sich aus den niedersten Formen entwickelt und vielleicht auch das Stadium des Affenthums berührt habe.
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Eine nüchterne Auffassung der Vorgänge an unserem eigenen Körper ist heutzutage ein dringenderes Bedürfniß als je; denn mit dem Aufschwunge, den alle Lebensgebiete in unserm Jahrhundert genommen, haben sich auch die Gefahren vermehrt, welchen der Mensch täglich ausgesetzt ist wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten, besonders die Fortschritte in der Industrie, die allgemeiner werdende Einführung von Dampfmaschinen, Triebwerken und mechanischen Vorrichtungen aller Art tragen zur Vermehrung der Gefahren sehr viel bei. Männer und Frauen, Erwachsene und Kinder mit zerquetschten Fingern, zermalmten Händen, Rißwunden am Vorder- und Oberarm bilden ein starkes Kontingent in den Krankenhäusern jeder größern Stadt. Durch die verschiedenartigsten Maschinen, Kreissägen, Räder, Hacken 2c. verstümmeln sich alljährlich so viele Menschen auf die verschiedenste Art, daß den mitfühlenden Menschen bei Betrachtung dieser Opfer der Industrie ein tief wehmüthiges Gefühl beschleicht und er gewiß zugeben muß, daß das Unternehmerrisiko weit weniger Gefahren hat als das Arbeiterrisiko. Fügt man noch die zahllosen Verlegungen auf den Eisenbahnen, bei Felsensprengungen, Tunnelbauten 2c. hinzu, dann wird man, wie Prof. Billroth in Wien trefflich sagt, begreifen, wieviel Schweiß nicht allein, sondern auch wie viel Blut an der modernen Kultur flebt!
An den Einzelnen tritt deshalb umsomehr die Verpflichtung heran, daß er sich Aufklärung verschaffe, wie er sich bei por kommenden Unglücksfällen verhalten soll und wie am ehesten einem Unglücklichen Hülfe und Linderung gebracht werden kann. Unsern Lesern wird es daher nicht unwillkommen sein, wenn durch die nachstehenden Zeilen der Versuch gemacht wird, gewisse Verhaltungsmaßregeln bei etwaigen Unglücksfällen, insbesondere über die Behandlung von Wunden, zu geben.
Die Bestandtheile unseres Körpers bilden vier Hauptgruppen verschiedenartiger Gebilde: die Knochen, die Muskeln, das Gewebe und die Nerven. Alle diese Theile bedürfen zu ihrer Ernährung des Blutes. Dasselbe strömt bekanntlich in zweierlei Gefäßsystemen, in solchen, die vom linken Herzen ausgehen, sich über den ganzen Körper verbreiten und in seinen, nur durch Vergrößerungsgläser erkennbaren Deffnungen endigen, und in andere, die mit solchen kleinen Deffnungen( Kapillaren) beginnen, allmählich dicker werden und im rechten Herzen als größere Gefäßstämme einmünden. Die ersteren heißen Arterien( Schlagadern), die lezzteren Venen( Blutadern); in den letzteren strömt das kohlensäurehaltige dunkle Blut, welches in den Lungen wieder mit Sauerstoff gesättigt wird, in den ersteren das sauerstoffhaltige hellrothe Blut. Da unser Körper überall von einem solchen Gefäßsystem, in welchem das Blut ununterbrochen seinen Kreislauf zurücklegt, durchzogen wird, so ist es erklärlich, warum schon die geringsten Verlegungen und Beschädigungen den Austritt des Blutes zur Folge haben; von der Größe und Weite eben des verletzten Gefäßes ist auch die Stärke der Blutung abhängig. Ein jeder Verlust von Blut aber ist ein Verlust von unserm Lebenssafte; Zeit ist Geld", sagt der Geschäftsmann; dem stellen wir sehr begründet an die Seite den Satz" Blut ist Leben", und das Wort Goethe's aus dem" Faust":" Blut ist ein ganz besondrer Saft." Dieser ganz besondre Saft ist eine etwas dickliche, undurchsichtige Flüssig feit, von einem eigenthümlichen schwachen Geruch, reagirt alkalisch und besitzt eine Wärme von ungefähr 38 Grad Celsius. Die Menge desselben kommt etwa dem 12. bis 13. Theil des gesammten Körpergewichts gleich.
Je nach der Beschaffenheit der verletzten Theile unterscheiden wir verschiedenartige Blutungen. Erstens arterielle, wobei die Arterien verletzt sind und das Blut, das hier direkt unter dem Drucke des linken Herzens steht, in Strahlen aussprigt, zweitens venöse, drittens parenchymatöse, d. H. solche, die eintreten, wenn z. B. bei einem Schnitt in die Weichtheile ganz kleine Arterien und Venen verletzt sind und das Blut in die Umgebung eindringt und dieselbe durchtränkt, und viertens endlich in kapillare, wenn die kleinsten Enden der Arterien und Venen auf irgendeine mechanische Weise erweitert sind und das Blut langsam durch die Weichtheile hindurchsickert und zuletzt durch die Färbung derselben die Blutung sichtbar macht. Weiter unterscheidet man die Verletzungen äußerer und innerer Organe. Absolut tödtlich sind die meisten Verlegungen, welche das Herz, Gehirn, den Magen, die Leber, den Darm oder die Lungen betreffen; wir sehen hier oft sogleich oder schon nach wenigen Stunden den Tod eintreten.
