,, mit ihren Nachtmüßen und Schlafrockfeßen die Lücken des Weltenbaues stopfen", aber für sich immer neue und bessere Nachtmüßen und Schlafröcke dabei in Anspruch nehmen.
Und das war speziell die Stellung des Herrn von Gerlach. Wohlwollend äußerlich, freundlich lauernd, wußte er manchen Menschen zu seiner Ansicht zu überreden; überzeugt wird er schwerlich jemanden haben.
In der ersten und zweiten preußischen Kammer war er eine Zeitlang durch sein immerwährendes Tadeln gefürchtet; es half auch nichts, wenn seine Kollegen ihn störten, wenn sie zur Sache!" riefen, immer blieb er ruhig, gutmüthig lächelnd bat er um Gehör; doch bald hatte man sich an ihn gewöhnt und er spielte oft genug in den Parlamenten nur die Rolle des polternden Alten in der Komödie.
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,, Reine gefährlichere Menschenklasse als die theologischen Juristen!" so hat der alte Schlosser in seinen Vorlesungen oft ausgerufen, und hat am Ende dabei vorahnend schon den Herrn von Gerlach im Auge gehabt. Dieser berief sich nämlich gewöhnlich gern neueren Verordnungen gegenüber auf ältere Thronreden; neuen Gefeßen gegenüber auf ältere Verordnungen. Dann war der Theologe vornauf. Wenn aber zum Beispiel die Lage der Schullehrer verbessert werden sollte, dann trat der Jurist in den Vordergrund; dann sagte Gerlach, daß trotz des geringen Gehalts die Lehrer nicht verhungerten, sie müßten Nebeneinnahmen besigen, und Unrecht sei es, diese Nebenquellen nicht im Interesse des Staates weitersprudeln zu lassen.
Herrn von Gerlach, der auch Schriftsteller der Kirchenzeitung" und der Kreuzzeitung " war, wird ferner jener berüchtigte Ausspruch zugeschrieben, daß es eine Gottlosigkeit sei, für die Erleichterung des Loses der mederen Volksschichten einzutreten; nach der Weltordnung sei einmal ein großer Theil der Menschheit zum Dulden bestimmt, diesen muthwillig zum Bewußtsein seiner Lage zu bringen, zeuge von Unbarmherzigkeit und nicht von verständigem Wohlwollen. Uebrigens seien die Schwielen auch ein Schutzmittel gegen die Mühen
des Lebens.
Dieser Ausspruch ist gewiß orthodox und inhuman, und doch ist derselbe auch allen liberalen Fabrikanten und Wucherern so recht aus der Seele gesprochen.
Von 1858-1874 verschwand Gerlach von der parlamentarischen und politischen Schaubühne; das liberale Gewässer ging zu hoch und Bismarcks Konservatismus war ihm zu seicht.
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Da plöglich zogen den evangelischen, theologischen, schon sehr alternden Juristen die Klerikalen wieder an's Tageslicht, er wurde 1874 wegen einer Flugschrift gegen das neue liberalisirende preußisch- deutsche Regiment verurtheilt und abgesezt und darauf in einem katholischen Kreise in's preußische Abgeordnetenhaus gewählt.
Besondere Ehre legten die Ultramontanen nicht mit dem alten orthodoxen Herrn ein; er redete mehrmals leise und unverständlich er war erst recht jeßt der polternwollende Alte in der Komödie. 1877 wurde er auch gleichfalls von den Klerikalen, die dadurch so recht ihr konservativ- reaktionäres Gesicht zeigten, in den deutschen Reichstag gewählt, doch starb er, noch bevor er seinen Sig eingenommen hatte. Mit ihm ist einer der bedeutendsten und fähigsten Repräsentanten der christlich- germanischen Richtung, die übrigens auf dem Aussterbeetat steht, begraben worden. 5.
