v. Reckenstein eine kleine Genugthuung zu verschaffen, sprach in sehr gespreiztem Tone zu dem Dienstmädchen gewandt, das eben die dicken Talgkerzen in den hohen, blankgeputzten Messingleuchtern entzündete:
,, Mein Kind, geleiten Sie diese Damen in das für sie bestimmte Gemach und erweisen Sie ihnen dort alle Dienste, lassen Sie ihnen alle Bequemlichkeiten angedeihen, welche das Haus zu bieten vermag."
Wünschen die Herrschaften noch ein Zimmer," fragte das Mädchen dienstfertig ,,, mit zwei oder drei Betten?"
,, Die gnädige Frau wird Ihnen ihre desfallsigen Befehle schon geben, führen Sie die Damen nur in ihr Gemach. Nicht wahr, meine theuere Edeltrud," fuhr er, der sich schwerfällig aus den weichen Polstern des Lehnstuhls Erhebenden den Arm bietend, fort ,,, wenn du dich etwas restaurirt haben wirst, dann nehmen wir das Souper hier in diesem wohnlichen Gemache zusammen
ein?"
Sie nichte nur stumm Gewährung, die Gegenwart der Dienerin verschloß ihren Mund, dann folgte sie der freundlichen Einladung des voranschreitenden Mädchens und verließ mit Adelgunde das Zimmer; Röschen trippelte hinterdrein.
Der Gatte und Vater stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als er seine Lieben verschwinden sah. Das Mittel hatte sich probat erwiesen, freilich war der Sturm nur für den Moment abgeschlagen, denn davon war er überzeugt, daß die Gattin eher sterben als ihn mit ihren Klagen verschonen werde aber, wer weiß, es konnte ja irgend ein unerwarteter Zufall eine mildere Stimmung erzeugen bestenfalls hatte er Zeit gewonnen, und das war schon etwas.
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Uebrigens war das Selbstgefühl des kleinen Mannes ebenfalls in nicht geringem Grade durch den lieblosen Empfang der Dohlenwinkler Verwandten verletzt. Er theilte, was dies betraf, der Gattin Meinung, daß diese Kleinstädter es sich immerhin zu großer Ehre rechnen könnten, den Hofrath v. Bartels zum Mitbürger zu erhalten.
Deshalb warf sich der kleine Hofrath auch recht stolz in die Brust, als nach bescheidenem Anklopfen der Wirth des schwarzen Wallfisches in's Zimmer trat und sich höflich nach den Wünschen der ,, verehrten Gäste" erkundigte.
Ehe die letzteren zur Aussprache kamen, sagte das graue Männchen, mit einer graziösen Handbewegung nach einem leeren Stuhle weisend:
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,, Nehmen Sie Play, Herr Wallfisch; wir sind, wie mir scheinen will, alte Bekannte, nur wußte ich nicht, daß Sie jetzt hier in dohlenwinkel einen Gasthof besitzen. Sie lebten früher bei Ihrer Tante in Neustadt, wenn mir recht ist?" " Ja" stammelte der Wirth, sich auf dem angebotenen Sessel niederlassend ,, aber, wenn Sie das alles so genau wissen, dann können Sie ja nur ein Stadtkind sein, der"- Ich bin der Hofrath v. Bartels," fiel Herr Sebaldus würdevoll ein und schüttelte die ihm dargebotene Rechte des einstigen Schulkameraden.
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,, Dacht ich's doch," rief dieser, die Hände zusammenschlagend, ,, hab' ein Vöglein davon singen hören!"
,, Das war wohl mein Herr Bruder Jakob?" ,, Fa hab' zuweilen die Ehr' seines Besuches." " Und die übrigen Glieder der Sippe?"
Kommen auch ab und zu. Der Herr Meister trinkt regel mäßig sein Schöppchen hier."
Wie vertragen sich denn die Geschwister unter einander?" Herr Wallfisch lächelte und schob sein goldgesticktes Käppchen vom rechten zum linken Ohre.
Deutsch gesagt vertragen sich die Leutel wie Hund und Kay' ist halt eine furiose Geschichte das."
Wir reden davon noch mehr," erwiderte der Hofrath hastig, denn der Ruf: ,, Sebaldus!" war, aus dem Nebenzimmer dringend, an sein Ohr geschlagen. ,, Dann müssen Sie mir auch von sich erzählen, lieber Wallfisch, und wie es gekommen, daß Sie Sich hier angekauft. Ist die alte Tante gestorben?"
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Zu dienen. Aber, Herr Hofrath, die Geschichte hört sich an wie ein Roman, das glaubt niemand, der das nicht selbst, wie ich, erlebt. Mein Glück und mein Unglück oder eigentlich mein Unglück und mein Glück verbesserte er sich verdanke ich ganz allein dem Liede vom schwarzen Wallfisch von Askalon - Sie werden fennen es gewiß auch es ist ja ein Studentenlied Sie das glauben?"
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,, Sebaldus!" rief eine Stimme im Nebenzimmer.
