Na, erlauben Sie mir, das wäre eine schöne Geschichte, wenn Sie jetzt ausreißen wollten, nein, das dürfen Sie mir nicht an­thun. Auf Nachmittag zum Kaffee habe ich die ganze Verwandt­schaft geladen, und die Jungfer Martha und Emmerenzia würden mir schöne Gesichter machen und sich den Mund zerreißen, wenn sie das Nest ausgeflogen fänden. Deshalb habe ich ja noch heut vor Tage in aller Eil die großen Streuselkuchen gebacken, mein Kaffee, ich will mich nicht loben, aber nicht wahr, Johann, alles was recht ist, gut ist mein Kaffee, der wird Sie schon furiren, und der Kuchen soll Ihnen schmecken, und wenn Sie zehnmal aus der Residenz kommen, mein Kuchen ist berühmt. Essen und Trinken aber ist das beste Mittel gegen Kopfschmerz."

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Es war unmöglich, diese wortreiche Beweisführung zu wider legen, ja, auch nur zu unterbrechen, und so ergab sich die Hof räthin in ihr Geschick, und während Herr Sebaldus mit dem Bruder Haus und Werkstatt in Augenschein nahm, Röschen lustig im Hofe Versteckens" und Kämmerchen vermiethen" spielte, Frau Friederike aber in die Küche ging, um den Kaffee zu bereiten, indessen die taube Magd das Geschirr reinigte, lehnte Frau Edeltrud den schmerzenden Kopf, von dem sie die beneidete weiße Spitzenhaube abgenonimen, an die treue, schmächtige Brust der Tochter und tiefe Seufzer über den Verlust einer erträumten Herrlichkeit und die Leiden dieser, vulgären" Gegenwart stiegen zum Himmel auf.

Mit dem Schlage drei fanden sich die beiden jungfräulichen Schwägerinnen ein und begrüßten mit großer Zurückhaltung die bleiche Hofräthin, welche schnell wieder ihre Puzhaube aufgesetzt und die Falten des Grauseidenen" glattgestrichen, von dessen Reizen Frau Friederike sogar der tauben Magd in der Küche ,, beim Abwasch" erzählt.

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Fräulein Martha war jedenfalls die ansprechendere Erschei nung, flein und dick, hatte ihre sehr altfränkisch, aber sauber ge­fleidete Person etwas Gemüthliches, Vertrauenerweckendes. Nur die kleinen grauen Augen erinnerten durch den stechenden Blick an Bruder Jakob. Emmerenzia dagegen hatte die lange, hagere Figur mit dem Erbonkel" gemein und die großen Hände, sonst besaß sie, abweichend von den übrigen Bartels, dunkle, schwär merische Augen und schwarzes Haar, das sie zu beiden Seiten des hageren, gelblichen Antlizes in langen Locken herabhängen ließ. Das dunkle, altmodische Seidenkleid war mit rosa Schleifen in der überladensten Weise aufgeputzt, auch der Haarschmuck be­stand in rosa Bandrosetten.

Die Schwestern, welche zwar ziemlich gleichzeitig eingetroffen, aber nicht zusammengekommen waren, betrachteten sich mit scharfen und musternden Blicken, bald aber wandte sich ihre ganze Auf­merksamkeit den adligen. Verwandten zu, und der kleine Krieg, der zwischen Martha und Emmerenzia herrschte, ward durch einen in stillschweigender Uebereinstimmung geschlossenen Waffenstillstand sistirt.

Nachdem die beiden alten Jungfrauen eine halbe Stunde mit der Hofräthin und Adelgunde geplaudert, ward ihnen klar, daß die neuen Ankömmlinge keineswegs zu unterschäzende Gegnerinnen seien. Die stolze Erscheinung der Hofräthin oder Adelgundens schwärmerische Zartheit konnten doch einen Eindruck auf Onkel Jakobs unberechenbaren Sinn machen, und vielleicht testirte er auch nur zu Gunsten der Fremden", um die Dohlenwinkler Sippe recht tief zu kränken zuzutrauen wäre ihm dies schon.

Die dickbauchige braune Kaffeekanne, inmitten einer Anzahl, von einander verschiedener, goldgerändeter und mit sinnigen Sprüchen versehener Tassen erschien endlich. Der braune, stark mit Cichorie vermischte Trank übte aber nur scheinbar eine fried liche und versöhnliche Wirkung. Zwar saßen sie alle vereint um den runden Kaffeetisch, sogar die Kinder hatten sich mit gerötheten Wangen und in Unordnung gekommenen Kleidern eingefunden und vertilgten enorme Portionen des sehr schmackhaften Back­werks.

An die gnädige Schwägerin" wagten sich die Schwestern noch nicht heran, mit dem Bruder, der, wenn auch geadelt, doch ein Bartels" blieb und seit seiner Entlassung aus dem Staats­dienste überhaupt viel von seinem Nimbus verloren, war das etwas anderes, ihm konnten sie schon durch einige hingeworfene Bemerkungen auf den Zahn fühlen.

Beide waren von den Ereignissen des gestrigen Tages und dem Empfange, den die neuen Erbschleicher" bei dem Onkel ge­funden, vollständig, wenn auch durch verschiedene Quellen, unter­richtet.

