Für unsere Mütter und Hausfrauen

Nr. 1 oooooooo Beilage zur Gleichheit

Inhaltsverzeichnis: Haß. Von S. Waldburg.- Die Spitzenklöppelei

im Erzgebirge  . Von Else Woldt. Die Mutter als Erzieherin.

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Vom menschlichen Körper. I. Hygiene. Für die Hausfrau.

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Feuilleton: Das Geheimnis des Waldes. Von Gustaf af Geijerstam.

haß.

Don S. Waldburg.

Den Vater banden sie aufs Rad,

Mich hetzten sie zugrunde;

Die einen Menschen sind das Wild,

Die andern sind die Hundet

Mein Sohn, mit Wolfsmilch nähr ich dich, Will Teufelskraut dir brechen;

Es macht dich felsenhart, du mußt Dereinst die Sünde rächen.

Gehegt, geboren hab ich dich In meines Hassens Glühen;

Mein Wildling, möge er mit dir Erstarken und erblühen!

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Die Spitzenklöppelei im Erzgebirge  .

Eine schöne Wanderung lag hinter uns. Wir waren der Groß­stadt entflohen, und hier im Gebirge war uns trotz des strömenden Regens froh und leicht zumute. Am Morgen in der Frühe stiegen wir von Cranzahl   nach dem Fichtelberg auf und marschierten dann über die Tellerhäuser   bis Rittersgrün  . Stundenlang gingen wir, ohne einen Menschen zu sehen. Nur einem Waldarbeiter be­gegneten wir. Der erzählte uns, daß sein Mädchen in der Klöppel­schule sei und seine Frau zu Hause flöppele, weil sie von seinem Verdienst allein nicht leben könnten. Die Tellerhäuser   liegen ein­sam, weit verstreut am Bergeshang. Ihre Umgebung ist herrlich, aber die Natur ist hier hart und grausam. Sie gibt Steine statt Brot! Nichts gedeiht auf diesem Boden, kein Obstbaum, kein Ge­treide, nur Futter für das Vieh. In jedem Hause aber finden wir den Klöppelsack: Großmutter, Mutter und Kind sizen vor den Fenstern und klöppeln". Nur ganz vereinzelt wird hier die Gorl­näherei getrieben. Mit hohlen, rotgeränderten Augen sizzen sie da, die alten Frauen, cifrigst bei ihrer Arbeit und doch so gleichgültig! Und in jedem Fenster das gleiche Bild, das gleiche Elend. Diese Generation hat nichts mehr vom Leben zu erwarten, und sie weiß es auch. Einem alten Mütterchen wollte ich ein paar gute Worte fagen. Ihr Häusl war abgebrannt, der Blih hatte eingeschlagen, und sie hatte nur noch Zeit gehabt, das nackte Leben zu retten. Versichert war das Häuschen nicht, das wäre zu fostspielig ge­wesen. Nun wohnte die Alte bei ihrer Tochter. Sie klöppelte an einer Spize, das Meter für 30 f., und zwei Tage mußte sie daran arbeiten. Einmal wird's schon besser werden, Mütterchen," tröstete ich. Ja, wenn der Tud kimmt!"

Zum Klöppeln bedient man sich der Holzspulen, auf denen Seide, Garn und Wolle aufgewickelt wird. Eine über den Klöppel ge= schobene Hülfe dient zum Schuße des Garnes. Der Klöppelsack, der im Erzgebirge   zylindrische Form hat, liegt auf einem kleinen, ein wenig ausgehöhlten Holzständer und ist mit Werg oder Säge­spänen gefüllt. Auf diesem Klöppelsack wird der Brief" aufgesteckt. Das ist ein Musterstreifen, ein Stück Papier  , das die Bindungs­stellen oder Quadrate andeutet, wo die Nadeln eingesteckt werden müssen. Sobald ein Karree oder eine Ecke fertig ist, wird die Nadel herausgezogen und weiter gesteckt. Die Klöpplerin schlägt den Faden um diese Nadel, und wenn eine Masche fertig ist, hängt sie die Klöppel über die Aufstecknadel, die seitwärts am Kissen steckt. Die Spizenklöppelei wird seit 350 Jahren im Erzgebirge   be= trieben, und ihr Hauptverbreitungsgebiet liegt in der Gegend von Schwarzenberg   und Schneeberg  . Bei der letzten Berufs- und Be­triebszählung im Jahre 1907 wurden gegen 4500 Spitzenklöpple­rinnen ermittelt. Da diese Zählung im Sommer stattfand, wo weniger geklöppelt wird, so darf man annehmen, daß die Zahl der Spitzenklöpplerinnen in Wirklichkeit noch viel größer ist. Im Sommer gehen nämlich die Leute Beerensuchen, sie verdienen dabei mehr, oder sie bestellen auch ihr kleines Feld.

