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Nun," schmunzelte Jonas, das spielt in die Familien­geschichte hinein; Sie wissen ja, Herr Eusebius , daß der alte Drache, das heißt Ihre Frau Schwägerin, die Hofräthin, und auch der Herr von Bartels die Liebschaft nicht zugeben wollen, zwischen dem Jakob und der Rosel. Nun war gestern wieder ein Heidenskandal, indem die Alte herausbekommen hat, daß sich das junge Völkchen heimlich sieht, zum Ueberfluß ist der lange Mensch, der Jakob, der zornigen Dame wie ein reifer Apfel in den Schoß gefallen, als er sich schleunigst zurückziehen wollte. Die Kleine wird jetzt strengstens unter Schloß und Riegel gehalten werden, und so werden sich die armen Kinder halb zu Tode grämen, wenn ihnen nicht ein wenig geholfen wird."

" Das könnte nur einer, wenn er ein Machtwort zu ihren Gunsten spräche;" meinte Herr Eusebius nachdenkend," Bruder Jakob aber wird das am wenigsten thun."

" Das Kunststück liegt darin, ihn dazu zu bringen!" sagte Jonas zustimmend. Ich werde halt mein Glück versuchen, die Rosel hat mich gar so schön gebeten."

" Haben Sie nicht schon einmal, und vergebens, das Herz des Alten zu erweichen versucht?"

" Ja freilich, aber-"

" Nun, die traurige Geschichte seiner unglücklichen Jugendliebe mit der armen Lehrerstochter, der schönen Dorothea, die so früh gestorben ist, wird Ihnen bekannt sein, ich habe keine Hoffnung, daß Jakob hülfreich die Hand bieten sollte, um zwei Liebende zu beglücken."

" Ich auch nicht," erwiderte Jonas mit schlauem Lächeln. " Aber Sie meinten doch eben noch

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" Daß er helfen würde gewiß; aber er wird das weniger thun, um die Liebenden zu beglücken, als um die übrigen halb todt zu ärgern und ihnen einen rechten Possen zu spielen. Das Kunststück ist nun, ihn dahin zu bringen."

" Ei, ei," meinte Eusebius bedenklich, das wäre aber un­moralisch. Wissen Sie nicht, was in dieser Beziehung der er­habene Kant uns zu thun gebietet? Handle so, daß die Maxime deiner Handlungsweise ein allgemeines Gesetz werden könne!""

Jonas Wallfisch blickte den Philosophen so mitleidig und zu gleich so überlegen an, als sei ihm erst jezt plötzlich klar geworden, warum Eusebius Bartels es im Leben nicht weiter gebracht, als die zerrissenen Schuhe und Stiefeln der Dohlenwinkler zu flicken. Dann sagte er laut:

Dieser Kant muß ein entsetzlich unpraktischer Mensch sein, wohl so ein Stück Poet oder Sterngucker, der von der Welt nicht den blauen Teufel verstanden hat? Da kenne ich die Menschen besser."

" So, so!" brummte der Philosoph vor sich hin.

" Ja, meine Idee ist glänzend; ich will Ihnen dieselbe gleich auseinandersetzen. Am Nachmittage gehe ich also zu Herrn Jakob und werde ihm eine Weinprobe mitnehmen. Zu der Zeit weiß der alte Herr schon ganz genau, was sich gestern unter seinen Erben zugetragen hat, denn wenn auch nur das Kleinste, passirt, was dem einen oder dem andern zu Schimpf und Schande ge­reicht, dann wird sofort eine Meldung gemacht."

" Schauerlich!" warf Eusebius dazwischen.

" Freilich sehr nett ist das nicht, da hätte Ihr Herr Kant Menschen kennen lernen und Studien machen können!"

Stant spricht auch von Menschen, wie sie sein sollen, von idealen Geschöpfen," belehrte Eufebius eifrig.

Jonas Wallfisch lachte. Ideale Geschöpfe! Da hätte er

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lieber gleich von Engeln reden können. Was Menschen sind, weiß ein Schankwirth am besten. Aber wieder auf besagten Hammel zu kommen: Herr Bartels, werde ich sprechen, wissen Sie wohl, wie Sie die Hofräthin und den Herrn Johann denn das sind doch die Häupter der beiden feindlichen Familien­recht ärgern, anführen und für ihren Geiz und ihre Habsucht strafen können? Da wird er schon die Hände reiben und mich erwartungsvoll ansehen so( und Herr Jonas kniff die Augen zusammen und grinste schadenfroh). Darauf werd' ich auch ein schlaues Gesicht machen und sprechen: Morgen müßte der Herr Jakob Kopfschmerzen haben und im Bett bleiben; eine Stunde darauf wird alles in Aufruhr sein:, Der Erbonkel ist krank!' Zuerst wird der Meister Johann kommen und sich theilnehmend erkundigen; es wird ihm gesagt: er solle den Jakob schicken. Unterdem kommt sicher auch der Herr von Bartels angeschossen und trifft den Jakob bei dem Erbonkel und hört, wie der sich erkundigt, was er wohl möchte und ob ihm die Tischlerei des Martens paßte, und was so mehr ist.

