Frizz und der österreichische Joseph, mit unleugbar guten Absichten, aber ihr Evangelium hatte ein Loch. Geknebelt überlieferten sie für einen Judaslohn, der ihnen schlechte Zinsen getragen, die arme Polonia, die zwar stark nach Alkohol duftete, aber sonst eine gute Mutter war, mit ihren wehrlosen Kindern der russischen Knute. Wenn nur ihre Nachfolger dabei nicht bereuen müßten, das einzige Bollwerk gegen den Panslavismus niedergerissen zu haben. Das Schicksal schien den Fehler gut machen zu wollen, indem es auf der andern Seite des Planeten einen neuen Staat entstehen ließ, der sein Sternenbanner schüßend über den Menschenrechten entfaltete.
Es war hohe Zeit, eine Arche für die Menschenrechte zu bauen, denn die„ Herren" Europa's wirthschafteten in sicherer Erwartung der Sintfluth: und sie kam, die blutige Woge, machte tabula rasa von den Pyrenäen bis zu den Ardennen und fegte sogar in Deutschland die Grundherrlichkeit" weg. Das wüthentbrannte Volt flopfte die Perrücken aus, daß der Staub in ganz Europa herumflog und ließ den sechszehnten Ludwig für die andern fünfzehn büßen. Ein Sturm von Ideen, Befürchtungen und Hoffnungen raste über Europa hin.
Die germanische Volksseele des achtzehnten Jahrhunderts befand sich noch im theoretischen Stadium der Politik. Ueberall scheint die gleiche Sonne, doch nirgends ist die gleiche
Stunde.
Dieselbe Glut, die in Frankreich die Thaten Robespierre's , Danton's und Marat's zeitigte, gebar in Deutschland den Genius des unsterblichen Wortes, in Lessing , Herder , Schiller und Goethe. Dem blutgedingten Volksboden Frankreichs entsproß ein Genie, das die Herren von Gottes Gnaden" zittern machte. Schade, daß Napoleon Bonaparte als Brutus begann und als
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Dschingiskhan endete. Aber er hätte ein Gott sein müssen, um nicht dem Größenwahn zu verfallen. Trotz seiner Säbelwirthschaft zieht sich ein demokratischer Faden durch sein Regierungsgewebe.. kaum war der kleine Korporal" an den Fels von St. Helena geschmiedet, so brach, trotz der Monarchenversprechungen, die schwarze Nacht der Reaktion über Europa herein, von deren Schrecken uns erst die Morgenröthe des Jahres 1848 befreite. Die italienischen Kämpfe, die schleswig- Holsteinsche Campagne und der 1866er Bruderzwist" haben gar manche Hoffnungsblüthe des Völkerfrühlings niedergeknickt und die Klärung des Gährungsprozesses aufgehalten, aber ein Einlenken in die ausgefahrenen Geleise der Reaktion doch nicht ermöglicht." Der Krieg ist der ärgste Feind der Freiheit," sagt Robespierre. Das bestimmte auch die Minorität des französischen gefeßgebenden Körpers" im Jahre 1870 gegen den Krieg mit Deutschland zu stimmen, aber der kleine Neffe" des„ großen Onkels" brauchte dieses Arkanum, um sein ohnmächtig gewordenes Prestige in's Leben zurückzurufen. Seitdem Frau Germania mit deutscher Gründlichkeit die franzöfische Garderobe ausgeklopft und den langverwaisten Kaiserthron mit einem Hohenzoller besetzt hat, haben wir die neueste Aera zu verzeichnen.
Um einem längst gefühlten Bedürfnisse abzuhelfen, stürzte der morsche Petristuhl in die Rumpelkammer. Alles menschliche Beginnen ist eitel Stückwerk, und so fehlt dem deutschen Imperium ohne päpstliche Gnaden", trotz Bismarck, noch einiges" zu einem Musterstaat, aber es ist vor der Hand der beste Mörtel, der die deutschen Bausteine zusammenhält; hat es aber die soziale Frage gelöst? Nein! und an dieser, freilich im Kaiserthum unvermeidlichen Unterlassungssünde muß es untergehen gleich seinen Vorgängern!
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„ Was- ,, Was ein Gedicht? in dieser Eisenzeit?
Geh heim Poet, und spare Deine Predigt! Uns ein Gedicht! Du bist nicht recht gescheidt!" Und damit meint ihr, sei ,, der Fall" erledigt? Ich aber meine, sehr sei es auch Noth, Auf das, was euch der Dichter sagt, zu hören Mag er auch euch, besonders wenn er ,, roth", In der Verdauung höchst verdrießlich stören.
Ihr habt noch stets als hellen Unverstand Verlacht die milde Weisheit des Poeten, Ihr schlugt Allarm zu troß'gem Widerstand, Ist sie geharnischt auf euch zugetreten; Und dennoch hat auf losen Sand gebaut
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Und hätt er alle Wissenschaft gepachtet Wem vor dem klaren Dichterauge graut, Das ernst und prüfend seinen Bau betrachtet.
Und euer Bau- ob er gen Himmel strebt Wie mögt ihr ihm euch zu vertrauen wagen? Und wenn ihr auch die Risse jetzt verklebt In einer Sturmnacht wird er einst zerschlagen. Hört ihr es nicht, wie im Gebält es nagt Von tausend Kleinen ruhelosen Zähnen Und habt ihr nie beklommen euch gefragt, Ob fest der Mörtel auch von Blut und Thränen?
