Parlamentarier.
III.
In unseren bisherigen Notizen haben wir zwei christlich- germanische Konservative vorgeführt, die auf der Basis des evangelischen Christenthums Recht und Gesez formuliren wollten. Als ein nothwendiges Bindeglied in der ganzen konservativeu Kette führen wir heute eine weniger bekannte, aber ebenso wichtige Persönlichkeit wie Stahl und Gerlach unseren Lesern vor: den katholisch- konservativen Abgeordneten Ferdinand Walter .
Derselbe war 1794 in Weglar geboren, seit 1821 Professor in Bonn ; 1848 Mitglied der preußischen Nationalversammlung; 1849-50 Mitglied der preußischen ersten Kammer.
Walter ging in seinem spezifisch katholischen Wesen so weit, daß er ein eifriger Verehrer des heiligen Rockes zu Trier war, und dennoch, oder vielleicht grade deshalb, schieu er zum Vermittler zwischen den Ultramontanen und dem christlich- germanischen Staate berufen. Beide religiös- politischen Richtungen kennen nur einen rothen Faden, der sich über die ganze Erde hinzieht und allenthalben nußbare Materialien zu dem gottgefälligen Bau aus den Tiefen überwundener Zeitalter herausfischt: den Autoritätsglauben. Deshalb noch sind sie weit entfernt, das Judenthum zu hassen als Dritten im Bunde begrüßen sie sogar sehr gern den orthodoxen Juden, und selbst Lasker in seiner findlichen Frömmigkeit wäre ihnen genehm gewesen. Sie wandten sich nur gegen die modernen, abgefallenen Juden und Christen.
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Selbst wenn Walter, der praktischer war, besonders wo es die unmittelbaren, rein materiellen Interessen des Volkes galt, sich bei olchen Gelegenheiten bis an die Grenzen der damaligen sozialistischen Anschauungen wagte, so ließ er doch niemals, ähnlich wie die jetzigen Klerikalen, die Annäherungspunkte mit den evangelischen Konservativen aus dem Auge er wußte wohl, daß sie ihm immerhin näher standen, als die Liberalen, die den Autoritätsglauben vernichten wollten. Er wußte deshalb seine Vorschläge, die auf die materiellen Intereffen gerichtet waren, auch immer so harmlos vorzubringen, daß die Menge an seinen guten Willen glaubte, die christlich- germanischen Stollegen in der Kammer dieselben aber nicht fürchteten.
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In der preußischen Nationalversammlung brachte er einmal bei Berathung der Justizgesetzgebung den Antrag ein: Jeder Verwandte und Freund hat freien Zutritt zu dem Inquisiten." Die ganze Rechte war erstaunt, der Abgeordnete Reichensperger, der sich bei der jüngsten Berathung der Justizgeseße im gegenwärtigen deutschen Reichstage den Anstrich der Freisinnigkeit gab, stürzte auf die Tribüne und erklärte, daß dann für die Justiz das letzte Stündlein geschlagen hätte.
Walter aber hatte den Antrag auf die Massen berechnet, er wußte wohl, daß derselbe nicht angenommen werden würde, und jetzt steht der vornehme Reichensperger ganz auf dem Standpunkte Walters, auch er berechnet bei seinen Oppositionsreden immer den Eindruck, den die selben auf das katholische Volk machen.
Mit der Anhänglichkeit an den christlich- germanischen preußischen Staat war es dem Professor Walter völlig ernst, doch nur deshalb, weil er in ihm den Beschüßer auch der katholischen Interessen erblickte. Als er nämlich glaubte, daß die dentsche bürgerliche Revolution 1848 siegen würde, da agitirte er sofort für Losreißung der Rheinprovinz vou Preußen, für Köln als Hauptstadt des rheinischen Kurfürsten und für ein deutsches Reich unter einem Kaiser, der am liebsten dem habsburgischen Hause entstammen sollte.
Doch als die Krisis vorüber war, stand er wieder unwandelbar fest bei den Männern des christlich- germanischen Staats er bereute tief den einzigen Irrthum in seinem Leben.
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Eine Wahl zum erfurter Parlament, welches die norddeutsche pro testantische Union , als einen Gegensatz zum katholischen Süden, feststellen sollte, nahm er nicht an. Im Jahre 1859 ist Walter in Bonn gestorben.
