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Nun, gottlob, zu diesem äußersten Mittel zu greifen, haben wir noch nicht nöthig. Noch befizen wir die 2000 Thaler, welche ich dir zugebracht und vielleicht entschädigt uns das Schicksal auf andere Weise. Wenn wir trotz deiner kleinen Pension unsern Hausstand auf großem Fuße fortführen, müssen ja die Leute denken, daß wir gut fituirt sind. Der Geheimrath, dein Freund, wird gegen eine Verbindung Theobalds mit unserer Adelgunde nichts einzuwenden haben, und ist nur erst das eine unserer armen Kinder versorgt, wird sich für die andern auch etwas finden. Das Glück Adelgundens liegt mir zunächst am Herzen." „ Das Glück Adelgundens," wagte der Hofrath schüchtern einzuwenden, bist du aber dessen auch gewiß, daß sie mit Theobald glücklich wird? Und wenn seine Familie es inne wird, daß sie kein Vermögen mitbekommt- kaum eine anständige Aussteuerwas wird dann geschehen, werden sie nicht argwöhnen, daß wir-" ,, Nun, und der Erbonkel?" fragte Frau Edeltrud scharf.„ Hat Adelgunde nicht das gleiche Recht als Großnichte an dieser Erbschaft wie die übrigen dohlenwinkeler Verwandten?"
„ Allerdings aber
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" Kein Aber. Ich glaube, die Tochter des Freifräulein von Reckenstein und des Hofraths von Bartels hätte wohl ein größeres Anrecht auf Berücksichtigung wie die Söhne und Töchter eines. Tischlers; dies ist doch dein Bruder Johann unleugbar?!"
" Unleugbar," stammelte das kleine Männchen verlegen. Damit war die„ Diskussion" geschlossen und seufzend, wie stets, ergab sich der Hofrath in sein Schicksal, d. h. in den Willen seiner Gattin.
Hatte er es doch so gehalten in all' den Jahren seines reichbewegten Braut- und Ehestandes. Warum auch hatte der kleine, schüchterne Kanzlei- Sekretär die Blicke zu der Tochter feines da maligen Chefs, des Kanzlei- Raths von Reckenstein erhoben? Vielleicht that er dies auch nur, weil es ja jedem Sterblichen gestattet ist, das Hohe, das Erhabene zu lieben, zu bewundern heißt es doch im Liede schon:
,, Die Sterne die begehrt man nicht, Man freut sich ihrer Pracht."
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Wenn nun Sebaldus die Wahrheit hätte bekennen müssen, so würde er es eingestanden haben, daß auch er im Grunde seines Herzens keine so verwegenen Wünsche gehegt und eigentlich Edelfrud von Reckenstein nicht zum ehelichen Gemahl begehrt hatte. Auch ward ihm die Hand der blonden Raths- Tochter erst spät und mehr als eine Belohnung seiner treuen, ausdauernden Liebe bewilligt. Ja wohl ausdauernd, denn gleich Vater Jakob, bewunderte Sebaldus aus angemessener Entfernung 7 Jahre lang die Reize der Angebeteten. Ferner überdauerte seine Liebe die jenige all' der jungen Lieutenants und kleinen Kammerherren, die je und je in dem Herzen der bereits stark majorennen Edeltrud durch ein harmloses Wort, eine zarte Huldigung, Hoffnungen erweckt, die leider unerfüllt bleiben sollten. Das kleine schüchterne Männchen hätte eher eine Rüge oder einen Befehl aus dem Munde des strengen Chefs, als die Frage erwartet: Sie lieben meine Tochter?"
Sebaldus war so gänzlich niedergeschmettert, daß er nur einige unzusammenhängende Worte stammelte, welche der Kanzleirath durch die Mahnung unterbrach, nur ja die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen.
Auf dieses an den Schluß der Eidesformel erinnernde Gebot, flüsterte denn der gänzlich zerknirschte Liebhaber etwas von„ ehr furchtsvoller Huldigung“ und„ bewundernder Anbetung". Das genügte dem besorgten Vater; ein Lächeln der Befriedigung umspielte seinen Mund und voll Würde verkündete er dem bestürzten Untergebenen sein Glück. Dabei wäre es ihm beinahe begegnet, daß er statt zur Belohnung für Ihre langjährige stille Liebe und Treue" gesagt hätte, zur Belohnung für Ihre treuen, dem Staate geleisteten Dienste bewillige ich Ihnen die Hand meiner Tochter!" Uebrigens hätte Sebaldus in seiner damaligen Stimmung sich auch darüber nicht gewundert; fühlte er es doch instinktiv, daß die Hand dieser Tochter schwer auf ihm liegen und im besten Falle ihn stets am Leitseil führen werde. Er kam sich der großen, stolzen Edeltrud gegenüber so völlig hilflos vor, daß er seinem fünftigen Schwiegerpapa förmlich dankbar für seine in herablassender Weise gegebenen Bestimmungen und Rathschläge war. Der kleine Sebaldus nahm später seinen Braut und Ehestand hin wie ein unabweisbares Schicksal, während Schön- Edeltrud sich nur grollend in das Unvermeidliche fügte und den geduldigen Lebensgefährten es schwer büßen ließ, daß er nur ein schlichtes Schreiberlein und kein sporentragendes Ideal ihrer Mädchenträume war.