Ihr zuckt die Achseln und ihr lächelt kühl: Mein Gott, wie kurios ist so ein Dichter!" Wärt ihr bei Sinnen, würd' euch bang und schwül
Wir stellen einst für euren ,, Fall" die Richter, Wie wir zur Zeit den mahnend lauten Ruf Tiefernster Klage wider euch erheben, Mögt ihr ihn auch durch eurer Rosse Huf Und Räderrollen zu ersticken streben.
Wie seid ihr thöricht! Glaubt, wir meinens gut, Sogar mit euch, die ihr uns stets verachtet Der Dichter Gilde hat nach heißem Blut, Nach Leichenhaufen nie und nie getrachtet. Wir sind die Lerchen hoch im klaren Blau Und nicht der Wahlstatt nimmersatte Raben Man soll euch nicht aus dem gefallnen Bau Und seinem Schutt zerschellten Hauptes graben.
Wärt ihr so klug als ihr verblendet seid,
Ihr dächtet nicht ans Schießen und ans Hauen, Ihr kämt zu uns und schwür't den höchsten Eid, Euch unsrer Führung blindlings zu vertrauen; Wir sehn und hören mehr, als ihr nur ahnt. Für uns ist Rede was für euch ein Stammeln und deutlich sehn wir einen Weg gebahnt, Wo nackte Felsen euch den Paß verrammeln.
Wo euer Ohr kein Flüsterlaut erreicht, Da hören wir ein Klingen und ein Rauschen; Vertraut auf uns es ist für uns so leicht, Des Volkes Herzschlag nächtlich zu belauschen. Das Eisenthor, vor dem ihr ab euch müht Ein Wink von uns, es wird sich rasch entriegeln, Wir lesen täglich in des Volks Gemüth Das euch ein fremdes Buch mit sieben Siegeln!
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Und glaubt uns nur was in dem Buche steht, Entspricht gar wenig euren Fieberträumen; Aus dieses Buches alten Blättern weht Ein süßes Duften wie von Lindenbäumen; Wohl klagt und weint in ihm ein schwerer Gram Und wer's gelesen wird an Mitleid kranken, Doch stiege heiß euch ins Gesicht die Scham, Denn frei von Neid und Haß sind die Gedanken. Man hat euch bange vor dem Volf gemacht- Zu wilder Drohung ward euch drum sein Trauern, In seiner Seele soll, bedeckt von Nacht, Der Drache thierischer Gelüste lauern, und springt er auf, so schlägt der Schuppen schweif
Die Arbeit der Jahrhunderte zu Trümmern Und unter Mehlthau wird und nächt'gem Reif Die zarte Blüthe edler Kunst verkümmern.
Nicht wahr, ihr Herr'n, so redet man euch vor, So hat beharrlich man euch vorgelogen? Und immer war der Dichter euch ein Thor, Vor dessen Hauch der wüste Sput zerflogen? Es hat in euch zum Dogma sich verſteint Das harte Wort der Superklugen, Kalten: Das Volt, mein Sohn, ist unser ew'ger Feind Und mit Gewalt muß man es niederhalten!"
Max Frausil.
Jch aber sage: ,, Laßt den düstern Wahn; Das Volk ist gut. Versucht gerecht zu werden Mehr will es nicht- dann ebnet sich die Bahn Und Friede wird für alle Zeit auf Erden. Ihr müßt entscheiden, ob das Trauerspiel Auch ferner herrsche auf der Erde Bühne, Bis über euch der schwere Vorhang fiel Und wählen müßt ihr zwischen Sturz und Sühne.
In Eintracht kann die Wandlung wohl geschehn, Und leicht und schön und ohne Krampf und Zucken; Auf alle Fälle wird sie vor sich gehn Man wird sich ewig vor der Nacht nicht ducken. So oder so! Es bleibt nicht wie es ist, Ist auch nicht rathsam, auf die Macht zu pochen! Es hat so Mancher in verwandtem Zwist Den findschen Wahn bezahlt mit Kopf und
Knochen.
Schlagt nicht die Warnung spöttisch in den Wind! Treibt's nicht dazu, daß sich das Volk erhebe! Von seinen Armen streift das Riesenkind Die Eisensessel ab wie Spinngewebe. Es strafft die Muskeln und mit einem Schrei, Der auch des Nachts emporschreckt aus den Betten, Und klirrend springt wie sprödes Glas entzwei Die schwerste, bestgeschmiedete der Ketten.
Bedenkt es wohl so rasch verrinnt der Sand! Verspottet nicht den Träumer, den Poeten! Das ,, Mene tekel!" ist an eure Wand In Flammenzügen deutlich schon getreten. Wenn nicht an euch, an eure Kinder denkt, An eure Enkel und an ihre Kleinen, Damit sie nicht dereinst in Leid versenkt, Der Aelterväter starren Trozz beweinen."
Ob ihr's bedenkt? Zu hoffen wag' ich's nicht. Wohl hören wir das ew'ge Schicksal schreiten Und sehn das Kommende in klarem Licht, Doch unser Ruf verhallt in öden Weiten. Das Wahr und Falsch sind wunderlich vertauscht; Als blind verhöhnt den Sehenden der Blinde Und wie das Laub, das welk vom Baume rauscht, Verweht auch dieses arme Lied im Winde!
Leonhard Helm.