-
sucht er nach einem scheinbaren Ersatz für die nöthigen Nahrungsstoffe. Die Folge ist, daß er verkümmert und verthiert, denn unzureichende Nahrung führt zu übermäßigem Genuß des Brannt weins . Den thatsächlichen Hintergrund zu dem oben Gesagten bilden besonders einige Theile Europas : Irland , Belgien und das rechte Oderufer Oberschlesiens . Die letzteren sind sehr reich; wenn auch der Boden nicht die Saat in Hülle und Fülle auf gehen läßt, so birgt er doch andere Werthe in sich, nämlich Steinkohlen und Erz. Irland hat ebenfalls solche und im allgemeinen einen fruchtbaren Boden. Und jene drei Länder sind die Domänen der Dummheit, der Pfaffen und des Branntweins! Woher kommt das? Die Bevölkerung jener reichen Provinzen ist arm; der Reichthum des Landes gehört nur einigen wenigen, und die jenigen, welche nicht zu jener glücklichen Minorität gehören, nähren sich von einem Stoffe, der zwar Nahrungsmittel heißt, diesen Namen aber garnicht verdient- das ist die Kartoffel. Die Ursache der großen Verbreitung derselben ist die, daß jene Frucht sehr billig ist, weil sie auf dem sandigsten Boden geräth und grade dort am allerbesten. Zu ihrem Anbau können daher Stellen verwandt werden, die sonst brach lägen oder nur ein geringes Erträgniß an Flachs und Hafer geben würden. Ihre Anpflanzung ist folglich vom Standpunkte der Nationalökonomie vollständig zu billigen, denn es wird ja dadurch etwas ausgenußt, dessen Werth sonst verloren ginge. Aber die Kartoffel darf nicht angebaut werden, um als Nahrungsmittel zu dienen. Zu Zwecken der Industrie, als Viehfutter, ist sie brauchbar; für Menschen ist aber ihr Nährwerth unzureicheud. Die Kartoffel besteht zu zweidrittel ihres Gewichts aus Wasser, nur 1,5 pCt. sind Eiweiß, der Rest sind stickstofffreie Körper, hauptsächlich Stärke, ferner Zellhaut ( Cellulose) und anorganische Salze. 20 Pfund entsprechen dem täglichen Kostmaß an Albumin, 4 Pfund dem an stickstofffreier Nahrung. Wegen thres geringen Eiweißgehaltes dürften die Kartoffeln nur eine Zukost zu stickstoffreichen Körpern, wie Fleisch und Hülsenfrüchten bilden. Statt dessen bilden sie in jenen Gegenden das einzige Nahrungsmittel. Das Brot enthält aber Das Brot enthält aber selbst mehr Stärke wie Eiweiß, durch den Genuß desselben mit Kartoffeln wird also das Stickstoffdefizit der lezteren nicht aus geglichen, sondern der Körper bei mangelnder Stickstoffzufuhr mit stickstofffreien Stoffen überladen. Mit Recht können wir daher sagen, daß unter diesen Verhältnissen der Genuß der Kartoffel nicht eine genügende Ernährung ist. In Irland bildet sie mit Buttermilch den Hauptbestandtheil aller Mahlzeiten. Hier könnte sie als Zufuhrmittel stickstofffreier Körper genügen, wenn die Milch in gehöriger Menge genossen würde. Dies ist aber in dem armen Irland nicht der Fall, und sehr oft bildet die Kartoffel die einzige Nahrung. Die unausbleiblichen Folgen treten in jenen Ländern auch ein. Sie sind stets ein Herd der Epidemien; denn ein unzulänglich ernährter Körper ist am allerehesten für Krankheiten disponirt. Oberschlesien mit seinen reichen Kohlen gruben bot uns vor kurzem das Schauspiel des Flecktyphus, den man ja auch, weil er besonders bei schlechter Ernährung um sich greift, Hungertyphus nennt. Da die Entwicklung des Gehirns von genügender Kost abhängig ist, so ist jene Bevölkerung natürLich auch geistig zurückgeblieben. Es gewährt einen merkwürdigen Anblick, wie grade in jenen Ländern, wo die sozialen Ungerech tigkeiten so grell zu Tage treten, am allermeisten die schwarzen Kutten herrschen. Klingt es nicht wie Hohn, wenn jene dem hungernden Arbeiter von der Gleichheit und Brüderlichkeit aller erzählen, von dem Lohne , der den Armen oben erwartet:„ denn eher ginge ein Sameel durch's Nadelöhr, ehe ein Reicher in den Himmel fomme." Die Pfaffen wissen recht wohl, zu wemt sie sprechen. Jene Proletarier hat das Elend so dumm und stumpf gemacht, daß sie eben alles glauben. Ihr Denken erhebt sich nicht bis zum Zweifeln, denn wenn sie einmal das Erbärmliche ihrer Lage fühlen, so haben sie einen vortrefflichen Tröster, der all ihre Leiden beschwichtigt: den Branntwein; bei seinem Genuß verspüren sie feinen Hunger, sie fühlen sich kräftig zur Arbeit und gerathen in jenen glücklichen Rausch des Selbstvergessens. Hat denn nun wirklich der Branntwein einen solchen Nährwerth, Saß er eine ausreichende Kost erseßen kann? Keineswegs. Der Alkohol desselben hat nur die Wirkung, daß er den Stoffwechsel verlangsamt, und zwar dadurch, daß er zur Verbrennung des eingeathmeten Sauerstoffs dient. Ein geringer Alkoholgenuß wirkt daher nicht schädlich, sondern bei angestrengter förperlicher Arbeit, bei äußerer Kälte, kurz überall bei vermehrter Sauerstoffaufnahme, ist er ein wirksames Unterstützungsmittel der Athmungsthätigkeit. Er kann aber nie, und darum handelt es sich doch
54
-
hier, die zu geringe Zufuhr an Eiweißstoffen erseßen, sondern er täuscht nur den Körper über den wahren Verbrauch an Stoffen. Zuerst genügen kleine Quantitäten, um diesen Zweck zu erreichen, später muß sich, wie bei allen Reizmitteln, der Verbrauch mit der häufigeren Anwendung steigern. Der Mangel an Albuminstoff bleibt dabei fortdauernd ungedeckt und wird stets größer; der Körper altert frühzeitig, die Muskeln sind energielos, das Gehirn Kartoffeln sind außerdem sehr arm tann sich nicht entwickeln- an phosphorsauren Salzen den Schluß bildet ein frühzeitiger Tod, sehr häufig in Folge des eintretenden Säuferwahnsinns ( delirium tremens). Im Interesse der fortschreitenden Kultur ist es daher zu verlangen, daß jener Bevölkerung Mittel an die Hand gegeben werden, sich auf andere Weise zu ernähren. Diese Aenderung steht aber mit der sozialen Frage in so innigem Zusammenhange, daß sie wohl erst mit dieser gelöst werden wird. Denn bessere Lebensmittel haben auch einen höheren Preis, und diesen kann die arme Bevölkerung nicht erschwingen. Die Kartoffel bietet eben einen weiteren Beweis dafür, wie wir es heut so glänzend weit gebracht".
