-

Also sprach der Versucher und Jonas Wallfisch folgte ihm, und zwar nur aus literarischem Interesse, wie er sich oder viel mehr wie er dem immer noch schlafenden Schutzengel heuchlerisch versichertet.

Und drinnen sang Kaspar:

Im schwarzen Wallfisch zu Ascalon, Da sprach der Wirth: ,, Halt an!

Der trinkt von meinem Baktrer- Schnaps, Mehr als er zahlen kann!"

-

Jonas aber drängte wieder: Weiter weiter!" bekam jedoch nur diesen einen, richtiger gesagt zweiten Vers zu hören, troz allen Bittens und Zuredens, denn mit teuflischer Ruhe verwies ihn Kaspar stets auf morgen!"

Wenn aber wenig gesungen wurde, so ward umsomehr ge­trunken und Jonas kam sogar betrunken nach Haus. Wie zeterte die alte Betschwester über der Zeiten und des jungen Wallfisches Verderbniß!

Jonas gelobte zwar reuevolle Buße und Umkehr, schob auch alle Schuld auf die beflügelten, lässigen Schultern seines Schuß engels, dennoch konnte er selbst es nicht hindern, daß der Böse, ermuthigt durch den ersten Sündenfall, Besitz genommen hatte von seiner Seele. Tag und Nacht, wachend und träumend, sang, flüsterte nnd wisperte es vor seinen Ohren:

Im schwarzen Wallfisch zu Ascalon 2c. 2c.", und nur um endlich diese innere Stimme zum Schweigen zu bringen, über­schritt er wieder die Schwelle der Kapelle des Teufels und ver­nahm von Kaspars Lippen mit immer neuem Entzücken:

,, Im schwarzen Wallfisch zu Ascalon, Da bracht der Kellner Schaar, In Keilschrift auf sechs Ziegelstein', Dem Gast die Rechnung dar."

Diesmal verhehlte Jonas schon seinen Fehltritt, heuchelte in der Betſtunde gewesen zu sein, und es gelang ihm sogar, die Tante zu belügen. Margarethlein jedoch traute ihm nicht, denn sie hatte vernommen, wie ihr Herzallerliebster fichernd und im Zimmer umherspringend, gleich einem jungen Böcklein, unaufhör­lich vor sich hin gesungen hatte:

Im schwarzen Wallfisch zu Ascalon Da sprach der Gast: O weh',

Mein baares Geld ging alles drauf, Im Lamm zu Niniveh !"

Und der böse Kaspar frohlockte. Höhnisch brüllte er an einem der folgenden Tage, als Mitternacht schon vorüber war, dem ge­fallenen Jonas zu:

Ich schwarzen Wallfisch zu Ascalon,

Da schlug die Uhr halb vier,

Da warf der Hausknecht aus Nubierland

Den Fremdling vor die Thür!

Im schwarzen Wallfisch zu Ascalon

Wird kein Prophet geehrt,

Und wer vergnügt dort leben will, Zahlt baar, was er verzehrt!"

-

-

Nun kannte Jonas allerdings das ganze Lied, aber aber diese Wissenschaft kostete ihn die Gunst der Tante und eine runde Erbschaft von 20,000 Thlr. denn als der entartete Neffe der polternden Alten einst, um Mitternacht nach Hause kommend, mit heiserer Stimme die Früchte seiner Wirthshausstudien in Gestalt des Liedes vom schwarzen Wallfisch vorgetragen, flog er, geschleu­dert von ihrem, durch heilige Entrüstung gestählten Arm, aus der Stube und bald auch aus dem Hause und saß nun in Wahr­heit im schwarzen Wallfisch zu Ascalon, oder fürzer gesagt: in

der Tinte.

Zwar hatte der Wirth, Herr Bummelmeier, keinen Hausknecht aus Nubierland, den Fremden vor die Thür zu sehen, aber auch er huldigte der Moral von Kaspars Leiblied:

-

,, Und wer vergnügt dort leben will, Zahlt baar, was er verzehrt."

-

um

Und so kamen sie denn, die Tage der Trübsal; Tante Ursula starb aus Gram und Gallsucht und hinterließ dem leichtsinnigen Neffen nichts als ihren Fluch und das alles um nichts- Hekuba um des Wallfisch- Liedes willen!" So rief Jonas und warf, wie einst Hans im Glück, auch dies letzte Besißthum, nämlich den Fluch der Tante von sich, notabene, er gab ihn dem Wirth für allen genossenen Gerstensaft und Baktrerschnaps als Zah­lung an.

26

Jonas fluchte auch dem bösen Kaspar, was ihm ebenfalls nichts einbrachte, und war tiefbetrübt; am allertraurigsten aber war ihm zu Muthe an dem Abende, wo er Abschied nehmen sollte von Margarethe.