Betrachten wir die Stellung Walters, so sehen wir sofort, daß er ein tüchtiger Vorläufer der Herren Windthorst und Genossen war, welche auch nicht vor einem Bündnisse mit den christlich- germanischen Konservativen( von Gerlach war ja ein Fraktionsgenosse) zurückscheuen H. troß ihrer freiheitlichen Phrasen.
Die Libellen.( Bild Seite 64.) Die bedeutendsten und interessantesten unserer Netflügler sind die Libellen oder Wasserjungfern, von Ofen unter dem Namen Schillebolde oder Teufelsnadeln beschrieben. Diese Namen sind aber nicht so zutreffend, als die Bezeichnung des allzeit praktischen Engländers für diese Thiere. Er nennt sie ,, Dragonflies"( Drachenfliegen) und hat damit ihr Wesen und Treiben trefflich gekennzeichnet. Die schillernden, flinken Insekten gehören nämlich zu den größten Räubern, die ununterbrochen fangen und wegschnappen, was nur in ihre Nähe kommt. Schmetterlinge, Fliegen und andere Insekten sind keinen Augenblick sicher vor ihren Angriffen. Vom Mai an bis in den Herbst hinein treiben sie ihr Raubwesen. Sie sind über die ganze Erde verbreitet, fehlen weder im Norden noch im Süden. Im ganzen fennt man gegen 1000 bis 1100 Arten, von denen in Europa etwa 100 einheimisch sind. In den heißen Ländern sind sie reichlicher vertreten, aber nur wenige sind größer und schöner als die unsrigen. Wie alle Insekten, so machen auch die Libellen eine Verwandlung durch, ehe sie uns als die farbenschillernden Flieger erscheinen. Das Weibchen
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setzt seine Eier entweder direkt in's Wasser ab, oder schneidet mit seiner furzen Legeröhre Wasserpflanzen an, um seine Eier unterzubringen. Aus ihnen entwickeln sich nach einiger Zeit die Larven, die im Wasser ihren Aufenthalt haben. Sie können auch schon jetzt ihre räuberische Natur nicht verleugnen, sondern wüthen mit unersättlicher Gier unter all' dem übrigen Geschmeiß, das im Wasser lebt. Mehrmals streifen sie die alte Haut ab und ersetzen sie durch eine neue, ja sie häuten sich selbst noch dann, wenn bereits die Flügelstumpfe vorhanden sind. Wie lange eigentlich der Larvenzustand bei den einzelnen Arten andauert, ist noch nicht mit Sicherheit festgestellt worden, wahrscheinlich nimmt aber die Entwicklung die Zeit eines Jahres in Anspruch, so daß die Ueberwinterung stets im Larvenzustande erfolgt. Fühlt die Larve die Zeit herankommen, wo sie das nasse Element mit dem blauen Aether vertauschen kann, so kriecht sie an einer Binse oder einer andern Wasserpflanze empor; oftmals hat sie sich jedoch zu früh aus dem Wasser entfernt, so daß sie noch einmal in dasselbe zurückkehren muß. Hat sie sich jedoch einmal draußen festgesetzt, so dauert es auch nicht mehr lange, bis die Haut auf dem Rücken entzweiplaßt und das Thier sich aus seiner letzten Larvenhülle herausarbeitet. Ist dieser Akt vollendet, so ist die neugeborne Seejungfer noch keineswegs befähigt, sich hoch in die Lüfte aufzuschwingen. Die Flügel sind noch naß und eingeschrumpft, längs und quer zusammengefaltet. Zusehends glättet sich eine Falte nach der andern, in der Zeit von einer halben Stunde sind sie völlig ausgebreitet. Aber noch sind sie weich und schlaff, erst nach zwei bis drei Stunden sind sie zum Fliegen tauglich. Dann erhebt sich das Insekt in die Lüfte, um mit noch größerer Ausdauer und Gewandtheit als bisher das Räuberleben des vorigen Zustandes fortzusehen. Ohne uns hier auf eine Unterscheidung der verschiedenen Arten einzulaffen, sei nur bemerkt, daß die Gattungen Calopterix, Agrion, Aeschna und Libellula bei uns am häufigsten sind. Die beiden ersten Gattungen umfassen die kleineren Arten, während die größeren und wilderen Arten den letzten zwei