Die äußeren Verwundungen betreffen zunächst die Verlegungen
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| der Haut, Muskeln, Gefäße und Nerven. Auch hier unterscheidet man wieder solche, bei denen die Haut mit zerrissen ist und das Blut nach außen strömen kann; man bezeichnet dieselben als offene Wunden im Gegensaße zu denjenigen, bei welchen tiefer gelegene Theile wie Muskeln zerquetscht wurden, ohne daß die sie bedeckende hout beschädigt ist. In diesem Falle ist der Abfluß des Blutes behindert und es entstehen bläulichrothe Flecke, wie sie besonders bei Stoß oder Schlag mit stumpfen Gegenständen wahrgenommen werden. Sind solche Blutungen bedeutend und gelangen sie nicht bald wieder zur Resorption, dann kann Eiterung und Brand entstehen. Um eine solche frische subkutane( unter der Haut vorsichgehende) Blutung zu bekämpfen, müssen wir die Kompression anwenden, wenn es möglich ist, mit gleichmäßig angelegten Binden. Wenn ein Kind auf den Kopf fällt oder sich gegen die Stirn stößt, so nehmen in Norddeutschland ganz richtig die Mütter oder Wärterinnen einen Löffelstiel und drücken ihn sofort auf die verletzte Stelle, um die Entstehung einer Blutung zu verhindern. Bei der Behandlung von Wunden kommt es natürlich auf die Art und Weise an, wie die Verlegung zu Stande kam. Wir sprechen von Schnitt-, Hieb-, Stich, Quetsch- und Schußwunden; außerdem ist es sehr wesentlich, ob die Wunde groß, klein, tief, flach, frumm, grade, rund oder eckig ist. Je nach dem Orte theilt man die Wunden in Hals-, Brust-, Bauch-, Arm- oder Beinwunden ein. Bald ist nur eine Quetschung vorhanden und die Haut ist nicht geöffnet, wie schon oben bemerkt wurde, bald ist zwar eine Deffnung der Haut vorhanden, aber nichts ist davon weggenommen, bald ist aber auch ein Theil des Fleisches mit weggerissen oder es ist ein fremder Körper noch in die Wunde eingedrungen, wie ein Splitter, eine Kugel u. dgl.
Bei einer frischen Verlegung hat man vor allem sein Augenmerk auf den Siß der Verwundung zu richten, selbst bei tiefgehenden Verlegungen an den Armen oder Beinen ist immer eher Hülfe möglich, weil hier keine Gefahr für die Verlegung innerer Organe vorliegt, es kommen hier nur die Verlegungen der Haut, Muskeln, Nerven, und im schlimmsten Falle auch der Knochen in Betracht; dann sehe man, ob die Wunde tief oder flach ist; die etwa in der Wunde haftenden Fremdkörper ziehe man, aber nur wenn sie leicht erreichbar sind, sorgfältig heraus. Als das Wichtigste bei der Verlegung ist die Blutstillung zu betrachten. Man kann nicht genug darauf aufmerksam machen, daß die Menge des verlorenen Blutes bei dem Heilungsprozesse eines Verletzten von der größten Wichtigkeit ist und daß von einer rasch gebrachten Hülfe in dieser Richtung oftmals das Leben des Betreffenden abhängt. Man muß deshalb bei der Blutstillung seine Hauptaufmerksamkeit darauf richten, wie am schnellsten der Ausfluß des Blutes aus den theilweise strahlenförmig sprizenden Gefäßen verhindert werden kann. In der Regel ist nicht gleich ein Sachverständiger bei solchen Unglücksfällen zugegen, manchmal vergehen Stunden, bis eine ärztliche Hülfe kommit, der Laie muß deshalb selbst gewisse praktische Winke erhalten, die ihn in den Stand setzen, für den Augenblick einem Unglücklichen beizustehen und unter Umständen dessen Leben zu erhalten.
Nach dem Vorausgeschickten wird der freundliche Leser schon von selbst auf den Gedanken kommen, was er in solchen Fällen zu thun hat. Wenn ich mir bewußt bin, daß das Blut in bestimmten Röhren kreist und ich sehe, daß einige dieser Röhren verlegt sind, so muß doch mein nächster Gedanke sein, wenn ich die weitere Blutung verhindern will, daß ich einfach auf die betreffende Stelle, und besser etwas oberhalb der Verlegung nach dem Körper zu, so lange fest drücke, bis ein herbeigerufener Arzt das Weitere unternimmt. Sieht man aber das Blut strahlenförmig hervorsprizen, wie es bei den Arterien in der Regel der Fall ist, dann weiß ich ganz genau die Stelle, auf welche ich Die Kompression der Gefäße ist einen Druck auszuüben habe. bei größeren Blutungen stets das erste Hülfsmittel, es sollte deshalb in einer jeden Fabrik und andern Etablissements Jemand vorhanden sein, der die Arterienstämme der Extremitäten zu komprimiren verstände, so verlieren die Leute meist den Kopf und laufen in der ersten Angst zum Arzt, anstatt selbst zu komprimiren und einen andern zu schicken. Ruhe und eine erhöhte Lage für das betreffende verlegte Glied, damit das Blut, welches ja stets dem Gesetz der Schwere folgt, nicht mehr so stark nach der Wunde hin strömen kann, sowie bei beschmußten Wunden ein sorgfältiges Reinigen derselben sind bei den Verlegungen in zweiter Linie die Hauptanforderungen an den zu Hülfe Eilenden.
Der Arzt wird hst den ihm bekannten nächstliegenden größeren Gefäßstamm ufsuchen, dort ein festes Band um denselben