. Ackererde und die nicht minder wunderbare Absorptionskraft 11 Wollfaser wirken, die durchstreichenden Stoffe desinfizirend und ■' sich selbst infizirend in jeder Beziehung parallel. Gleichwie nämlich alle Ackererdsorten, selbst Sand und Sandstein, mehr oder weniger die Fähigkeit besitzen, aus Lösungen die ' extraktiven Theile auszuziehen und völlig in sich aufzunehmen, ohne sie wieder durch das nachrückende Wasser loszulassen, gleich- wie selbst die aufgelösten Ammoniaksalze der Mistjauche von der Ackerkrume bis zur Sättigung aufgenommen werden, und nur ein geringer Theil durch nachrückendes Wasser hindurchgespült wird: geradeso besitzen Wolle, Epidermis, Haare, Kleider- und Papier- safer in verschieden hohem Grade die fatale Fähigkeit, aus den Lüften, in welchen sie sich befinden, und aus den Leibern, auf welchen sie als Kleider oder Bettdecken getragen werden, gewisse Stoffe— so bekanntlich Riechstoffe, z. B. Rauch von Tabak und röstenden Kaffeebohnen, Düngerdunst, Schweiß, Krankheitskeime, massenhaft in sich aufzunehmen und zu verdichten und nur einen geringen Theil davon durch nachrückende Luftströme, besonders nach Anfeuchtung und Erwärmung allmälig an die umgebenden Medien wieder loszulassen. Die Gesundheitspflege, namentlich die Seuchenkunde, muß sich, wenn sie überhaupt die einfachsten Vorgänge der Seuchenausbrei- tungen— und zwar nicht allein für Pocken, sondern auch für Masern w.— verstehen will, mit der Lehre von der Absorptions- kraft der Wollfaser, dieser transportabeln„Ackerkrume" der Menschenhaut, vertraut machen. Auch das räthselhafte, verschieden- artige Verhalten der verschiedenartig behaarten Thiergattungen, i- B. des glatthaarigen Kuhviehes und des wollhaarigen Schafes, gegen ein und dasselbe thierische Gift, gegen die Pocken, die große Empfänglichkeit des in Leder gekleideten Menschen des Mittel- alters gegen das Pestgift und des in Wolle einhergehenden Menschen gegen das Pockengist, kann ohne einige Kenntniß der Absorptionseigenschaften der verschiedenen Bekleidungsgewebe nicht verstanden werden. Durch v. Liebig angeregt, sind über das Absorptionsvermögen des Ackerbodens viele Versuche gemacht worden. Schon früher hatte man Mistjauche durch Erde hindurchfiltrirt und gefunden, daß die Jauche nach der Berührung mit der Erde ihre Farbe sowie ihren Geruch und ihre Ansteckungsfähigkeit verloren und an den porösen Ackerboden abgegeben hatte. Auch die Absorptions- unterschiede der verschiedenen Erdsorten für einzelne Jnfekttons- stoffe ist festgestellt worden. Auch weiß man schon, wie und unter welchen Bedingungen die von dem Acker angesogenen Stoffe wieder an nachbarliche reine Medien verabfolgt, von denselben wieder gelöst und von neuem wirksam gemacht werden. Aehnliche Aufgaben liegen uns Aerzten für die wiffenschast- liche Erforschung der leblosen Seuchenträger ob. Wir müssen, nachdem wir uns endlich die Jmpfspielerei aus dem Kopfe ge- schlagen haben, an ihrer Stelle die großartigen Absorpttonsvor- gänge der Seuchen kulturgeschichtlich studiren. Auf diesem Wege nur gelingt es uns, die natürlichen Träger des r lsichtbaren Seuchengiftes zu entdecken und so der Seuchen Herr zu werden. Wir werden uns dann nicht mehr vor ungeimpften, also vor undurchgifteten Menschenleibern, sondern vor durchgifteten— *) Vgl. Dr. Ed. Heiden, Lehrb. d. Düngerlehre. 1. Bd. 3. Kap.— Bronner, Der Weinbau in Süddeutschland, Heidelberg 183S.