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Auch als aus dem Bartels ein Herr von Bartels und endlich sogar ein Hofrath von Bartels geworden, ja als das älteste Töchterlein besagten Hofraths bereits majorenn war, stand der Papa immer noch unter Vormundschaft und zwar unter derjenigen Frau Edeltruds. Und so war es geblieben. Wie alle Unterdrückten- ob ganze Völker, ob einzelne Individuen kämpfte auch Sebaldus mit den Waffen der List gegen die ihm überlegene Gewalt, und die kleinen Siege, welche er dann und wann errang, bildeten die Lichtpunkte in seinem oft recht trüben Dasein.
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So grübelte denn der kleine graue Mann auch jetzt, nachdem seine bessere Hälfte ihn verlassen, darüber nach: wie er ungestraft" ihre thörichten Pläne vereiteln und das Wenige ein kleines Kapital als Nothpfennig retten könne, statt ruhig zu= zusehen, wie es vergendet werde im völlig nußlosen Bemühen, der Wolfsburger Gesellschaft zu„ imponiren".
Der Zufall, oder richtiger gesagt, die Vorsicht eines besorgten Vaters, des Geheimraths Wegner, vereitelte zum großen Theil Frau Edeltruds Pläne. Der Vater Theobalds", wie Wegner in der Familie des Hofraths genannt ward, lehnte nämlich im letzten Augenblick, unter einem ziemlich nichtigen Vorwande, die Einladung zu der großen Gesellschaft bei Bartels ab, und da die trostlose Adelgunde an demselben Morgen auch alle, dem still Geliebten geliehenen Poesiebücher in Goldschnitt, nebst einem furzen höflichen Schreiben zurückgesandt erhielt, war es nur zu klar, daß der schlaue Geheimrath, wie Frau Edeltrud seufzend sagte, seine Position gegenüber der gefallenen Größe bereits genommen habe. Die gefallene Größe", diesmal flüger und weitsichtiger als die weltgewandte Gemahlin, ertrug den Schlag verhältnißmäßig ruhig und vermochte wenigstens den anlangenden Gästen ein unbefangen heiteres Gesicht zu zeigen, während Adelgunde's rothgeweinte Augen und die dräuende Zornesader auf Frau Edeltruds Stirn den Eingeweihten alles das erzählten, was die Gastgeber verschweigen und künstlich verhüllen wollten.
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Die einzigen Resultate dieser großen Schlangenfütterung", wie der alte Kammerherr von Setten achselzuckend meinte, war, daß Adelhardt, der die eingesottenen Pfirsiche, welche für die Bowle bestimmt waren, fast ganz vertilgt hatte, 3 Tage lang über verdorbenen Magen klagte, daß Röschen in ihrem kurzen MullKleidchen sich erkältet, daß zwei Teller und eine Schale des guten Borzellan- Service auf unerklärliche Weise" zerbrochen waren und Rife, die treue Köchin, den Abschied erhielt, weil sie den Braten hatte anbrennen lassen und die Mehlspeise dafür noch„ unausgebacken" auf die Tafel gebracht.
Das waren stürmische Tage vorher und nun erst nachher! In Küche und Speisekammer rumorte und zeterte Frau Edeltrud, und Adelgunde ging mit hängenden Locken und thränenfeuchten Augen, bleichen Antliges aus einem Zimmer in das andere,„ wie der Geist meines gestorbenen Glückes", sagte sie sich selbst, oder wie Prinzessin Schleiereule in Kalif Storch", meinte der naseweise kleine Adelhardt, der bereits die Leiden, welche ihm die geraubten Pfirsiche bereitet, sowie die dafür erhaltene Züchtigung verschmerzt hatte.
Herzenswunden heilen eben langsamer, diese Bemerkung konnte man an Adelgunde machen, nachdem für sie auch die letzte Hoffnung geschwunden way, den geliebten Jüngling dem väterlichen Einflusse zu entziehen. Theobald wich ihr aus, trotzdem sie eifrig eine Gelegenheit fuchte, ihm zu zeigen, daß ihre Liebe groß genug sei, den kleinen Treubruch zu vergeben. Wahrscheinlich fürchtete dies der nicht allzu beherzte junge Mann und vermied deshalb mit bewundernswerther Geschicklichkeit ein Alleinsein. Als nun gar der Papa Geheimrath seinem„ lieben Freunde Sebaldus" sub rosa mittheilte, daß des Majors 17jähriges Lenchen und sein Theobald vermuthlich ein Paar werden würden da schloß die tiefverletzte Adelgunde eine Allianz mit dem Vater, zum Zweck, die Hofräthin zu bewegen, Wolfsburg und die falschen, treulosen Freunde zu verlassen.
Es waren harte Kämpfe, welche die beiden Verbündeten zu bestehen hatten, und es fehlte nicht an sogenannten großen Szenen, welche durch Weinkrämpfe und Migräne würdig abgeschlossen wurden.
Aber endlich fügte sich Frau Edeltrud und mit den Mienen und Geberden einer entthronten Königin, verkündete sie im versammelten Familienrathe den opfermuthigen Entschluß: der Residenz den Rücken zu fehren, um in Dohlenwinkel sich zu„ begraben". Die zweifache Hoffnung, den verloren gegangenen Seelenfrieden der Tochter und die Erbschaft des Onkels zu erringen, begleitete die betrübte Familie in das gewählte Eril. ( Fortsetzung folgt.)