Martha erfuhr, wie alles Wissenswerthe, auch dieses durch

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den Wirth zum Schwarzen Wallfisch". Emmerenzia hatte einen Seelenbund mit dem Ladendiener Hans geschlossen und besuchte sehr häufig den Laden unter dem Vorwande, kleine Einkäufe zu machen, dann ging sie auch auf ein Stündchen zu Frau Gertrud, und obgleich die häßliche Haushälterin eine erklärliche Abneigung gegen die ganze erbberechtigte Verwandtschaft ihres Herrn hatte, dem sie blind ergeben war, so konnte sie doch dem Reize eines Plauderstündchens nicht widerstehen, und wenn selbst die Ver-­sucherin Fräulein Emmerenzia war, die sie schon garnicht leiden mochte. Der redlichen, etwas schroffen Frau war nämlich die zur Schau getragene Schwärmerei der romantischen alten Jungfer gradezu widerwärtig, und die Seelenfreundschaft", welche Emme­renzia für den blöden Hans zu empfinden vorgab, wurde von Gertrud mit einem sehr derben Ausdruck, wenn auch richtig, aber nicht ganz ästhetisch bezeichnet.

Deshalb hatte Frau Gertrud auch der lispelnden Schwär­merin recht viel von dem Eindruck erzählt, den das hübsche Fräu­lein Adelgunde auf das empfängliche Herz ihres Neffen gemacht. Es ist erklärlich, daß Emmerenzia, die Fräulein von Bartels mit scheelen Blicken musterte, nur auf eine Gelegenheit wartete, ihrer Galle   Luft zu machen. Galle   Luft zu machen. Diese Gelegenheit ließ auch nicht lange auf sich warten, denn Martha, de kein Herzensinteresse bei der Sache hatte und der demgemäß die Erzählung von Röschens naivem Gespräche mit Bruder Jakob am wichtigsten gewesen, streichelte jetzt die Wangen des munteren Kindes und sagte lauernd:

Also das hier ist die zukünftige Herrin des Bartelshauses am Markte mitsammt dem vielen Gelde darin?"

,, Und den großen Puppen!" unterbrach Röschen fröhlich. Die Hofräthin und Adelgunde begannen unruhig zu werden, Frau Friederike goß im Aerger Emmerenzia's Tasse so übervoll, daß die rothgeblümte Kaffeeserviette Flecke bekam, und Herr Johann machte sehr energische Anstrengungen, den unsichtbaren Hobel in Bewegung zu setzen. Er faßte sich übrigens zuerst und fragte mißtrauisch:

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Wie ist denn der Spaß zu verstehen, Martha?"

" Nun, ganz einfach, Röschen hat dem Bruder Jakob dadurch, daß sie ihn mit Erbonkel" anredete, so gut gefallen, daß er sie zu seiner Erbin erklärt hat wenn dies nämlich die Schwester Adelgunde

Und Herr Theobald erlauben!" schloß Emmerenzia mit einem giftigen Seitenblick auf die erröthende Adelgunde.

Dummes Geschwätz," brummte Frau Friederike verdrießlich vor sich hin und fügte, zu den Kindern gewendet, hinzu: Wenn ihr satt seid, dann könnt ihr in den Hof spielen gehen, damit hier mehr Platz wird."

Die Kinder gehorchten sogleich, obwohl die kleine Franziska eine sehr mürrische Miene machte.

Die arme Hofräthin athmete erleichtert auf, seit das Enfant terrible" das Zimmer verlassen; aus Dankbarkeit ließ sie sich eine vierte Tasse Kaffee und ein fünftes Stück Kuchen von der be redten Frau Schwägerin aufnöthigen.

Wenn aber nun auch nothgedrungen das Gesprächsthema ge­wechselt wurde, so sorgten die beiden alten Jungfern schon redlich dafür, daß die vornehmen Verwandten nicht auf Rosen saßen und manche unliebsamen Dinge hören mußten.

Das graue Männlein verstummte endlich gänzlich, denn der Gattin zusammengefniffene Lippen und gerunzelte Brauen ver­fündeten ihm nichts Gutes. Welche Gardinenpredigt würde er da zu hören bekommen! Denn das war doch eine ausge­machte Sache, daß er, Sebaldus, oder, wie ihn hier die Geschwister nannten, Sebastian" für alle Taktlosigkeiten und Bosheiten der Sippe Bartels verantwortlich gemacht ward! Und nun fragte ihn noch Schwester Emmerenzia, die schnell die schwächste Seite der adligen Schwägerin ausgespürt, ob er denn schon den ge­lehrten Bruder Eusebius   besucht habe und es wisse, daß derselbe in seinen Mußestunden, deren er zwölf am Tage habe, die alten Schuhe und Stiefel der Dohlenwinkler ausflicke?

Die Hofräthin fuhr mit der Hand zum Herzen, wo sie einen scharfen Schmerz verspürte, dann richtete sie sich majestätisch auf und sagte tonlos:

" Ich befinde mich nicht wohl und wünsche mich mit meiner Tochter zurückzuziehen."

Die Frau Meisterin sprang geschäftig herzu, und nahm sich nur eben soviel Zeit, einen bösen Blick auf Schwägerin Emmerenzia zu werfen, die mit kindlicher Harmlosigkeit an den Schleifen ihres Busentuches zupfte und gänzlich ahnungslos schien, daß just ihre