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und zwar in der Person eines armen Hirten, den Glücklichen" zu entdecken. Schon wollte man dem Könige die frohe Botschaft senden und bot dem schlichten Landmann Gold über Gold für sein Hemd, als er verlegen erklärte, er besize feins. Der franke König aber starb selbigen Tages."

Eusebius hatte sich so lebhaft erhoben, daß sein Schemel in Gefahr gerieth, umzustürzen; er reichte dem Bruder die Hand:

" Es freut mich, daß du dir den Inhalt dieses lehrhaften Gedichts behalten; laß mich dir denn gestehen, daß ich demselben ein gut Theil meiner Lebensweisheit verdante. Denn seht, ihr Brüder, und laßt es euch gesagt sein: Schmerz, Entbehrung, Enttäuschungen entspringen nicht dem Mangel an Glücksgütern, sondern lediglich dem Wunsche, solche zu besigen! Sonst würde es ja nicht Menschen geben, die, in Dürftigkeit lebend, dennoch zufrieden und glücklich sind. Der Vernünftige nun wird daraus die Lehre ziehen, daß alles das, was gemeiniglich von den Leuten Glück genannt wird, nur auf dem Verhältniß zwischen unseren Anforderungen und dem beruht, was uns darauf zu theil wird. Wir sind unglücklich, wenn wir das Begehrte nicht erhalten, wir würden uns jedoch dieses Leid ersparen, wenn wir derlei Begehren garnicht stellten."

Der Hofrath schüttelte, verlegen lächelnd, das Köpfchen und meinte: Wenn alle diese Lebensphilosophie besäßen und nach ihr handelten, dann kämen wir zuletzt wieder auf die Tonne des Diogenes !"

" Nicht doch. Wir sollen arbeiten und weiterstreben, auch freudig das Erworbene genießen und einen offenen Sinn uns bewahren für das Schöne, nur vor den Wünschen nach dem Un­erreichbaren oder dem Schädlichen uns hüten!"

Mit dem Schädlichen meint er Bruder Jakobs Erbschaft," schmunzelte Meister Johann dem Hofrath zu, wir sind nämlich, was das betrifft, sehr uneinig."

Ein spöttisches Lächeln verzog für einen Augenblick den breiten, gutmüthigen Mund des philosophischen Flickschusters.

Man kann es niemand recht machen. Was würdet ihr denn sagen, wenn auch ich mich an dieser Jagd nach dem Glück be­theiligte?"

" Nun, das hieße nur dein natürliches Anrecht geltend machen," warf Herr von Bartels dazwischen.

" Oder," fuhr Eusebius unbeirrt fort, wenn schließlich ich sogar das Erbe gewänne? Es liegt das im Bereiche der Möglich keit, da ein Glied der Familie Bartels das Geld erhalten muß, notabene, wenn Jakob uns nicht alle überlebt."

Der Tischlermeister war plötzlich schweigsam geworden, er grübelte über irgend etwas nach, das sah man ihm an. Endlich sprach er ein wenig empfindlich:" Das wäre die höchste Un­gerechtigkeit, wenn das Erbe einem der ledigen Geschwister zutheil werden sollte. Habeil wir deshalb die schweren Sorgen eines Familienvaters muthig übernommen, uns von unseren Weibern plagen lassen, für die Kinder geopfert, um schließlich zu sehen, wie du oder Martha, vielleicht gar die närrische Enumerenzia, das Erbe einheimst!?"

Der Meister hatte sich lebhaft erhoben, und da er, wie stets in solchen Momenten der Erregung, den rechten Arm vorstreckte, als bewege er einen unsichtbaren Hobel, so warf er das auf einem an der Wand befestigten Holzbrett stehende einzige Glas, welches Eusebius sein nannte, herab. Klirrend zerbrach es in Scherben. Johann bedauerte seine Ungeschicklichkeit und versprach Erjazz.

Gleichmüthig blickte der Philosoph darauf hin, dann sagte er bedächtig: Du hast mich von etwas befreit, das nicht durchaus nothwendig war; es ist nicht nöthig, den Verlust zu ersetzen, denn ich werde fortan aus meinem Kruge trinken und somit den Luxus eines Trinkglases leicht entbehren können."

" Da ist ja Bruder Jakob gegen dich noch ein Sybarit," meinte der Hofrath, und ein beobachtender, scharfer Blick streifte den bedürfnißlosen Weisen.

Mit nichten," erwiderte Eusebius ernst. Der Geizige liebt in dem todten Mammon alle Güter dieser Welt, denen er nur

scheinbar entsagte, um diesen zusammenzuscharren. Ich würde nie Schäße aufhäufen, die der Rost frißt oder welche Diebe stehlen könnten. Wäre ich reich, so würde ich mein Geld den Bedürf tigen geben, d. h. den wahrhaft Armen, die ein Anrecht auf die Hülfe der Gesammtheit haben, weil sie selbst außer Stande sind, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen."

