legen und ihn so zusammenschnüren, daß das Blut nach der der Wunde zugekehrten Richtung nicht mehr strömen kann, man nennt dies mit dem technischen Ausdruck Unterbindung oder Ligatur anlegen. Man sollte nun glauben, daß durch das Abschneiden jeglicher Zufuhr von Blut unterhalb der vor der Unterbindung gelegenen Theile dieselben vollständig absterben müßten, weil ja das Blut es ist, welches alle Theile des Körpers ernährt. In der That würde dies auch der Fall sein, wenn nicht die Natur in anderer Weise dafür gesorgt hätte. Es bildet sich nämlich in solchen Fällen immer ein sogenannter follateraler Kreislauf( Seitenfreislauf) aus, d. h. es breitet sich von den oberhalb der Unterbindung des Hauptstammes abgehenden Gefäßen ein Gefäßneß aus, welches mit den unter der Unterbindungsstelle gelegenen Zweigen in Verbindung tritt und so in merkwürdig kurzer Zeit die Cirkulation des Blutes durch alle Theile des Körpers wiederhergestellt. Zur Unterbindung wird gewöhnlich bei Verlegung mehrerer und besonders größerer Gefäße geschritten. Bei geringeren Blutungen, wie den parenchymatösen und kapillaren, kann man
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andere Mittel, wie Eis, salziges Wasser, Essig, Eisenchlorid 2c. anwenden. Glühendes Eisen auf die Mündung der Gefäße gehalten, ist ein ausgezeichnetes Blutstillungsmittel. Im vorigen Jahrhundert und noch früher wurde zum Blutstillen, abgesehen von den Sympathiekuren, die zur Schande des neunzehnten Jahrhunderts noch heute hie und da Gläubige finden, stets das Glüheisen, und zwar mit dem besten Erfolge, gebraucht. Heutzutage, wo man etwas empfindsamer geworden zu sein scheint, hat dieses Mittel vor allem der Unterbindung weichen müssen, doch auch heute noch sieht sich mancher Arzt, wenn er des nöthigsten Mateterials im Augenblick der Noth entbehrt, zur Anwendung dieses nur scheinbar so grausigen Mittels veranlaßt. Das als Voltsmittel so oft angewendete Spinngewebe ist schon aus dem Grunde zu verwerfen, weil demselben meist ein solcher Schmutz und Staub anhängt, daß die Wunde im höchsten Grade verunreinigt und deren Heilung nur verzögert wird. Bessere Dienste dürften hier der Feuerschwamm und sogar einfaches Fließpapier leisten. ( Schluß folgt.)
in der neueren Beit.
Von W. Wittich. ( Fortsetzung.)
Aus dieser Aeußerung ergibt sich, daß von einer gänzlich neuen Sprache nicht die Rede sein kann, sondern daß sich Luther vielmehr an das Vorhandene, ihm Gegenwärtige, hielt.
Daß für diese Gemeinsprache das sächsische oder meißnische Deutsch die meisten und Hauptbestandtheile hergab, das erhellt aus folgender Bemerkung des Joh. Mathesius, eines begeisterten Schülers, Anhängers und Freundes unseres Sprachmeisters, der das Leben Luthers zum Gegenstande einer Reihe von Predigten machte:" Dis ist der größten wunderwerk eins, das vnser Gott durch Doctor Martin hat ausgericht und redet und erklärt vns iht, was sein Göttlich wesen und gnediger wille ist, an guten, derben vnd verstendlichen deutschen worten. Meichsner, sagen auch die außlender, wenn sie untern leuten gewesen vnd ihres Landsmanns vergessen, reden ein gut deutsch. Darumb erwecket der Son Gottes ein deutschen Sachsen , der gewandert war, vnd die Biblien Gottes in Meichsnische zung brachte." Damit ist gesagt, daß das Meißnische zwar ebenso seine mundartlichen Auswüchse habe, wie jede andere Mundart, aber bei ihr doch weniger der= artige Entstellungen abzuziehen seien, um eine reine, allgemein verständliche Sprache zu gewinnen; daß ferner bei der„ einen gemeinen hochdeutschen Sprache" Luthers der Grundstock eben das meißnische Mitteldeutsch sei. Viele Zeugnisse sind vorhat.den, daß diese Ueberzeugung damals thatsächlich allgemein verbreitet war, und sprachgeschichtlich ließe sich noch am heutigen Sprachbestand, sowohl am Wörterschatz als an den Wortformen, der Nachweis führen, daß diese Anschauung auch der sächsischen Mundart bei den Schriftstellern und dann auch in der lebendigen gesprochenen Sprache allmählich das Uebergewicht gesichert hat, mögen auch sehr gelehrte Männer über das Aussprechen dieser Thatsache nicht nur den Kopf schütteln, sondern sogar ganze Schmähreden auf die sächsische Mundart herabdonnern.
