Sie enthalten merkwürdigerweise denselben Körper, Coffein oder auch Thein genannt, außerdem anorganische Salze, Legu min und Zucker. Infolge eines flüssigen Dels wirken Kaffee und Thee bei zu starkem Genusse berauschend. Im allgemeinen beruhigt Thee, während Kaffee aufregt. Schwarzer Kaffee wirkt verdauungsfördernd.
Nach Darlegung dieser Thatsachen wird es jedermann ein leuchtend sein, daß verschiedene Lebensthätigkeiten auch verschiedene Ernährung bedingen; daß bei großer förperlicher Anstrengung ein Ueberschuß der Nahrung an Fett, Stärke, Zucker und anderen stickstofffreien Körpern vortheilhaft ist, während er
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bei sitzender Lebensweise durch zu große Fettbildung schädlich wirken würde. Aber auch der Zusammenhang zwischen der Kul turstufe und der Ernährung einer Bevölkerung wird jetzt deutlich erscheinen, und das Vernunftwidrige mancher bestehenden Verhältnisse wird man nicht mehr als eine Ungerechtigkeit, sondern als Verbrechen betrachten. Würde es jedem Menschen möglich sein, seine Bedürfnisse an Nahrung und Luft in ausreichender Weise zu befriedigen, danu würden die Krankheiten bald abnehmen, ein fräftigeres Geschlecht würde emporwachsen, ein geistig entwickelteres und freieres. Hoffentlich ist jene Zeit nicht mehr allzufern!
Die Reaktion auf der münchener Naturforscherversammlung und die Abstammungslehre in der Volksschule.
sich anknüpft. Das Gleiche dürfte von den Vorträgen und den noch anzustrebenden Diskussionen in den allgemeinen Sizungen erwartet werden. Wir wollen auch in diesen letzteren nicht die Rolle eines stummen Kirchenbesuchers spielen. Wir wollen die Freiheit haben, auch dort dem Irrthum entgegentreten zu können, wo er bisher allein noch eine autoritäre Stellung zu behaupten vermochte.
Nachdem die Werktage der 50. Versammlung deutscher Natur-| lange Zeit vorbereitete Vortrag selbst, an welchen die Diskussion forscher und Aerzte mit den drei allgemeinen und den zahlreichen Sektionssigungen, welche insgesammt eine Fülle geistiger Arbeit repräsentiren, an uns vorübergezogen sind, mag es am Plaze sein, die Frage nach der Signatur dieser Jubiläumsversammlung aufzuwerfen und zu beantworten. Die gesammte Naturwissen schaft ist in wenigen Jahrzehnten zur ersten, zur mächtigsten und treibendsten Kraft im Kulturleben unseres Jahrhunderts geworden. Darum die große Theilnahme, daher das eminente Interesse, mit welchem die Gebildeten aller Stände den Verhandlungen der versammelten Naturforscher folgen.
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Die Entwicklungsgeschichte der Naturforschung selbst zeigt uns nicht minder als die Kulturgeschichte verschiedene Perioden. Jede Periode besitzt ihren eigenthümlichen Charakter: seit dem Jahre 1859 leben wir im Zeitalter des Darwinismus; die Ausbreitung der Abstammungslehre und ihre fruchtbringende Anwendung auf die sämmtlichen Disziplinen der Biologie das ist die Signatur der lezten zwei Jahrzehnte in der Geschichte der Naturforschung. Für den Fernerstehenden und den Üneingeweihten mag die Vermuthung naheliegen, daß sich in den Verhandlungen der Naturforscherversammlungen, die alljährlich wiederkehren, die Pulsschläge der Wissenschaft am unzweideutigsten und untrüglichsten zu erkennen geben. Dies trifft für die Sektionssigungen, wo die einzelne Disziplin ihre Vertreter um sich sammelt, zum größten Theil zu; allein für die allgemeinen Sigungen, wo sich sämmt liche Naturforscher zur Anhörung einiger Vorträge zusammenfinden, wohl keineswegs.