Die Geschichte wird dem Herrn Hofrath einen heißen Kopf machen und daheim der Gnädigen gewaltig in die Nase fahren, sie wird nun auch einen Trumpf ausspielen, und Erbonkels einstigen Liebling, Röschen, zur Krankenvisite, etwa mit einem Blumenstrauß, schicken.

" Schwester Emmerenzia oder Martha haben das nicht sobald ausgespäht, als sie auch schon der Schwägerin Friederike die schlimme Nachricht bringen. Natürlich wird die Geschichte hübsch vergrößert, und schließlich glaubt die Schreinerfamilie fest daran, daß die adlige Sippe die Erbschaft erhalten wird. Ebenso fest ist aber auch der Hofrath und die Dame Edeltrud davon über­zeugt, daß Jakob der Erbe ist.

" Jegt fängt meine Rolle an. Erst stelle ich dem Hofrath vor( der holt sich ohnedem Raths bei mir), welch' ein gutes Ge­schäft er unter so veränderten Verhältnissen machen würde, wenn er seine Zustimmung zu des Erben Werbung um Röschens Hand geben möchte. Dem Meister Johann wiederum und der Frau Friederike male ich recht handgreiflich aus, wie man die adligen Bartels überlisten könnte, wenn Röschen, die Erbin, vorher un­auflöslich mit Jakob verbunden würde. Für alle Fälle wäre dann doch etwas von der Erbschaft gerettet, und da Franziska versorgt ist durch ihre Heirath, liegt den Schreinersleuten das Schicksal Jakobs, des Erstgebornen, ja am meisten am Herzen. Sie werden freudig, Ja! sagen. Der lange Jakob wird seinen Konfirmationsfrac anziehen, sich fein säuberlich zu der Frau von Bartels in die standesgemäße Wohnung begeben und noch ein­mal um Röschen werben. Ich will feinen guten Tropfen über meine Lippen mehr bringen, wenn wir nicht in drei Tagen ein vergitügtes Brautpaar hier in Dohlenwinkel haben."

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Der alte Student hatte sein Kelchglas geleert und starrte den dicken Wallfischwirth so verwundert an, als wenn derselbe ein neues philosophisches System aufgestellt hätte. Obgleich er vom moralischen Standpunkte aus nun diesen Plan nicht billigen konnte und durchaus nicht der Ansicht war, daß der Zweck die Mittel heilige mußte er doch des Wallfisches Schlauheit und Kom­binationsgabe anerkennen und zugestehen, daß ein günstiges Re­sultat auf diese Weise erzielt werden könne. Das sprach er auch aus, und Herr Jonas füllte geschwind noch einmal das Glas des Philosophen, erhob das seinige und sagte schmunzelnd: " Das Brautpaar lebe hoch!" ( Fortsetzung folgt.)

Old John

Am 9. Mai 1800 wurde in einer bescheidenen Wohnung zu Torrington, einem Landstädtchen des Neuengland - Staats Connet tikut, ein Knäblein geboren, tas, in der Jugend auffallend still und in sich gekehrt, als Mann viel Lärm machen sollte in der Welt, und zuletzt, dem Greiſenalter nah aber noch in der Fülle der Kraft an den Galgen gehängt ward, weil er sich, wie der Ge­treuzigte der Christuslegende, hatte beigehen lassen, der Erretter, der Heiland" der unterdrückten Menschheit zu werden.

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamme. Das Sprüchwort ist wahr, wenn es auch Ausnahmen hat und von manchem Edel­*) Sprich: Ohld Dschonn Braun.

Brown.*)

reis schon ein recht häßlicher Holzapfel weit vom Stamm gefallen ist. Der Vater unseres John, Owen Brown, war der Ururenfel eines der Pilgrimfathers( Pilgerväter), die im Winter 1620 das ungaftlich gewordne old home( alte Heimathland) in der May­flower"( dem Schiff: Maiblume") verlassen und am Weihnachts­tag des Jahres 1620 die Küste der neuen Welt" betreten hatten. Es waren gewaltige Menschen in ihrer Art, jene Puritaner, nicht zu messen mit dem Maßstab unserer Zeit. Brünstig an Gott glaubend, glaubten sie ebenso brünstig an das eigene Recht und die eigene Kraft. Ihr Gottesglaube' war in Wirklichkeit mur der