wie oft ist ein Buch sogar von entscheidender Be­deutung für das Schicksal eines Menschen geworden! Jahraus jahrein werfen Spekulanten Berge wertlosen, ja gemeingefähr­lichen Schundes mit raffinierter Reflame auf den Büchermarkt. Um schäbigsten Profits willen freilich unterstüßt durch die Un­wissenheit oder Fahrlässigkeit der Käufer richten sie eine wahre Verwüstung in jungen Köpfen und Herzen an. Die leichtverletzte Jugend vor der kapitalistischen   Giftpflanze Schundliteratur" zu schützen, ihren empfänglichen Sinn zu den reinen Quellen der Erkenntnis und Schönheit zu führen, ist eine der wichtigsten aller Erziehungsfragen.

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Seit etwa zwei Jahrzehnten ist man auf bürgerlicher Seite, voran in der deutschen   Lehrerschaft, bemüht, aus dem kaum über­schbaren Wust der Jugendschriften das Wertvolle herauszuheben. Ganz besonders anregend und erzieherisch hat das Erscheinen der verdienstvollen Schrift von Heinrich Wolgast   gewirft: Das Elend der Jugendliteratur", Hamburg   1896. Die vereinigten deut­ schen   Prüfungsausschüsse, unter Führung der Hamburger   Lehrer, lassen sich beim Zusammenstellen ihrer Jugendschriftenverzeichnisse im wesentlichen von dem Grundsatz leiten, den H. Wolgast in seinem erwähnten Buche in die Worte geprägt hat:" Die Jugend­schrift in dichterischer Form muß ein Kunstwerk sein."

So Anerkennenswertes die Sichtungsarbeit der Prüfungsaus­schüsse auch geleistet hat, den Bedürfnissen des Proletariats ver­mag sie nicht voll zu genügen. Die Sorg- oder Ahnungslosigkeit, mit der man sich zum Teil auch in unseren Reihen früher be­scheiden zu können glaubte, ist besserer Einsicht gewichen. In der bestehenden Klassengesellschaft muß die Erziehung des proletari­schen Nachwuchses notwendig eine Klassenerziehung sein, über die die Entscheidung nur dem Proletariat selber zusteht. Da das Proletariat die vorwärtsdrängende, fortschrittliche, revolutionäre Schicht der Gesellschaft ist, kommen gerade dadurch die höchsten, reinsten Menschheitsideale zu ihrem Recht. Auch bei subjektiv er­strebter Tendenzlosigkeit" lassen die bürgerlichen Prüfungsaus­schüsse ganz naturgemäß leicht Machwerke gelten, die im schroffen Gegensatz zu den sozialistischen   Idealen stehen. Namentlich ist das bei sogenannter" patriotischer" Literatur der Fall, die sich nur um so cher ein künstlerisches" Mäntelchen umhängt, je windiger es für sie wird. Es gilt aber, den proletarischen Nachwuchs in die Ge­danken- und Gefühlswelt des Proletariats einzuführen, die gleich­bedeutend ist mit dem umfassendsten Reiche der Erkenntnis und Schönheit; es gilt alles von ihm fernzuhalten, was das Erwachen cines flaren Klassenbewußtseins stören könnte. Unter diesen Grund­säßen ist das Jugendschriftenverzeichnis des Zen= tralbildungsausschusses entstanden. Aus der Fülle der Neuerscheinungen sei auf einige der besten hingewiesen.

Proletarische Jugendschriften.

Das verflossene Jahr hat uns erfreulicherweise wieder eine Reihe von Schriften beschert, die eine spezifisch proletarische Jugendliteratur bereichern. Eine prächtige Jugendschrift ist Leo Kolischs Reisebeschreibung Das Land der Zukunft, Vorwärtsverlag Berlin  ( 1,25 Mt.). In packenden Schilderungen der Erlebnisse eines Proletariers erschließt sich uns Argentinien  , .das Land der Zukunft", während die wechselvollen Schicksale mit Arbeitern der verschiedensten Nationen in den Pampas, unter halbwilden Horden, auf der See usw. die jugendliche Abenteuer­lust befriedigen. Das Buch fesselt den frischen jugendlichen Sinn, wirkt jedoch gleichzeitig ungleich erziehender als das beste In­dianerbuch, da die Erlebnisse in Südamerika   mit den Augen eines