Abstammungslehre, Darwinismus und Häckelismus sind bis jetzt Verhandlungsgegenstände der allgemeinen, nicht der Sektionsfizungen gewesen. Allein in diesen Generalversammlungen gibt es keine Debatte. Die Redner sprechen dort mit dem Bewußtsein, daß sich am Ende der„ Predigt" niemand erheben und Einwände gegen allfällige Irrthümer oder Unwahrheiten dieser oder jener Art machen kann. Der Zuhörer ist dazu verdammt, in den allgemeinen Sizungen der Naturforscherversammlungen alles Mögliche stillschweigend hinnehmen zu müssen; er muß unter Umständen ansehen, wie notorische Unwahrheiten, wenn sie pikant und geistreich vorgetragen werden, von Laien und Irregeführten als unumstößliche Wahrheit hingenommen und mit lautem Beifall beklatscht werden. Es versteht sich von selbst, daß die Wissen schaft, die Wahrheit und das Gefühl der Gerechtigkeit hiebei sehr schlecht wegkommen. Die Naturforscher haben schon lange gegen das autoritäre Kanzelwort in Kirchen und Schulen den Sturmlauf begonnen; sie haben die schädliche heilige Scheu vor jeder Autorität abgeworfen und sind dabei sehr gut gefahren und rascher als es jemals vorher geschah, vorwärts geschritten. Warum dürfen aber heute noch in den allgemeinen Sizungen der Naturforscherversammlung feine Diskussionen stattfinden? Warum soll dort keine Debatte zulässig sein, nachdem man derselben doch in den Sektionssizungen zum Rechte verhalf? Wie fruchtbringend müßte das sein, wenn z. B. heute die vorragendsten Häupter der Darwinianer und Antidarwinianer angesichts sämmtlicher Disziplinen der Biologie in einer allgemeinen Sigung aufeinanderplatten!
Die Erfahrungen in den Sektionssizungen haben gezeigt, daß die Diskussion über einen vorgetragenen Gegenstand oft, sehr oft fruchtbringender und anregender ist, als der mit vicler Mühe und
Die drei allgemeinen Sizungen während der abgelaufenen 50. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte brachten manchen geistreichen Vortrag. Von ganz eminenter Bedeutung- weil sie die höchsten aller Fragen berührten waren die Vorträge von Ernst Häckel über die heutige Entwicklungslehre im Verhältniß zur Gesammtwissenschaft", von Carl Nägeli über dieSchranken der naturwissenschaftlichen Erkenntniß", und von Geheimrath Virchow über die Freiheit der Wissenschaft im modernen Staatsleben". Häckels Vortrag, welcher in der ersten allgemeinen Sigung stattfand, brachte für den, der mit seinen Arbeiten bekannt ist, nichts neues; selbst die Auseinandersetzung über die Entwicklungslehre und ihre Stellung zur Ethik bewegte sich für den Darwinianer in bekannten Argumenten; auch das Postulat, daß die Entwicklungslehre von der Hochschule herab auszufließen habe in die Volksschule, wurde schon vor Jahren von einem zürcher Dozenten des Darwinismus in Wort und Schrift aufgestellt. Aber für die vielen Freunde der neueren Welt- und Naturauschauung, welche kaum alle diesbezüglichen Schriften und Bücher kennen dürften, war es ein Hochgenuß, den radikalen jungen Kämpen von Jena zu hören, wie er die Quintessenz der modernen Naturwissenschaft und seiner eigenen Theorie in kurzer, packender Rede zusammenfaßte.
Nägeli's Rede über die Schranken der naturwissenschaftlichen Erkenntniß" ist eine Erweiterung und bedeutsame Korrektur der Dubois- Reymond 'schen Rede über die Grenzen des Naturerkennens. Nägeli ist ein eminenter Empiriker und ein Kritifer par excellence. Seine Methode des Forschens ist mustergiltig, seine Rede klar und die Logik unantastbar. Die jüngeren Forscher unserer Zeit dürfen sich beglückwünschen, wenn der greise Philosoph und Physiologe, troß seiner reservirten Haltung gegenüber der exklusiven darwinistischen Richtung einer jüngeren Schule, am Ende seiner Rede über die Schranken der naturwissenschaftlichen Erkenntniß zu dem Sage gelangt:„ Wir wissen und wir werden wissen." Das klingt doch nicht im entferntesten so entmuthigend so reaktionär, wie das vielgepriesene, vielzitirte Schlußwort zu Dubois- Reymonds Vortrag: Ignoramus et ignorabimus.
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Häckel hat eine neue Naturphilosophie gegründet. Er liebt es, bisweilen das Gebiet der empirischen Forschung zu verlassen und seine Phantasie in die luftigen Räume rein philosophischer Kontemplationen und Spekulationen- sozusagen von der müh samen empirischen Forschung weg in die Ferien spaziren zu führen. Was er dann in solchen Vakanzen herausphilosophirt, das legt er nicht in sein Schreibpult, sondern unterbreitet es der Deffentlichkeit, ohne doch wohl darauf Anspruch zu erheben, daß er hiebei unumstößliche, absolute Wahrheiten verkünde und ihm deshalb unbedingt geglaubt werden müsse. Ja, manche„ Erakte" behaupten sogar, daß ihm bisweilen selbst bei empirischen Forschungen die Phantasie durchbrenne, und da klopfen sie ihm bald sanft, bald derb auf die Finger, ganz so, wie sie meinen, daß er es verdient