gespielt, so aber verleugnete er sein eigenes Werk. Ein kostbarer Kaup dieser ,, revolutionäre" von Unruh, dieser Vater des ,, passiven Wider­standes", der am 10. November 1848 in folgender komischen Tirade sein Herz ausschüttete:

,, Solange die Presse, solange das Vereinsrecht nicht von neuem geknebelt werden, hat das Land die Mittel in der Hand, ohne Blut­vergießen den Sieg über die Bestrebungen der Reaktion herbeizuführen." Diese Worte hat von Unruh auch unter sein Bildniß geschrieben. Uebersetzen wir dieselben in gutes Deutsch, so tritt die ganze Jämmer lichkeit dieses traurigen Phraseurs in das rechte Licht:

,, Solange die Reaktion sich nicht rührt, solange die Reaktion sich vor unseren Worten fürchtet, solange bleiben wir zum Heile des Vuter­landes obenauf und räsonniren weiter; wenn aber die Reaktion wirk­lich ernsthaft auftritt, wie sie es ja zu thun gewöhnt ist, denn, ja dann könnte es ein Blutvergießen geben, wenn wir nicht flig genug wären, in's Mauseloch zu schlüpfen."

Und dieser von Unruh, der persönlich so unbedeutend ist, be­herrschte die berliner Nationalversammlung, weil dieselbe in diesem Manne der Halbheit das getreue und glänzende Spiegelbild ihrer selbst sah.

Wir würden weitaus den Rahmen, der uns bei diesen kleinen Bildern gesteckt ist, überschreiten, wollten wir sämmtliche parlamen­tarische Schmach, die sich an den Namen von Unruh klammert, hier aufführen. Deshalb sei es genug, wenn wir nur eines Beispiels noch Erwähnung thun.

Herr von Unruh erklärte sich ungefähr mit folgenden Worten in der Nationalversammlung gegen einen Antrag auf Amnestie:

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Wir leben in einem foajtitutionellen Staate und wollen das kon­stitutionelle Prinzip ausbilden; wir müssen deshalb auch die Präroga­tive der Krone achten. Ein Antrag auf Erlaß einer Amnestie ist ein Eingriff in solche Prärogative. Durch solchen Antrag kann ein unlös­barer Konflikt herbeigeführt werden. Wir wollen deshalb eine Inter­pellation einbringen in dieser Hinsicht; gibt uns das Ministerium eine ungenügende Antwort, so lassen wir das Ministerium fallen und die Krone wird sich fügen."

Ein sonderbarer Kauß, der da glaubt, daß die Krone einen An­trag mißbilligen, einer diesen erseßenden Interpellation aber ihre Zu­stimmung geben würde.

Dem einen nicht zu Schaden, dem andern nicht zu Leide" diesen Spruch hätte von Unruh unter sein Bildniß setzen müssen.

Bringen wir nun kurz die Biographie unseres Helden. Geboren 1806 in Tilsit  , studirte in Königsberg  ; wurde Regierungsrath in Pots­ dam  , später Gründer. 1848 wurde er Mitglied der preußischen National­versammlung und war eine Zeitlang Präsident derselben; 1849 wurde er Mitglied der zweiten Kammer; 1859 Mitglied des Nationalvereins; 1863 1873 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses; seit 1867 Mitglied des deutschen Reichstags.

Daß er auch, weil es Mode war, in der Konfliktsperiode Fort­schrittsmann wurde, ist natürlich, natürlicher aber noch, daß er später einer der Hauptbegründer und Haupthelden des Nationalliberalismus war.

Seine politische Thätigkeit ist in den letzten Jahren unter Null gesunken, dagegen hat der verehrte Abgeordnete die Gründerperiode für sich nicht unbenutzt verstreichen lassen. Weil nun die Sozialdemokratie eine Hauptfeindin der Gründerei ist, deshalb ist von Unruh ein Haupt­feind der Sozialdemokratie. Er schreibt infolge dessen auch findische Pamphlete gegen dieselbe, die natürlich nur die Wirkung haben, der Sozialdemokratie weiteren Boden zu schaffen. Diese von Ünrah'schen Sudelschriftchen warnen, da sie von Ignoranz und Servilismus strogen, sofort jeden vernünftigen Leser vor dem Liberalismus und machen ihn dem Sozialismus geneigt.