oooo oooo 1912

Die Kunst des Klöppelns war bereits im fünfzehnten Jahr­hundert in Italien   bekannt, wo in Venedig   kunstvolle Nadelspitzen angefertigt wurden. Auch in den Niederlanden   wurde in dieser Zeit die Klöppelei von Tausenden armer Frauenhände geübt. Von dort aus wurde die Kunst nach dem Erzgebirge   gebracht. Es wird berichtet, daß eine wegen ihres Glaubensbekenntnisses vertriebene Brabanterin nach Annaberg   gekommen sei. Die Flüchtige ward dort im Hause der Patrizierin Barbara Uttmann   freundlich auf­genommen, und zum Danke lehrte sie der Barbara Uttmann   das Spizenklöppeln. Geschichte und Sage sind hier schwer zu trennen. Barbara Uttmann   lebte von 1514 bis 1575. Sie verheiratete sich mit einem reichen Bergherrn zu Annaberg  . Annaberg   war damals eine aufblühende Bergbaustadt; sie war 1496 als die Neue Stadt am Schreckenberg" gegründet worden und erhielt 1501 von Kaiser Maximilian   den Namen St. Annaberg. Barbara Uttmann   besaß großen Unternehmungsgeist. Nach dem Tode ihres Gatten führte sie dessen Bergwerksgeschäft fort und leitete es mit großer Umsicht. Sie war bald in der Lage, den tupferreichen St. Bricciusstollen zu erwerben, der am Ostabhang des Pöhlbergs lag. Man klagte sie allerdings beim Landesherrn an, daß sie den Gewerken ihre Kupferwerke nicht nach rechtem Werte bezahle. Daraufhin befahl der Landesherr dem Oberbergmeister, von jeder Kupferlieferung eine Probe auf" gar Kupfer und Silber nehmen zu lassen, und was sich in gar Kupfer und Silber darin befände, solle dann von der Uttmannin nach Inhalt der Freibriefe bezahlt werden". Die gewinnbringenden Bergwerksunternehmen genügten aber Bar­ bara Uttmann   nicht, sie legte sich auch auf den Bortenhandel. ,, Borten" nannte man früher allerhand Klöppelwerk, und nach ihrer Form hießen Borten mit gezacktem Rande Spitzen. Um das Jahr 1561 herum soll Barbara Uttmann   begonnen haben, zu Annaberg   das Klöppeln zu lehren. Aus Akten, die im Rathaus zu Annaberg   verwahrt werden, geht hervor, daß die Uttmannin gegen 900 Personen in der Spizenklöppelei beschäftigt haben muß. Sie hat also verstanden, die erworbenen Kenntnisse zu ihrem Vorteil auszunüßen, indem sie die Klöppelei auf kapitalistischer Grund­Tage betrieb.

Von Annaberg   aus ist die Klöppelei bald weiter verbreitet wor den. Zuerst in die umliegenden Ortschaften, dann in entferntere Städte und Dörfer bis ins Vogtland. Das älteste Musterbuch für Spizenklöppeln gab Nikolaus Basseus 1568 zu Frankfurt   a. M. heraus. Schon vor dem Jahre 1609 mußte für das Klöppeln, das auf dem Lande betrieben wurde, ein Schutz- oder Klöppelgeld be­zahlt werden. Und bereits in der guten, alten Zeit" gab es in der Spitzenklöppelei Kämpfe zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten. Tie Annaberger Jahrbücher berichten, die" Spißenherren" be= schwerten sich über ihre Klöppelmägde", daß diese Zwirn und Geld zugleich aufnähmen und die Spizen anderswo verkauften.

Die Klöppelindustrie hat viele Krisen durchgemacht. Seit Mitte des achtzehnten Jahrhunderts wurden Privatklöppelschulen er­richtet, zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts auch staatliche. Namentlich nach dem Hungerjahr 1817 entstanden mit staatlicher und privater Unterstüßung Schulen, um der Bevölkerung Unter­weisung in der Kunst des Klöppelns zu geben. Aber die an diese Einrichtung geknüpfte Hoffnung wurde durch die revolutionierende Wirkung der Technik zum Teil zuschanden gemacht. Die Klöppel­maschine ward erfunden, und sie ist so kunstvoll konstruiert, daß Maschinenarbeit von Handarbeit fast nicht zu unterscheiden ist. Im Gegenteil. Die metallenen Finger arbeiten schneller, genauer und vor allem billiger. Ende Juni wurde in Annaberg   in einer Ausstellung eine Klöppelmaschine vorgeführt. Auf dem großen runden Tische tanzten die vollbewickelten Garnträger hin und her, um den emsig zugreifenden metallenen Fingern der Maschine in langen Fäden das Material zur Verarbeitung zu liefern, das dann als schön gemusterter kunstseidener Klöppeleinsatz zum Vorschein tam. Das Klöppeln ist wohl immer Elendsarbeit gewesen. In der tapitalistischen Gesellschaftsordnung konnte aber die Einführung der Klöppelmaschine den Arbeiterinnen keine Erlösung bringen, sondern ihre Leiden nur noch vermehren. Im Jahre 1886, als man der Anna Barbara Uttmann ein Denkmal in Annaberg   errichtete, reichte der Verdienst einer Spitzenklöpplerin auch bei größtem Fleiß nicht zur Bestreitung der notwendigsten Lebensbedürfnisse hin. Und diejenigen sollten recht behalten, die die Enthüllung des Denkmals als den Beginn des Schlußaktes eines Dramas be=