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Deutschla... Festzeit.

Skizzen aus den Jahren 1860-1863 von 28. H.

Da tagten sie zusammen in Koburg , die Turner aus Süd und Nord, und wollten Deutschland unter einen Hut bringen, und zwar unter den Hut des Herzogs Ernst von Koburg, der aber grade in Baden- Baden weilte und dem Herrscher an der Seine sein Kompliment machte. Sie tagten und beriethen und Sie tagten und beriethen und fonnten selbst nicht einig werden, nicht einmal darüber, auf welche Weise die turnerischen Bestrebungen und Arbeiten centralisirt werden sollten.

Die Männer des Südens und des Westens verlangten eine thatkräftige Bewegung und Centralisation, sie wollten unter dem schwarz- roth goldenen Banner auch die politische Freiheit des Volkes erkämpfen, während besonders die Herren aus Berlin und Leipzig jede politische Meinung ausgeschlossen haben wollten. Gradeso wie späterhin der alte Papa Wrangel- Verzeihung, ich wollte sagen der alte Papa Schulze die Politik aus den Arbeitervereinen zu verbannen suchte.

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Politik ist Privatsache des Einzelnen, riefen die Herren Anger­stein, gegenwärtig Oberturnwart in Berlin und Ritter des rothen Adlerordens, und Martens, während der Stuttgarter Kallenberg die Turnerbewegung zu einer Freiheitsbewegung machen wollte, allerdings, wie es mir nachher einleuchtete, mit dem Herzog von Koburg an der Spitze.

Die Herren Georgii, Festpräsident, und Dr. Göz, Redakteur der Turnzeitung", blieben neutral es geht ihnen heute noch immer so, diesen Urbildern des deutschen Philisterthums sie nennen sich Demokraten, wollen aber um keinen Preis die Volks­regierung".

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der meist aus Thüringern, Süd- und Westdeutschen bestand, war Koburg ", die des andern, der sich aus Berlinern, Leipzigern, Schlesiern und Ostpreußen zusammensetzte, lautete Deutschland ". Nach langem Manövriren siegte Koburg über Deutschland . Erst später ist es manchem harmlosen Turner, der sich mit Ver­gnügen dem Spiele hingegeben, eingefallen, daß er zu einer einfältigen Komödie beigetragen hatte, die die Herren Georgii, Kallenberg, Göz 2c. dem Herzog von Koburg aufführten. Es sollte der Sieg Koburgs über Deutschland die Kaiserkrone versinnbildlichen, welche dem Herzog von Koburg gebühre!

Der Herzog war auch inzwischen von Baden- Baden zurück­gekehrt und empfing einige Deputationen; vorher war ich gleich­falls begierig gewesen, dem Herrit vorgestellt zu werden, doch nachdem ich die aufgeführte Komödie begriffen, dankte ich für die Ehre.

Des Abends war Ball im Theater. Da der Herzog und die Herzogin ihr Erscheinen zugesagt hatten, stellte das Festkomité an jämmtliche Turner das Ansinnen, in weißen Glacéhandschuhen zu erscheinen, was um so lächerlicher war, da die sonstige Klei­dung der meisten Turner in äußerst derangirtem Zustande sich befand. Es konnten ja nicht alle Festtheilnehmer großes Gepäck bei sich haben, wie die Herren Festleiter, die schon in ihrer Hei­math wußten, daß sie bei dem Herzoge logiren würden. Infolge dessen fielen die Herren bei der Glacéhandschuhdebatte auch mit ihrer Ansicht durch, und das Erscheinen auf dem Balle wurde nicht von den weißen Glacéhandschuhen abhängig gemacht.

Das war auf dem Balle ein Scharwenzeln um den Herzog und die Herzogin herum! Ja, mancher frisch- fromm- fröhliche Ein Antrag auf Gründung eines Allgemeinen deutschen und freie Turner war entzückt, wenn er nur die Robe der Frau Turnerbundes", den Kallenberg stellte, wurde nach lebhafter Dis- Herzogin streifen konnte. Die deutsche Servilität zeigte sich da kussion abgelehnt, weil das Volk noch zu sehr eingeschüchtert sei,"| in ihrer efelerregendsten Weise. wie die Leipziger und Berliner bemerkten. Seit 1848, wo sich das Volk einschüchtern" ließ, waren volle zwölf Jahre verflossen, und so wird das Volt, nämlich das Volt" jener Herren und ihrer Sippe, die das toburger Turnfest leiteten, wohl für immer ein geschüchtert bleiben.