Ungleich höher an Nährwerth stehen Reis und Mais. Zwar enthalten auch sie viel Stärke, d. h. stickstofffreie Körper und wenig Albumin, doch ist das Verhältniß derselben zu einander weit günstiger. Nach der angeführten Tabelle entsprechen schon 3 Pfund Mais und 5 Pfund Reis dem vollständigen Bedarf an Eiweiß und enthalten einen großen Ueberschuß an Fettbildnern. Es kommt dies auch daher, daß sie nur einen geringen Wassergehalt, 10-12 Prozent, haben.
Die Gemüse dürfen, wie die Kartoffeln, wegen ihres geringen Eiweißgehaltes nur eine Zukost zu stickstoffreichen Körpern bilden. Der Nährwerth des Obstes ist ebenfalls sehr unbedeutend; es hat nur den Nutzen, daß es durch die in ihm enthaltenen Obstsäuren durstlöschend wirkt.
Von den Getränken, welche wir zu uns nehmen, haben wir die Bedeutung des Branntweins schon besprochen. Seine Wirkung beruht auf dem Alkohol, welcher durch Gährung von Zucker oder stärkehaltigen Bestandtheilen gewonnen wird. Neben dem Branntwein aus Korn wird aus Kartoffeln ein solcher gewonnen. Bei beideu entsteht neben dem gewöhnlichen Alkohol oder Weingeiſt auch das sogenannte Fuselöl. Es wird dieses zwar abdestillirt, Spuren davon bleiben aber meist zurück, und es ist besonders Kartoffelschnaps mitunter sehr reich daran. Ein solcher Fuselgehalt macht sich sofort durch seinen unangenehmen Geruch bemerkbar, wenn man etwas von dem Branntwein auf der Hand verdunsten läßt. Dem Fusel wird hauptsächlich die betäubende und stumpfmachende Wirkung des Branntweins zugeschrieben. In Ober schlesien trinkt man nur Kartoffelschnaps. Das Bier enthält ebenfalls Alkohol, aber bedeutend weniger wie Branntwein. Dasselbe besitzt überhaupt einen wirklichen Nährwerth aus dem Getreide, aus welchem es bereitet werden soll, indem Albumin, Zucker und anorganische Salze in dasselbe übergehen. 22 Liter Bier enthalten ebeusoviel phosphorsaure Salze, wie 1 Pfund Ochsenfleisch. Das Schäumen des Bieres rührt von der darin enthaltenen Kohlensäure her, die in Blasen entweicht. Die Farbe wird davon beeinflußt, ob das Malz mehr oder weniger stark gedörrt wurde. Häufig wird dieselbe auch durch Zusatz von gefärbtem Zucker bewirkt. Der Biergenuß ist daher durch seinen Alkoholgehalt anregend und zugleich durch seinen Nährwerth träftigend. Der Wein enthält neben Alkohol noch Weinsäure und Kohlensäure, ferner einige Mineralsalze, wie phosphorsauren Kalk und Eisen. Kräftigend wirkt er nur in demselben Sinne wie Branntwein, indem er die Athmungsthätigkeit unterstützt.
Unser hauptsächlichstes Getränk ist das Wasser, und zwar das Brunnenwasser. Dieses enthält viele Mineralsalze in Auflösung, die es aus den Erdschichten, welche es durchdringen muß, zieht. Sein frischer Gehalt wird durch den Kohlensäuregehalt bedingt. Obwohl unsere Speisen, wie wir gesehen haben, schon stets wasserhaltig sind, so bedürfen wir doch noch außerdem einer Wasserzufuhr, wenn wir nicht Durst erleiden wollen. Gesundes Trinkwasser ist daher eine nothwendige Forderung; für eine chemische Kontrole der Brunnenwässer geschieht aber bisjett soviel wie nichts. In großen Städten, wo sich oft dicht neben dem Brunnen die Kloaken befinden, ist eine Untersuchung, ob in das Wasser etwa Bestandtheile aus denselben übergetreten sind, äußerst nothwendig. Schlechtes Trinkwasser ist schon manchmal en Uebertragungsstoff für ansteckende Krankheiten geworden.
Es bleibt uns noch übrig einige Getränke zu erwähnen, die heute ein fast unentbehrliches Bedürfniß geworden sind: Kaffee und Thee .