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Torquato Taffo( siehe Seite 40) stammte aus einem alten Adelsgeschlechte, welches, mit dem burgundischen Königsstamme verwandt, sich bis in Karls des Großen Zeiten zurückführen läßt. Er war 1544 in Sorrent geboren und studirte in Neapel an der hohen Schule der Je suiten, erst 13 Jahre alt, Theologie, Philosophie und Jurisprudenz, wurde dann vom Kardinal Ludwig von Ferrara an den Hof von Este gerufen, an welchem der Bruder des Kardinals, der Herzog Alfons II., einen Kreis von Gelehrten, Künstlern und Schöngeistern aller Art um sich gesammelt hatte. Dort faßte er eine tiefe, glühende Neigung zu Leonore, der Schwester seines fürstlichen Gönners, die er in glühenden Sonneten besang; zum Schein aber unterhielt er ein ähnliches galantes Verhältniß mit einer Dame am Hofe, Leonore Sanvitale. Durch diese verhänguißvolle Liebe, welcher tausend Hindernisse entgegenstanden, verfiel er in eine bald hißig gereizte, bald tieftrübsinnige Stimmung, in welcher er einmal in den fürstlichen Gemächern, von einem Edlen sich beleidigt fühlend, den Degen zog und dafür Stubenarrest erhielt, aus welchem er jedoch nach Sorrent zu seiner Schwester floh. Lange hielt er es jedoch, infolge seiner gewaltigen Leidenschaft, dort nicht aus, sondern begab sich bald wieder an den ferraresischen Hof. Während dieses zweiten Aufenthalts soll er, seiner Sinne nicht mehr mächtig, in Gegenwart des Hofftaates seine hohe Angebete umarmt haben, wodurch er die Gunst seines Fürsten für immer verscherzte. Als er darauf als irrsinnig im St. Annenhospital eingesperrt worden war, gelang es erst nach Verlauf von sieben Jahren, welche der Dichter dort zubringen mußte, der Fürsprache des Fürsten von Mantua , Gagalo, die Befreiung Tasso's zu erwirken. In tiefe Schwermuth versunken, elend und von der bittersten Noth verfolgt, irrte nun der Dichter in Italien umher, bergeblich vom päpstlichen Stuhl eine kleine Pension erhoffend, die ihn seinem Elend entreißen sollte. Da leuchtete noch einmal ein Hoffnungsstrahl: Ciezio Aldobrandini, der eine lebhafte Zuneigung zu Tasso faßte, betrieb seine Dichterkrönung in Rom . Aber zu spät! Am 2. April
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1595 hatte das Herz des Dulders aufgehört zu schlagen. Tasso, der Epen, Trauerspiele, Schäferdramen und lyrische Gedichte geschrieben hatte, verdankt seinen Weltruhm dem Epos ,, Jerusalemme liberata", worin er die Eroberung von Jerusalem durch die Kreuzfahrer unter der Führung Gottfrieds von Bouillon, in melodischen Versen besang, und wobei er eine Menge märchenhafter Züge einwebte, die nicht wenig dazu beitrugen, das Interesse an dieser Dichtung zu steigern. Die Verse seiner Dichtung leben noch heute in dem Munde seines Volkes und werden von den Gondolieren in allen Hafen- und an der See gelegenen Städten Italiens im Wechselgesang mit Mandolinen- oder Lautenbegleitung, oder ohne solche vorgetragen. Auch Goethe theilt mit, wie er einem solchen Wechselgesang zweier Kahnführer gelauscht und da so recht die Kraft und Herrlichkeit der Poesie Tasso's nachempfunden habe. Den Dichter und sein unglückliches Geschick aber hat bekanntlich unser Goethe selbst in einem feinen Seelengemälde, seinem Gedankendrama ,, Tasso" zum Gegenstande künstlerischer Darstellung ge macht und unsre Literatur mit einem hervorragenden Meisterstück bereichert.
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wt.