Gattungen angehören. Unsere größte Libellenart ist die am Hinterleibe grün oder blau gescheckte große Schmaljungfer ( Aeschna grandis). Nicht selten sind ferner die beiden Plattbaucharten Libellula depressa und L. quadrimaculata, erstere von gelbbrauner Grundfarbe, an den Rändern mit gelben Flecken oder schön himmelblau bereiftem Hinterleibe beim Männchen, letztere fast von derselben Zeichnung, nur kein blau angelaufenes Männchen. Von den kleineren Arten ist die gemeine Seejungfer( Calopterix virgo) am häufigsten. Das Weibchen hat braune Flügel und einen metallisch smaragdgrünen Körper, das Männchen dagegen erscheint durchaus stahlblau. Bisweilen treten einzelne Arten in so ungeheuren Mengen auf, daß sie die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie unternehmen dann auch wohl regelmäßige Züge, deren man seit 200 Jahren mehr als 40 verzeichnet hat. Meist bestanden sie aus der vierfleckigen Plattbauchart, einigemale auch ans Libellula depressa, einmal auch aus einer Art der Schlankjungfern ( Agrion), welchen wir unseren Lesern im Bilde vorführen. Forscher, die solche Libellenzüge beobachtet, sprechen allgemein mit Bewunderung von der Regelmäßigkeit des Zuges. Der um die Naturgeschichte der Libellen hochverdiente Naturkundige Hagen , der im Juni 1852 einen Zug bei Königsberg beobachtete, schreibt darüber: ,,... Die Libellen flogen dicht gedrängt hinter- und übereinander, ohne von der vorgeschriebenen Richtung abzuweichen. Sie bildeten so ein etwa sechzig Fuß breites und zehn Fuß hohes lebendes Band, das sich um so deutlicher markirte, als rechts und links davon die Luft rein, von Insekten leer erschien. Die Schnelligkeit des Zuges war ungefähr die eines kurzen Pferdetrabes, also unbedeutend im Vergleich mit dem reißenden Fluge, der sonst diesen Thieren eigenthümlich ist. Der Zug dauerte in derselben Weise ununterbrochen bis zum Abend fort; eine Schätzung Die Ursache dieser der Zahl der Thiere mag ich mir nicht erlauben. Züge ist noch nicht aufgeklärt. Die Regelmäßigkeit derselben, die dem Naturell jener rastlos nmherschweifenden Thiere widerspricht, bedingt allerdings einen bestimmten Zweck." Der von Hagen beobachtete Zug nahm seinen Ursprung aus einem Teiche bei Dewan, eine viertel Meile von Königsberg . Die Färbung des Körpers und die Beschaffenheit der Flügel ließ erkennen, daß die Thiere erst an demselben Morgen die Verwandlung überstanden hatten. Wohl zu unterscheiden von solchen Zügen sind die Libellenschwärme, die man in manchen Jahren an einzelnen Gewässern wahrnimmt, besonders wenn ein kaltes Frühjahr ihre Entwicklung verzögert hat und einige warme Tage plötzlich die Verwandlung zuwege bringen.
H. St.
Waldidylle.( Bild Seite 65.) Der alte Herr Förster muß eine sehr gute Haut sein, daß die kecken jugendlichen Holzfrevler vor ihm nicht nur nicht Reißaus nehmen, sondern grade so thun, als ob sie in ihrem Rechte wären, wenn sie ganze Arme voll Holz und Reisig zu einem luftigen Feuerchen zusammenschleppen. Freilich scheint der barfüßige Schelm mit dem Feuerbrand auch die schwache Seite des gutmüthigen Waldbeherrschers getroffen zu haben: die Pfeife ist ihm bei seinen Waldgängen gewiß ganz unentbehrlich, und die vertracten Reibhölzer vergißt man gar so leicht, wenn man den Kopf von tausenderlei andern Dingen voll hat. Während der Bursch vor dem Förster den brennenden Aft ganz ernsthaft und beinahe mit militärischer Steifheit präsentirt, schaut der das Holz haufenweis herbeischleppende andre Bub' förmlich verflärt darein die Keckheit des Gespielen gefällt ihm gar zu gut! Der Dritte am Erdboden ist aber nicht so leicht aus seiner philosophischen
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