Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk.
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1877.
A.
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Erscheint wöchentlich. Preis vierteljährlich 1 Mark 20 Pfennig. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter.
In Heften à 30 Pfennig.
Der Erbonkel.
Novelle von Ernst von Waldow.
( Fortseßung.)
Die Brüder standen sich gegenüber, sie waren einander nie| Vergißmeinnicht, der sich in ihren röthlichblonden Locken verlor. sehr sympathisch gewesen und Sebastians Ehrgeiz hatte die Sie sah sehr schmachtend aus. Auf des kleinen Röschen Toilette Spottsucht Jakobs stets herausgefordert. Jetzt war der„ kleine war mindere Sorgfalt verwendet worden. Minister" ein abgedankter Hofbeamter, der es nicht unter seiner Würde fand, auch um die Erbschaft des„ geizigen Krämers" zu buhlen.
Mit einem triumphirenden Lächeln blickte denn auch Jakob nach der ziemlich fühlen Umarmung auf das schüchterne Männchen herab und sagte dann mit einem Versuche, einiges Wohlwollen in den Ton seiner Stimme zu legen:
" Ja, ja, ich hab mir immer gedacht, daß es einmal so kommen wird; nun, du hast mir damals nicht geglaubt, hast dein Kapitälchen schlecht angelegt- schlecht angelegt, Fürsten gunst ist eitler Dunst, jetzt kommt jeder gute Rath leider zu
spät."
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Der Hofrath nickte wehmüthig mit dem grauen Köpfchen und murmelte dann etwas von den Seinen", die es schon kaum erwarten könnten, die Bekanntschaft des verehrten Onkels zu machen. Herr Jakob grinste vergnüglich.
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So, so, hätt's kaum gedacht, daß auf meine alten Tage noch von den schönen, adligen Damen werd' so tascholirt werden; na, da komm aber, Bastian, wollen deine Gnädige nicht warten lassen,-müßtest es am Ende gar daheim büßen he? Oder hast du das Hausregiment? Schaust mir eben nicht darnach aus!"
Damit waren die beiden Arm in Arm in das nächste Gemach das Empfangszimmer getreten. Dasselbe war höchst ärmlich ausgestattet, sechs Stühle, ein altmodisches Kanapee, einige Schränke und Kommoden, zwei schlechte Stahlstiche an den Wänden Napoleon in Fontainebleau" und das Mädchen von Saragossa " bildeten so ziemlich die ganze Ausstattung des Zimmers, dessen düstere Fenster mit den halb erblindeten Scheiben nicht einmal durch weiße Vorhänge ein freundliches Ansehen erhielten.
Auf dem hartgepolsterten Sopha saß Frau Edeltrud, angethan mit einer schweren, langschleppigen Seidenrobe und einem weißen Hute, von dem stolz und zugleich herablassend zwei dicke Straußenfebern winkten.
Adelgunde war in ein weiß und blau gestreiftes Wollenkleid gehüllt und das Innere ihres Hütchens zierte ein Kranz aus
Dame Edeltrud erhob sich steif und reichte dem Schwager Jakob, wie gestern Johann, ihre Rechte, jedoch war das Lächeln, welches jetzt ihren Mund umspielte, bedeutend freundlicher und sie sprach auch einige höfliche Worte, in denen sie die Freude, daß es ihr endlich gestattet sei, der Familie ihres theuren Sebaldus näher zu treten, gewandt Ausdruck gab.
Jakob ließ die kleine Hand nach einem leichten Druck wieder lus und fragte mit gut gespielter Verwunderung: " Sebaldus, Frau Schwägerin, Sebaldus heißt wohl Ihr erster Mann?"
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„ Mein erster Mann?" rief die Hofräthin entseßt.„ Wissen Sie denn nicht, daß ich als eine jungfräuliche Braut in den heiligen Ehestand getreten bin?"
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,, Nein, in der That, dies war mir nicht bekannt, es freut jedoch, mich aber umsomehr, im Interesse meines Bruders,- nun, vielleicht eine dann war wohl dieser, Sebaldus' eine Jugendbekanntschaft, wenn man fragen darf?" ,, Aber ich nenne ja den Hofrath, meinen Mann, Sebaldus!" „ Ach so, da ist er umgetauft worden, also, Sie fanden hm, hm, für nöthig, ihm einen neuen Menschen anzuziehen, war immer so eine Art Don Juan, der gute Bastian, Vocativus, wie die Herren Cavaliere sagen, zu denen er sich doch gewiß gerechnet haben wird."
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Die Hofräthin wünschte augenscheinlich dieses unpassende Gespräch beendet, deshalb sah sie zu ihrer Tochter Adelgunde hinüber, und diese, den auffordernden Blick der wasserblauen mütterlichen Augen richtig deutend, stellte sich ohne Scheu vor Onkel Jakob in Positur und begann mit einem schmachtenden Blicke:
" Theurer Oheim, mir sagt es mein Herz, wir werden bald die besten Freunde werden. Mein weiches, liebevolles Gemüth sehnt sich nach Anschluß, mein dem Gewöhnlichen abholder Sinn war und ist stets dem Außerordentlichen, dem Seltenen und Genialen zugewendet gewesen und-"
Hier stockte Adelgunde, denn Jakobs Blick war mit einem Ausdruck auf sie geheftet, wie ihn etwa ein Sammler hat, wenn ihm ein neues Exemplar geboten wird, das er im Moment noch nicht zu klassifiziren vermag.
III. 27. Oktober 1877.