Sie wenigstens sollte ihn nicht noch schlechter beurtheilen als unumgänglich nöthig war. Und der Geist kam über ihn und er schilderte mit ciceronischer Beredsamkeit und apostolischem Feuer, welcher Falle der Böse sich bedient habe, um seine arme, unschul­dige Seele zu fangen, seine Lammesunschuld zu trüben.

Margareth hörte zu, bald mißbilligend das Mäulchen ver­ziehend, bald mit halbem Lächeln und unter Kopfschütteln; als der reuige Sünder aber schluchzend ihre Hand ergriffen und nur noch auf ein Wörtlein der Vergebung harrte, da wisperte sie mit verlegenem Augenniederschlag:

Aber wie kann denn ein bloßes Lied so gar viel Verderb­liches gewirkt haben? Das glaube ich kaum ich möcht' es indessen auch einmal hören."

-

m:

Da war's ihm, als öffne sich der Himmel und St. Petrus stehe an der goldenen Pforte und halte ein riefina in der heiligen Rechten und tränke ihm, glüc Smollis zu! Alle Erz- und Posaunen- Engel sangen begeistert im Chor:

Im schwarzen Wallfisch zu Ascalor

-

Und er sang mit und mit seinem Singer gethan!

Die Moral von der Geschichte aber ist, i wenn ihm durch den kleinen Dienstfehler eines gegeben über eine Menschenseele und er schon guauor, dieselbe beim Wickel zu haben, doch schließlich noch geprellt wird um den Preis für seine Mühe.

So erhielt Jonas wenigstens, nachdem er sämmtliche sechs Verse des schwarzen Wallfisch" der schönen Magareth gelehrt, zum Lohne dafür ihre Hand und mit dieser die Erbschaft der frommen Tante.

Aus Dankbarkeit aber gegen den Urquell seines Glückes, auch wohl aus eigener Neigung, beschloß Jonas die Gelehrsamkeit an den Nagel zu hängen, zog mit seinem jungen, hübschen Weibchen zurück in die Heimath und richtete in der Vaterstadt Dohlenwinkel ein gutes Wirthshaus ein, das er zum schwarzen Wallfisch" be­namsete.

Das Geschäft gedieh und blühte und mit ihm blühte und ge­dieh das Ehepaar und ein halbes Dußend junge Wallfischlein. Jedem Stammgaste aber hatte der gesprächige Wirth in dem grünen Hinterzimmer seine Lebens-, Liebes- und Leidensgeschichte erzählt, wie eben jetzt auch dem Hofrath von Bartels.

Wir haben dem freundlichen Leser die Erzählung des Wirthes um so weniger vorenthalten, als nächst dem Erbonkel" der " Schwarze Wallfisch" die interessanteste Persönlichkeit in Dohlen­winkel ist. Letzteres, ein kleines Städtchen, an der östlichsten Grenze des Herzogthums gelegen, von dessen Beherrscher dem Hofrath se übel gelohnt worden, bestand eigentlich nur aus einem Marktplatz, von dem aus mehrere winklige, enge Straßen aus­gingen. Das Ganze ward umschlossen von einer halb zerfallenen Stadtmauer. Eine kahle, jedes landschaftlichen Reizes entbehrende Gegend bot sich dem Auge des Beschauers dar, der die Luft in den engen Straßen zu drückend fand und außerhalb der Stadt­mauer zu athmen wünschte. Eine verstaubte Kastanienallee, in welcher die Dohlenwinkler zu lustwandeln pflegten, und ein schmaler Graben sie nannten ihn Bach der im Hochsommer nur mephitische Dünste verbreitete, an dessen Rändern aber Vergiß­meinnicht wuchsen für zarte, liebende Herzen- dies waren so ziemlich die einzigen Naturschönheiten, welche die bescheidenen Kleinstädter, und dies auch noch in sehr homöopathischer Dosts genossen.

-

-

Das gemüthliche Plauderstündchen in der grünen Extrastube wurde durch die Meldung des Hausknechts, die gnädige Madame oben wäre fertig und ließe den Herrn Hofrath bitten herauf zu kommen, unterbrochen.

Herr Sebaldus erhob sich seufzend, reichte dem Wallfisch" zwei Finger seiner rechten Hand und sagte:

" Das ist für mich auch ein saurer Gang, hab' den Bruder Jakob viele Jahre nicht gesehen, und da mag's schon sein, daß er noch wunderlicher geworden ist. Große Harmonie hat nie zwischen uns geherrscht. Nun, dte erheiternde Gegenwart der Damen, denk ich, wird uns über die ersten peinlichen Momente weghelfen."