Damit man aber den Glauben gewinne, daß diese Auszeich nung nicht willfürlich von Luther proklamirt ward, sondern sozusagen durch eine Art historischen Rechts gesichert war, führen wir dafür zwei ältere Zeugnisse an. Das eine im Renner", einem vom Schulrektor Hugo von Trimberg frisch und lebendig hingeschriebenen Werke, welches theils Belehrungen, theils Rügen für seine Zeitgenossen enthielt und neben Vridanks Bescheidenheit" im Mittelalter das beliebteste und gelesenste Buch dieser Gattung war. Da heißt es an einer Stelle über die Spracheigenthümlichkeiten der verschiedenen deutschen Stämme:
Swaben ir wörter spaltent, Franken ein teil sie faltent, Die Beire sie zezerrent, Die Düringe fie uf sperrent, Die Sachsen sie bezuckent, Die Wetereiber( Wetteraue
Die Missener sie vol schürgen Egerlant sie swenket. Osterrich sie schrenket, u. s.
würgent,
Wenn die Ausdrücke auch in ihrer Bedeutung nicht genau feststellbar sind, so ist doch klar, daß alle einen Tadel enthalten, außer dem„ vol schürgent" bei den Meißnern, welches jedenfalls soviel bedeutet, wie: voll aussprechen, ohne etwas zu verschlucken oder sonstwie zu verunstalten.
Ganz deutlich aber spricht sich die Anerkennung der Vorzüge des meißner Dialekts in einer Priamel des 15. Jahrhunderts aus.( Diese Priameln waren kleinere Spruchgedichte, in denen eine Menge parallel laufende Säße verbunden waren, die mit einer gewissen Hast und in der Absicht einer komischen Wirkung auf die Hörer schon seit dem 12. Jahrhundert gern' vorgetragen und gehört wurden.) Die uns angehende Stelle lautet:
In Baiern zeucht man viel der swein, Die treibt man viel hinab den Rhein ; In Pohland, Winden bös Gebräu*), Die Ungarn lausig und ungetreu, In Mähren auch desselben gleichen, Die Swanefelder tückisch schleichen, Vogtländer Kühdieb und auch rauben. Am Rhein schön Frauen als man spricht... In Meißen teutsche sprach gar gut, In Franken manches edele Blut...
Auf Grund dieser Tradition, die volle Geltung hatte und neuerdings wieder durch Luthers Schriftstellerei von neuem gefräftigt wurde, berief der medlenburgische Maler Gaulrap, der in Wittenberg bei Lucas Cranach gelernt hatte, 1572 seinen Bruder zu sich nach Meißen , damit er besser die meißnische Sprache erlerne," womit er ihm gewiß eine höhere Bildung und dementsprechend ein besseres Fortkommen in seinem Berufe sichern wollte.
1531 empfahl Luther selbst der niederdeutschen Stadt Göt tingen einen Magister Birnstiel als Prediger mit den Worten: ob er nicht Sächsischer Sprache ganz( gleich vollkommen mächtig) sein wird, hoffe ich doch, er solle zu vernemen sein, weil auch zu Brauschweig( niederdeutsches Gebiet!) oberländischer sprachen Prediger angenehm sind." Diese Stelle beweist, daß möglicherweise selbst auf niederdeutschem Boden der Mangel obersächsischer Sprache einer Entschuldigung bedurfte. Bei Gelegenheit einer harten theologischen Fehde zwischen einem nordheimer und einem hildesheimer Pfarrer im Jahre 1587 glaubt der letztere einen bedeutenden Trumpf auszuspielen mit den Worten:„ Du bist ein großer Fürstenprediger gewesen, führest hoche Meisnische Sprache, bist freilich woll in Meißen nie gewesen, sondern die Sprache etwahn aus einer Postille gefasset." Der niederdeutsche Angreifer schreibt selbst hochdeutsch, aber seine Bemerkung beweist auch noch, daß die auch anderweitig belegte Sitte der Zeit, im Sächsischen an Ort und Stelle die beste deutsche Sprache zu erlernen, und, falls dies nicht möglich, wenigstens aus guten Büchern.