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Jetzt eilte der Hofrath fort. Gewiß, wir sprechen uns dieser Tage recht umständlich über all das aus; für heute bitte ich nur um ein recht gutes Abendessen hier oben meine Gattin wird zu ermüdet sein, um an der Wirthstafel zu speisen." ,, Verstehe- soll alles pünktlich besorgt werden," antwortete der Wirth, sich verneigend, dann verließ er das Gemach.
In dem geräumigen Hausflur angekommen, öffnete er die Thür, welche in die große, sauber gehaltene Küche führte und rief: ,, Grethel Grethel!"
,, Komm' schon!" erwiderte eine stattliche, noch immer hübsche Frau, und in das Hinterzimmer tretend, wohin ihr der Gatte schon vorausgeeilt war, fragte sie gelassen:
,, Na, was gibt's denn, ist's wegen der Fremden droben?" " Natürlich," ficherte Herr Wallfisch, wohlgefällig sein rundes Bäuchlein klopfend, denk dir nur, der alte Meister Jakob hat doch recht gehabt, jetzt sind die adligen Bartels'schen auch angerückt kommen, die droben sind's. Alleweil wird die Kazbalgerei losgeh'n!"
,, Na, da spielt's aus!" sagte die dicke blonde Frau und setzte sich schwerfällig nieder.
Ueber das lange und für gewöhnlich nicht sehr geistreich in die Welt schauende Gesicht des flachsblonden Wallfisches glitt ein schlaues Lächeln, wie Sonnenschein, dann murmelte er händereibend:
,, Wird uns ein hübsches Sümmchen eintragen das- denn nun werden Herr Jakob, der Hofrath, Eusebius und Johann noch öfter hier erscheinen und ihre Klagen und Anschuldigungen anbringen bei einem frischen Schöppchen von meinem guten Wein. Uebrigens scheint der Sebastian oder Sebaldus, wie seine adlige Frau ihn ruft, nicht allzu hochmüthig geworden zu sein, denn er erinnerte sich noch der alten Freundschaft und will morgen" bei einem guten Tropfen ein Plauderſtündchen mit mir halten. Schien ihn gewaltig zu interessiren, wie der arme Lehrerssohn zu einem so stattlichen Anwesen und einer so hübschen Frau gekommen sei werd' ihm das alles erzählen und das Lied vom schwarzen Wallfisch als Dreingabe vorsingen."
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Jonas," lächelte die geschmeichelte Gattin und hob warnend den Zeigefinger in die Höhe, Jonas, da wirst du wieder viel zusammenflunkern und dich herzhaft herausstreichen."
,, Nur die Wahrheit, Weibchen- ach ich bin heut so vergnügt, wie wär's, Margaretlein, trinken wir ein Schöppchen, ich sing' dir dann auch eins:
Im schwarzen Wallfisch zu Askalon -""
,, Mann, bist denn gar närrisch geworden? ich muß ja nach der Küche, das Nachtmahl richten lassen!"
,, Herrje da fällt mir ein, der Herr Hofrath v. Bartels wünschte ja das Nachtessen bald und oben in der grünen Stube einzunehmen das hätt ich fast vergessen!"
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Plauderhans!" rief die dicke Frau strafend, erhob sich und eilte in die Küche.
Auch wir verlassen den etwas beschämt dastehenden Wallfisch, dessen Geschichte der geneigte Leser im nächsten Kapitel erfahren wird, und begeben uns in den Oberstock, in das Zimmer des Hofraths, der jetzt nicht mehr allein, sondern im Kreise seiner gleichfalls hungrigen Lieben sich befindet.
Frau Edeltrud macht eben Miene, die Schale ihres Zornes recht gründlich über Dohlenwinkel und dessen Bürger auszuschütten, als nach einem hastigen Anpochen die Thür geöffnet wird und ein mageres Männchen sich in's Zimmer schiebt, das eine unleugbare Familienähnlichkeit mit dem adligen Bartels hat, also jedenfalls ein Sproß dieses Geschlechtes ist.
Man sieht es dem Männchen an, daß es die Sonntagstoilette in großer Eile gemacht, denn der neue Ueberrock ist über ein zerknittertes Hemd fast bis oben herauf zugeknöpft und die braunen Hände, die von harter Arbeit zeugen, sind nur nothdürftig gewaschen.
,, Grüß Gott alle bei einand'!" ruft Meister Johann Bartels, der Tischler, denn dieser ist das Männchen, mit etwas linkischem Gruße der adligen Sippe entgegen.
Der Hofrath erhebt sich schnell und wird von dem Bruder hastig umarmt.
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,, Also da bist du doch gekommen, Sebastian schau, schau so alt und grau geworden und das ist wohl deine Frau Gemahlin? Grüß Gott, Frau Schwägerin, nun, meiner Treu, hat sich da etwas Hübsches ausgesucht, der Bastian, müssen mal sehr schmuck gewesen sein-freut mich, freut mich!" Die Hofräthin erhob sich steif und legte ihre seine Rechte in die schwielige Hand des Meisters.