,, Nun, wenn Jakob erfährt, daß du einen solchen Gebrauch von Bartels Erbschaß machen willst, dann erhältst du ihn gewiß nicht," meinte Johann, mit einem Seufzer der Erleichterung. Eusebius zuckte die Achseln. Wie sollte er das erfahren? Solche Ansichten habe ich bis­her gegen niemand als gegen euch geäußert." Eine Pause entstand, die der Hofrath endlich mit der Mah­nung zum Aufbruche unterbrach.

"

" Ihr wollt schon gehen," sagte Eusebius , ein wenig getränkt, und ich habe noch garnichts von deinen Erlebnissen erfahren, Bruder Sebastian? Sage mir wenigstens, ob du dich zufrieden in deiner Lage fühlst?"

" Dja sicherlich, warum auch nicht?" murmelte das graue Männchen und gab dann, vielleicht um dem fragenden Blick der ernsten Augen des Bruders auszuweichen, in gedrängter Kürze eine Stizze seines Residenzlebens, die mit der Wahrheit und Wirklichkeit wenig gemein hatte.

Als beide Brüder nach genommenem Abschied das Haus ver­Lassen und sich schon jenseits der Straße auf dem Wege zur Stadt befanden, blieb der Schreinermeister, den Hofrath an einem Knopf seines Rockes festhaltend, plötzlich stehen.

"

Willst du etwas neues wissen, Sebastian?"

Num das wäre?"

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" Auch Eusebius spekulirt auf die Erbschaft!" Behüte das glaube ich nicht."

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O, er ist ein Duckmäuser!"

" Dieser Weise geh', du siehst Gespenster ."

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" Er denkt eben den mißtrauischen Jakob auf eine ganz aparte Weise zu fangen, indem er sich auch auf den Geizigen und Ein­siedler hinausspielt am Ende ist er flüger als wir alle, und hat den Vogel abgeschossen, während wir nach der Scheibe starren."

Der kleine Hofrath hatte seinen Knopf freigemacht und schritt langsam weiter; indessen er sich aber noch bemühte, des Bruder Johannes bösen Verdacht zu zerstreuen, keimte die schlimme Saat auch in seiner Seele auf.

Freilich hatte die Entsagungsfreudigkeit des Philosophen, seine Ruhe, der tiefe Friede, welcher auf den gefurchten Zügen lag, einen Eindruck auf das bewegliche Gemüth des grauen Männleins gemacht, es lag für ihn etwas Erhabenes in der Resignation des armen Eusebius . War er selbst sich doch recht klein erschienen, und nichtig sein Streben und Haschen nach dem Glück und der Ehre vor der Welt.

Jetzt erhob sich der eben noch gebeugte Eigendünkel wieder. Ja, Johann konnte recht haben, diese Bedürfnißlosigkeit, diese Zu­friedenheit, sie waren nur geheuchelt, auch der Philosoph Eusebius trug eine Maske, die sein wahres Antlitz verdeckte, er war ebenso wenig frei wie die andern, ob er damit auch prahlte, denn er war ein Sklave des Mammon, so gut wie sie alle.

An der nächsten Ecke trennte sich der Hofrath von dem Bruder Schreinermeister, in dessen neiderfülltes Gemüth er unterwegs auch einen tiefen Blick gethan.

Unmuthig wanderte er allein weiter, und als er die Schwelle des schwarzen Wallfisches" überschritten, war er fast zu derselben Ueberzeugung gekommen, wie vor einigen Stunden Dame Edeltrud, wenn auch auf einem andern Wege. Er meinte nämlich, daß es nach den bereits gemachten Erfahrungen am besten sei, den Ver­kehr mit den Geschwistern soviel als möglich zu beschränken, damit nicht ein unüberlegtes Wort, eine kleine Schwäche von der erbberechtigten Verwandtschaft erlauscht und dem Erbonkel" rap­portirt werden könne.

Man sieht, daß auch der Hofrath schon die ersten recht artigen Pas machte, um das goldene Kalb zu umtanzen. ( Fortsetzung folgt.)

Sokratische Weisheit.

Sokrates verabscheute die schwelgerischen Genüsse und Speisen, die auf den Gaumenfißel berechnet waren. Sollten es nicht, sagte er einst dergleichen Gerichte gewesen sein, durch welche Kirke Menschen in Schweine verwandelt hätte? Odysseus hingegen sei darum nicht zum Schweine geworden, weil sowohl die Warnung des Hermes, als seine eigene Enthaltsamkeit ihn abgehalten habe, sich mit solchen Speisen zu überfüllen.