Russisch- bulgarische Greuelthaten in Eski- Saghra. Es gewährt keine ästhetische Befriedigung, das Bild( Seite 41), welches der rühmlichst bekannte Maler Herr Lorie mit kunstsicherem Griffel auf das Bapier geworfen. Aber auf ästhetische Befriedigung hat es der Maler mit diesem Bilde ebensowenig abgesehen, wie auf sittliche Genugthuung; hier handelt es sich um die nackte, entsetzliche Wahrheit, eine Wahrheit, die jedes Gemüth, welches menschlich zu empfinden vermag, bis zur bittersten Empörung erregen muß. Russen sind es, die im Verein mit ihren Schüßlingen, den Bulgaren , in der im Handstreich genommenen offenen Stadt wehrlose Greise niedermezeln, schwache Weiber auf die entseßlichste Weise zu Tode quälen und arme, hülflose Kinder sich gegenseitig in die Bajonette werfen. Dies sind dieselben Russen, die angeblich für die christliche Humanität gegen türkische Barbarei das Schwert gezogen haben; dieselben Russen, welche eine gradezu unqualifizirbare Politik zu den Erbfreunden des deutschen Volkes gemacht hat, dieselben Bestien sind es, zu deren Gunsten die elende käuffiche Majorität der deutschen Presse heute noch zu schreiben und das Blaue vom Himmel herunterzulügen vermag. Die Türken stehen zwar auch auf keiner höheren Kulturstufe, aber sie gibt auch kein Mensch für Vertreter der Humanität aus und sie zwingt man uns auch nicht als Nationalfreunde auf. Die Barbarei der Türken in Bildern vorzuführen, wäre ebenso überflüssig, als es nothwendig ist, dem deutschen Volke die scheußlichen Proben russischer Humanität in so packender Schilderung, wie die unseres Künstlers, vor Augen und zu Herzen zu führen. Und für die Neue Welt" war es gradezu Pflicht, solchem Bilde Raum zu gewähren, weil fast alle die übrigen illustrirten Blätter, mögen sie auch von Schlachten- und Greuelbildern in widerwärtigster Weise überfüllt sein, von den Unthaten der Russen nichts wissen wollen. Das ist freilich nur zu natürlich: wer betrachtet es denn heutzutage für seine Pflicht, die sittliche Ungeheuerlichkeit um der Sittlichkeit willen an den Branger zu stellen!? Und welches Organ der öffentlichen Meinung würde nicht vergnügt im Strome der herrschenden Stimmung dahinplätschern und sich nicht genügen lassen an den beiden erhabenen Zielen des Abonnentenfanges und des hochobrigkeitlichen Wohlgefallens!? G.
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Aus vergangenen Zeiten. Wir geben in Nachstehendem noch ein Stück aus jener augsburger Chronik, der wir schon früher einen interessanten Bassus entnahmen:
Um das Jahr 1483 tam eine päpstliche Bulle von Rom hierher, darinnen den Laien zum erstenmal die Eier, Milch, Käs und Butter, die Zeit der Fasten über, verboten wurde. Dieses Gebot hat gleichwohl nachmals Papst Sirtus der Vierte gelindert, dergestalt, daß, so Jemand dieser Speise nicht entrathen konnte, derselbe für sich sonderlich zubereitet Fleisch kaufen möchte, welches er denn hinfüro ohne Sünden essen könnte. Mit dieser Krämerei ist aber unser Rath übel zufrieden gewesen, weil er sich dawider nicht seßen durfte, und doch nicht gern sahe, daß die Bürgerschaft so ums Geld gebracht wurde. Er hat deshalb den Papst mit einer namhaften Summe Geldes versöhnt, daß er solch' Verbot wiederum aufgehoben, und es allein bei dem, daß man tein Fleisch essen sollte, verbleiben lassen, welches aber auch nicht lange Bestand gehabt hat.
Im Jahr 1496, zu Ende des Maien, tam Philippus, Erzherzog von Desterreich, des Kaisers einziger Sohn, hierher, welchem zu Gefallen die Geschlechter Turnier und Tänze auf ihre Weis angerichtet. Derohalben er auch wiederum am St. Johannisabend, des Täufers, einen Haufen, 45 Schuh hoch, von Maien und dürren Reben auf dem Frohnhof aufrichten lassen, bei welchem, nachdem sich alle Geschlechter, Frauen und Jungfrauen zur Vesperzeit, auf das schönste geschmückt, versammelten, er mit Ursula Neidhartin, als der schönsten Jungfrau unter allen, einen lustigen Tanz angefangen. Die Jungfrau hat eine brennende wächserne Fackel in der Hand getragen und damit den Haufen, auf des Fürsten Geheiß, angezündet, darauf alsbald bei dem hellen Schalle der Trompeten und Zinken dreimal um das Feuer getanzt. Dieser Erzherzog hatte 400 burgundische Reiter mit sich hierher gebracht, welche eine besondere Kleidung gehabt, die denn auch unsere