Erzählen wir nun kurz den Verlauf des Festes. Nach dem " Turntage", von welchem noch ein ehrfurchtsvoller" telegraphischer Gruß an den Herzog von Koburg nach Baden- Baden gesandt wurde, am 17. Juni 1860, fand Nachmittags der Festzug und das Schauturnen statt, bei welchem die leipziger Turner sich be­sonders hervorthaten. Der Festpräsident, Rechtsanwalt Georgii aus Eßlingen , hielt die Festrede und forderte am Schlusse der= selben die Turner auf, die Häupter zu entblößen und an das Vaterland zu denken. Georgii selbst stand hoch auf der Tribüne und ließ circa 1200 Turner mit entblößten Köpfen vor sich stehen, solange bis es einigen jungen Burschen langweilig wurde, die ein Hoch ausbrachten und somit den Bann lösten. Diese lächerliche Komödie hat später manchen Festgenossen noch geärgert.

Am 18. Juni war Feuerwehrprobe, Schwimmübung, Turn­fahrt nach der Veste" und dem Schlosse Rosenau. Abends fand der Kommers in der Reithalle statt.

Mir ist noch erinnerlich, daß sehr viel und sehr viel dummes Zeug über Schleswig- Holstein geredet wurde; auch wurde ebenso viel bei diesen Toasten geweint. Da fuhr plößlich wie ein leuch tender Blizz die kurze, fernige Ansprache des Dr. von Sch. da zwischen, der einen Toast ausbrachte auf die deutschen Flüchtlinge in der Schweiz , in England und dem fernen Amerika , auf die treuesten Söhne des Vaterlands!"

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Alle Sentimentalität war plöglich verschwunden, ein brau sender, nicht endenwollender Beifallssturm erfüllte die Halle, die Augen der deutschen Jugend leuchteten in Begeisterung und Zornes­gluth darüber, daß das Vaterland die besten seiner Söhne ge­ächtet habe. Die Angersteine, die Göße, alle die Strebér und Angstmichel machten schier verwunderte und lange Gesichter und griffen den Redner später seines freien Wortes halber an: Seine Hoheit der Herzog dürften derlei Toaste ungnädig aufnehmen." Des andern Tages, am 19. Juni, wurde eine Turnfahrt nach dem Kallenberg, einem Luftschlosse des Herzogs, gemacht und mit einem Kriegsspiel verbunden.

Die Festleiter, die beim Herzoge einquartirt waren, hatten die Turner in zwei Heerhaufen getheilt; die Losung des einen,

In erster Linie belästigten den Herzog natürlich die Herren Georgii, Göß und Genossen; ob dieselben sich schon als künftige Reichsminister dem Herzoge vorstellten, das fonnte man nicht hören, aber glauben konnte man es, denn diese Herren haben selbst gemeint, daß sie einst Reichsminister werden würden, und was sind sie jezt? Georgii ist auf dem antisozialistischen Kon­greß, der jüngst in Gera tagte, zum Ausschußmitgliede gewählt worden, also doch Minister, wenn auch nur des Dr. May Hirsch; Angerstein hat den rothen Adlerorden erhalten und sinnt über den Herwegh'schen Spruch nach:

Adler, ihr klassischen Adler, ihr ordentlich rothen und schwarzen- Wo nur immer ein Aas, sammeln die Adler sich schnell." Und Göz ist noch immer Göz geblieben.

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Lassen wir die Streber und Simpelmeier laufen und wenden wir uns zu einer Gruppe tübinger und erlanger Studenten, die sich mit mehreren Turnern aus dem Handwerkerstande in einem Nebenzimmer des Theatersaals bei einem Glase Bier unterhalten.

Es hat gar keinen Sinn, wenn wir einen akademischen Turn­verein gründen," rief ein hübscher, blonder Schwabe aus Tübingen , die meisten unserer Kommilitonen turnen doch nicht und außer­dem wird durch die Exklusivität ja der eigentliche Zweck der Turnvereine, die Ausbildung des ganzen Menschen und des ganzen Volks verhindert. Aus unserem Umgange können hier unsere Freunde etwas lernen, aber ganz bestimmt können wir noch mehr von ihnen lernen, und zwar in Bezug auf das praktische Leben. Ich habe mich in diesen drei Tagen vorzugsweise mit den Handwerkern und Arbeitern, die sich hier als Turner be­und habe finden, unterhalten und befinde mich sehr wohl de noch gelernt."

Ein erlanger Student hielt es für ser zu überwinden, die in studentischen Kreiser seien jeder Handwerksgeselle sei ein S Studenten, und deshalb müßten erst öft Bahnbrecher einer vernünftigen Anschauung

Das wäre nur Strohfeuer," rief ei geselle, der aus einer nahen thüringischen kommen war, ein Strohfeuer verlischt bald. ist, daß in den Turnvereinen die Söhne