Wie Lonaparte 1797 Am 7. Februar 1797 schrieb ein junger schweizerischer Künstler aus Rom nach der Heimat:„Die Zerstörung ist hier fürchterlich, die schönsten Gemälde werden um Spottpreise veräußert. Ich habe aus der aldobrandinischen Kapelle für wenige Louisd'or einen äu Vmci und einen Niederländer gekauft und hätte noch vieles ebenso billig haben können. Gar mancher hat sich bereichert; es wurde mir ein sehr schöner Annibale Carracci für 40 Scudi angeboten; je heiliger das Bild desto wohlfeiler... Ich war gestern auf dem Kapitol, wo es ganz verwünscht aussieht. Anti- nous steht mit einem hölzernen Kragen und mit dicken Hand- schuhen angethan, in einer Küche; der Aegypter ist in eine' Kiste eingezwängt, mit den Füßen im Bock und steht auf dem Kopfe. Der sterbende Fechter läßt sich blos mit den Fußspitzen sehen und ist in Stroh emballirt; die schöne Venus ist bis an den zarten
ipen fürchten, sei es, daß sie auf dem Leibe eines geimpften oder eines ungeimpften Menschen oder eines Rekonvaleszenten getragen werden.— Das Studium der Absorptionsgesetze für die Kleider erklärt uns auch, wie wir oben gesehen haben, die Wege, auf welchen unsere Vorfahren die mittelalterliche Pest, welche ebenfalls an der Bekleidung und zwar an den schlecht gegerbten Lederkostümen haftete, so glücklich losgeworden sind. Wenn die Absorpttonsgesetze, welche für die Ackererde durch v. Liebig so schön erforscht sind, in ihren Grundzügen auch für unsere Hantdecken, die Kleiderstoffe, in ihrer absorbirenden Wir- kung auf flüchtigen Luftinhalt gelten, dann müssen wir den fol- genden Satz anerkennen, welcher einem analogen Erfahrungssatze der Ackerabsorption entlehnt ist: Die aus der Haut abgedunsteten oder aus der umgebenden Lust absorbirten Stoffe, wie Tabaks- oder Weihrauchdüfte, Moschus, Stall- und Latrinendünste, Pockenluft, Masern- und Scharlach- atinosphären werden bei der Absorption durch Kleiderstoffe nicht luftunlöslich, sondern nur an die Faser verdichtet und schwer- löslich in Luft gemacht; hinzukommende Feuchtigkeit oder durch- strömende reinere Luft vermögen, besonders bei höherer Tempe- ratur, einen Theil der absorbirten Stoffe wieder aus der Faser loszulösen und mit sich fortzuführen, ihn zu verdunsten. Es ist aber eine viel größere Menge nachströmender Luft und viel mehr Zeit erforderlich, um das von der Wolle oder der Kleiderfaser einmal absorbirte Seuchengift wieder spurlos aus ihr zu entfernen, als nothwendig gewesen wäre, dasselbe Giftquantum, wenn es nicht von Kleidungsstoffen wäre aufgehalten worden, direkt aus der Luft des Krankenraumes zu entfernen. Es verhält sich hiermit genau so wie mit dem von den Ackererden absorbirten Ammoniak des Regenwassers; auch dieses wird trotz seiner sehr großen Löslichkeit, von dem nachströmenden Wasser nicht leicht mehr aus der Ackerkrume ausgewaschen. Halten wir diese durch die Erfahrungen der Neuzeit bestätigte Analogie zwischen Seuchenabsorptton durch Wolle und Kleider und Ammoniakabsorption durch die Ackererde des Alluvialbodens fest, so gelangen wir zur Aufftellung des Satzes: Es besteht vermöge der Absorption ein Paral- lelismus der Aufeinanderfolge zwischen Bewegung von Wolle und Lumpen einerseits und Bewegung der Pockenseuchen andrerseits; mit andern Worten: Die Bewegung von Wolle und Lumpen ist ein unveränder- liches, positives und daher ein ursächliches Antezedens der Bewegungen der Pockenseuche— oder: die Pockenseuche ist — ähnlich wie die Krätze— eine Woll- oder Lumpen- (Hadern-) Krankheit.— Es wird mir nicht schwer fallen, für dieses gleichmäßige zeit- liche und örtliche Zusammengehen von Woll- und Lumpenpflege und Seuchenschwankungen aus der Geschichte der Textilindustrieen und der Kostümkunde sowohl wie aus den eigenen und aus fremden ärztlichen Beobachtungen der jüngsten Epidemien die genauesten Nachweise zu erbringen. Jede neue Seuche, jede kleinste Ortsepidemie zeigt uns, daß und wie und wo die Kurven des Ganges der Blatternseuche bis in's Detail gewissen Bewe- gungen der Wolle und der Kleider»c. im Volke folgen, und daß gegen diesen Parallelismus zwischen Wolle und Seuche der Pa- rallelismus zwischen Seuche und Nichtgeimpftsein nichts als eine müssige und lächerliche Spielerei ist.
die Italiener befreite. Busen in Heu begraben und zwischen Querhölzer hineingepreßt, doch ihr liebliches Gesicht blickt so beweglich aus dem Kasten, daß einem das Wasser in die Augen kommt. Flora steht mitten im untern Gang, ringsum eingepflöckt, und dennoch scheint es, als ob sie Freude dran hätte." Die Italiener mußten die„Freiheit", welche ihnen General Bonaparte brachte, zu einem fürchterlichen Preise bezahlen. Das Nähere erzählt mit rücksichtsloser Offen- heit ein französischer Historiker der ehrliche Linffray. Schon die Proklamation, mit welcher'Bonaparte die Soldaten seiner Armee anfeuerte, war sehr bezeichnend:...„Ihr werdet dort große Städte und reiche Provinzen, Ehre, Ruhm und Schätze finden. Ihr werdet es an Muth nicht fehlen lassen." Die Mann- schast verstand den Wink ihres— Räuberhauptmannes so gut und kam demselben in so haarsträubender Weise nach, daß zuletzt