und Frau Friederike unwillkürlich einstimmten, fortgerissen der Komik der Situation, dem Ausgange des Gartens zu.

Allmählich erlosch das verhängnißvolle elektrische Licht, die vorige Dunkelheit folgte und verhüllte zwar das schamvolle Autlih Adelgundens, die in die Arme der Schwester geflüchtet war, andrerseits aber verursachte sie einen bedauerlichen Zusammenstoß. Als Hans nämlich, einem Frrsinnigen gleich, in seiner Ver­zweiflung dem Ausgange zueilte, trat durch die schmale Garten­thür Gertrud mit der Magd, beide den Speisekorb sorglich zwischen sich tragend. Ueber diesen nun stürzte Hans in wildem Anprall, und zur Erde fallend, riß er den Korb mit sich, dessen Henkel die erschreckten Frauen unwillkürlich losgelassen hatten. Der appetit­liche Inhalt leerte sich auf den Rasen aus. Die schöngebräunte Kalbskeule follerte von den Scherben der zerbrochenen Schüssel in Sand und Unkraut, und das Kirschenkompot ergoß sich in rothent Strome, ihr nachfließend.

Ein bitterer Hohn war es, daß just in diesem Angenblick drei Raketen sirahlend aufstiegen, und das Wehgeschrei Gertruds und der Magd klang in die Ohren des übereifrigen, kleinen Hofraths, der sich des gelungenen Werkes freute, wie Hochruf.

Zur selben Zeit herrschte aber in dem Lusthause eine noch größere Verwirrung. Dame Edeltrud war, wie wir bereits ge­meldet, in wirkliche oder auch nur fingirte Ohnmacht gesunken bei dem für ihr Mutterherz so fürchterlichen Anblick.

Die gutmüthige Frau Friederike beschäftigte sich zuerst mit der Leidenden und suchte ihr den Inhalt eines Weinglases einzu­flößen, wobei sie die Hülfe Marthas und Emmerenzias begehrte. Die beiden schadenfrohen, alten Jungfern beeilten sich nichts destoweniger, die alte Dame, welche auf die hölzerne Bank in der Laube gesunken war, aufzurichten, und über diesem Bemühen hatte man die Hauptverson, den Erbonkel, gänzlich vergessen.

Zum Glück erinnerte Meister Johann sich seiner und erblickte den Bruder unbeweglich in seinem Sessel sigend. Der besorgten Frage, ob ihm etwas fehle, antwortete nur ein unartikulirtes Lallen, und beim schnell vorübergleitenden Leuchten der auf­steigenden Raketen konnte der Schreinermeister zu seiner Bestür­zung sehen, daß Jakobs Mund häßlich verzerrt war und seine kleinen Augen wie verglast vor sich hinſtarrten.

Jetzt stieß der Meister einen Alarmruf aus, in den sich die Schreie der Frauen mischten, die sofort die Stiche ließen, als ihnen klar ward, was hier geschehen.

Ein Feuerregen prasselte, in schönen Garben aufsteigend, her­nieder, und wieder glaubte der Hofrath in unseliger Verblendung, daß die dumpfen Schreie, welche an sein Ohr schlugen, Ausrufe des Beifalls und Entzückens seien. Deshalb ließ er zum Schluß noch einmal das elektrische Licht erstrahlen und begab sich darauf, händereibend und vergnüglich lächelnd, aus seinem versteckten Winkel nach dem Lusthause, sicher, dort die schönsten Komplimente für seine trefflichen Leistungen in Empfang zu nehmen. Die ungewohnten förperlichen Anstrengungen hatten ihm auch Appetit gemacht, deshalb erregte der Gedanke an das Festmahl ihm die angenehmsten Vorstellungen.

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Armes, graues Männlein, hemme den eiligen Schritt und denke der bitteren Wahrheit, welche der alte Vers enthält: ,, Zwischen Lipp' und Kelchesrand Waltet dunkler Mächte Hand!"

Die letzten Strahlen des elektrischen Lichtes beleuchteten die noch immer ohnmächtige Edeltrud, eine Gruppe händeringender Frauen, die unbeweglichen Züge des Erbonkels und die präch tige, im Grase ruhende Kalbskeule, die von dem rothen Strome des Kirschenkompots bereits erreicht und überfluthet war.

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Wenn ein verheerendes Erdbeben eine blühende, prangende Flur verwüstet, stolze Gebäude in einen Schutthaufen verwandelt, und am nächsten Morgen die Sonnenstrahlen wieder hell und freundlich diese Stätte der Zerstörung beleuchten, so nennt man das einen grellen Kontrast und empfindet dabei wehmüthig die gänzliche Unsicherheit und Unzulänglichkeit desjenigen, was wir Glück zu nennen belieben.

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Parlamentarier.

VII.

Meine Feinde sind feig!" Dieser Ausspruch Friedrich Wil­helms IV. paßt wohl auf niemanden besser, als auf Herrn v. Unruh, unter dessen Präsidium der Steuerverweigerungsbeschluß von der kon

Aehnliche Betrachtungen drängten sich bewußt und unbewußt den Mitglieder der Familie Bartels und den theilnehmenden Dohlenwinklern auf.