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O 1912

bewußten Sozialisten gesehen und gewürdigt werden, so daß eine Beeinflussung und Bereicherung in sozialistischem Sinne erzielt wird. Jugendlichen Proletariern, die das Leben bereits kritisch zu erfassen wissen, wird eine soeben erschienene Sammlung von Stizzen und Erzählungen Robert Größsch eine willkommene Gabe sein: Verschrobenes Volk und andere Ge­schichten, Vorwärtsverlag, Berlin  ( 1 Mk.). Ein Buch voll lachender Satire und keckem Humor, auf dem festen Boden prole­tarischer Weltanschauung erwachsen, ein Buch, das nicht redet, sondern mit frischem, helläugigem Sinn gestaltet.- Empfehlens wert ist auch die ernste Erzählung Der Ausweg von Ernst Preczang  , Vorwärtsverlag, Berlin  ( 1 Mt.). Ein Arzt von idealem Sinn wird in die schwersten Seelenkämpfe gestürzt, weil die zahlreichen Unfälle und Betriebskrankheiten chemischer Ar­beiter ihm erkennen lassen, wie eng begrenzt die soziale Wirk­samkeit seiner Berufsarbeit ist. Da eröffnet ihm der Sozialis­mus die einzige Aussicht auf eine dauernde Heilung der gesell­schaftlichen Schäden und ruft ihn aus seinen Qualen zu neuer Lebenszuversicht. Die weit verbreitete Schrift Bellis, Die rote Feldpost unterm Sozialistengesez, Diez, Stuttgart  ( 1 Mt.) sei auch hier hervorgehoben. Der Verfasser wendet sich mit seinen vorzüglichen Schilderungen des Werde­ganges des Arbeiters und Handwerkers der alten Schule" und der Erlebnisse während seiner Tätigkeit in der roten Feldpost" auch an die junge Generation der Arbeiter".

Obwohl von einem bürgerlichen Verfasser stammend, gehört doch unbedingt in diese Reihe Wilhelm Lamszus  , Das Menschenschlachthaus, Bilder vom kommenden Kriege". Hamburg  , Janssen( 1 Mt.). Hier wird ein mit den Mit­teln moderner Technik geführter Krieg zum erstenmal künstlerisch gestaltet, als Maschinerie zur Massenvernichtung und Zerstörung, als wahnsinnige Verirrung verglichen mit dem Reiter- und Jäger­leben früherer Jahrhunderte. Ganze Berge hurrapatriotischen Ge­fasels zerstieben vor den mit knappster Anschaulichkeit gezeichneten Bildern unsagbarer Greuel im Menschenschlachthaus", zu dem die Welt durch den Krieg wird. Gerade weil sich der Sinn der männlichen Jugend leicht von eingebildeter Kriegsromantif ge­fangen nehmen läßt, kann die aufklärende Wirkung dieser Schrift nicht überschätzt werden. Ein vortreffliches Gegenstück zu den Bildern vom kommenden Kriege" sind die Schilderungen eines verflossenen Krieges in Karl Chr. Rückert, Mit dem Tor­nister, Ungeschminkte Feldzugserinnerungen eines Infanteristen aus dem Jahre 1870". Sie rühren ebenfalls nicht von einem Sozialdemokraten her und sind fürzlich in einer Volksausgabe im Vorwärtsverlag" er­schienen. Als der Verfasser mit dem Tornister auf dem Rücken in den Feldzug 1870/71 marschierte, war er noch vollkommen. in den militaristischen und nationalen Vorurteilen des Bürger­tums befangen. Seinem offenen und gescheiten Sinn enthüllten sich aber bald die Scheußlichkeiten des Krieges, das Barbarische des Militarismus. Die mit schlichter Anschaulichkeit vom Stand­punkt des einfachen Feldsoldaten erzählten Kriegserlebnisse müssen allen romantischen Nebel über die Jahre 1870/71 aus den jugend­lichen Köpfen verscheuchen. Eine gute Veröffentlichung ist auch Emma Adlers Neues Buch der Jugend", Wiener Volfsbuchhandlung( 3 Mt.). Mit feinem Sinn sind hier eine Reihe zum Teil vortrefflicher Erzählungen, Aufsäße und Gedichte für die proletarische Jugend zusammengestellt. Gute Bilder erhöhen den Wert des Buches. Aus der im gleichen Verlag erscheinenden Sammlung Die junge Welt  " sei das sechste Bändchen her­ausgegriffen: Adelheid Popp  , Mädchenbuch"( 20 Pf.). Die Verfasserin redet mit schlichten und eindringlichen Worten zur weiblichen Jugend. Die Sammlung würde durch ein ansprechen­deres Äußeres gewinnen.

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Sagen, Märchen, Erzählungen.

Von dem erfolgreichen Wirken der Prüfungsausschüsse zeugent eine Reihe neuer Jugendschriften, die sowohl alte Schäße an Mär­chen, Sagen und Erzählungen heben, wie neuen Erscheinungen den Weg bahnen. Von den billigen Sammelausgaben haben die " Deutsche Jugendbücherei", herausgegeben von den ver­einigten deutschen   Prüfungsausschüssen für Jugendschriften, und die Bunten Jugendbücher", herausgegeben von der