Welche Fülle von Stoff, welche Hochfluth von Neuigkeiten! Dem Mittheilungsbedürfnisse der Dohlenwinkler war mit einem­male für längere Zeit abgeholfen.

Begeben wir uns zuerst in die standesgemäße Wohnung". Diesmal lag Dame Edeltrud nicht, wie bei Röschens entdecktem Stelldichein, eine Migräne heuchelnd, auf dem Ruhebett. Der Stoß war tiefer bis in's Herz hinein gedrungen.

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Die Erinnerung an die gestern erfahrene entsegliche Demüthi­gung trieb sie rastlos umher, und gleich dem Gespenst aus dem Geschlechte der Raugrafen Gockel, das, der Sage nach, in der Abtei umgehen sollte, irrte die Hofräthin ruhelos von Zimmer zu Zimmer. Ihr Zorn wurde noch dadurch vermehrt, daß die ernst­liche Erkrankung des Schwagers Jakob sie daran hinderte, Rache an dem Verführer ihrer 39jährigen Tochter zu nehmen, denn sie war überzeugt, daß der Erbonkel im Interesse der Familienehre eine exemplarische Bestrafung des Frevlers vorgenommen hätte. Worin diese bestanden, war der Dame allerdings nicht ganz klar, jedenfalls mußte der Verbrecher das graue Haus am Markte, die Stadt, ja das Land verlassen.

Auf ihrer unruhigen Wanderung durch die Gemächer der standesgemäßen Wohnung vermied Dame Edeltrud, eines der­selben zu betreten, obgleich sie den Schlüssel dieses Thurmzimmer­chens in der Gürteltasche trug.

Dieses Stübchen, sonst der Aufenthaltsort eines sinnigen Mägdleins, war jetzt in ein Gefängniß verwandelt. Hier schmach­tete die von Schmerz und Schant gleich tief Gebeugte.

Adelgunde saß an dem Fenster und blickte durch die kleinen, trüben Scheiben hinaus in die sonnige Landschaft. Die Augen des armen Geschöpfes waren roth umrändert und die dünnen Locken hingen so schlaff und gelöst herab, als hätte die Schale des mütterlichen Zornes sich nicht blos figürlich, sondern in Wirk­lichkeit über das blonde Haupt der Tochter ergossen.

Auf dem noch unberührten Lager- Adelgunde hatte in ihrem Jammer garnicht einmal den Versuch gemacht, sich zur Ruhe zu begeben lag das weiße Festgewand, die blauen Schleifen und der Vergißmeinnichtzweig. O, es bedurfte dessen nicht, um sie unaufhörlich an den kurzen Augenblick des Glückes zu erinnern, dem so tiefe Demüthigung und lange Reue folgen sollte!

Trostlos starrte sie vor sich hin. Wenn auch nur das kleinste Fünfchen Trost ihr geblieben, wenn ein noch so entfernter Hoff­nungsschimmer ihr geleuchtet hätte!

Aber nein, daran war garnicht zu denken. Die Mutter war unversöhnlich, das wußte sie, und nie würde sie eine Verbindung ihrer Tochter, eines Fräuleins von Bartels, mit einem simplen Ladendiener gestatten, den ganz Dohlenwinkel nur unter dem Namen der lange Hans" kannte.

Zudem hatte besagter Hans ja noch garnicht einmal um ihre Hand, sondern nur um ihre Liebe geworben.

Liebe verhängnißvolles Gefühl, es hatte ihr nie Glück gebracht. Auch Theobald Wagner hatte ihr einst Liebe geheuchelt, was ihn indessen nicht abgehalten, die Majorstochter zu heirathen und allmählich Vater von neun Kindern zu werden.

Und Hans? Er würde sie sicherlich auch vergessen, besonders wenn die strenge Mutter ihre Drohung noch ausführte und sie nach Wolfsburg in die Diakonissenanstalt schickte. Denn," so hatte Dame Edeltrud noch heute früh zornig geäußert, nachdem du die Ehre unserer Familie hier befleckt, kann ich dich nicht mehr um mich dulden, ohne das reine Wappenschild derer von Reckenstein selbst zu verunglimpfen." Mithin war keine Hoffnung auf eine mildere Gestaltung ihres Geschickes, zumal auch der Erbonkel, der vielleicht Erbarmen mit ihr und Hans gefühlt, durch beider Schuld erkrankt war.

Ein tiefer Seufzer entrang sich bei dieser letzten Erwägung dem zarten Busen des armen Mädchens.

Da ward leise der Schlüssel in das Schloß gesteckt, dte Thür geöffnet und Röschen trat in das Gemach. ( Fortseßung folgt.)

stituirenden Versammlung in Berlin im Jahre 1848 gefaßt wurde, der Steuerverweigerungsbeschluß", welcher nach Unruhs eigenen späteren Worten eigentlich gar kein Steuerverweigerungsbeschluß war", da er die zweite Lesung noch nich. hinter sich hatte.

Wäre die Sache gut abgegangen, dann hätte sich von Unruh natürlich als den Helden des siegreichen ,, passiven Widerstandes" auf­