Zwei Eigenschaften sind noch besonders zu von Unruh's Charakter zu verzeichnen. Wenn der edle Herr in feiner" Gesellschaft sich be­findet, so ergött er sich damit, geistreiche Zoten zu erzählen, wie Hans Blum ausdrücklich einmal von seinem Gesinnungs- und Fraktions­genossen in der ,, Gartenlaube" erzählt hat.

Dann ist die Russenfreundlichkeit des Herrn von Unruh unendlich groß, weil er mit den unkultivirten Russen als Direktor der Nord­deutschen Wagenfabrik und seiner sonstigen Gründungen gute, ja sehr gute Geschäfte gemacht hat ein braver Patriot und Volksvertreter! Nicht wahr?

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Seinem Gesinnungsgenossen Frizz Kapp ist eine solche Russen­freundlichkeit doch etwas zu stark, drum gibt derselbe dem Regierungsrath a. D. und Gründer von Unruh eine Lektion in der ,, Nationalzeitung", indem er meint, daß von Unruh die Herren Russen doch allzusehr durch die Geschäftsbrille angeschaut habe.

Nehmen wir nun Abschied von diesem großen Lichte des preußisch­deutschen Nationalservilismus, dessen hervorragende Eigenschaften wir den Lesern zur Genüge vorgeführt haben. H.

Berichtigung. Vom Rhein   erhalten wir von einem hervorragen­den Parteiführer der christlich- sozialen Anschauung folgende Zuschrift:

Ich möchte Sie bitten, einen Irrthum in dem Artikel ,, Parlamen tarier III" cf. die Neuen Welt" 3. Jahrgang Nr. 6 dahin zu berich­tigen, daß Herr Prof. Ferdinand Walter   in Bonn   nicht im Jahre 1859 gestorben ist, sondern heute dort noch lebt. Derselbe ist freilich hoch­betagt und vollständig erblindet."

Gift im Hause. Welchen schädlichen Einflüssen wir täglich durch den Genuß von gefälschten Nahrungsmitteln ausgesetzt sind, ist von der Presse schon hinreichend besprochen worden. Daß das Fälschungssystem sich aber auch auf unsere nächste Umgebung, wie Wände, Möbel 2c. er­streckt, wird vielen noch unbekannt sein, und grade hier werden die allergefährlichsten und giftigsten Stoffe verwendet. So finden die wegen ihrer Schönheit sehr geschätzten arsenikhaltigen Farben, Schweinfurter Grün, Scheel'sches Grün, Braunschweiger Grün u. dgl., obwohl sie gefeßlich verboten sind, in der mannichfaltigsten Weise Verwendung. So hat man z. B. zuweilen sogar verdächtige grüne Tapeten, um sie verkäuflich zu machen, mit mattgrünen, unschädlichen Farben überzogen gefunden. Es ist dies umso gefährlicher, als man grade bei diesen das Gift nicht vermuthet; häufig findet sich auch das Arsen nicht in der Tapete, sondern in dem Anstrich des die Wand bedeckenden Verpuzes. Jedoch nicht die grünen Farben allein sind es, welche den Verdacht eines Arsengehaltes in nicht unerheblicher Menge als berechtigt erscheinen lassen, sondern man hat einen solchen mehrfach in Tapeten von brauner, grauer, blaugrüner und vor allem auch von rother Farbe nachgewiesen. Es ist deshalb dringend empfehlenswerth, jede Tapete vor ihrer An­heftung auf einen eventuellen Gehalt von Arsen prüfen zu lassen. Aber auch Gegenstände, die dem menschlichen Körper noch näher kommen als Tapeten, und bei deren Verwendung man kaum an ihre gesundheits­gefährlichen Eigenschaften denken möchte, können dem Verdachte eines Arsengehaltes unterliegen. Das Reichsgesundheitsamt hat einen Fall veröffentlicht, bei dem ein baumwollner Futterstoff, der zur Unter­suchung eingesandt war, einen beträchtlichen Gehalt an Arsen enthielt. Der Stoff war auf der einen Seite glatt und von homogener schwarzer Farbe, während die andere Seite eine rauhe Oberfläche von matt­schwarzem Ton zeigte, auf der sich an einzelnen Stellen, mit dem Ge­webe fest zusammenhängend, größere oder kleinere weißliche Punkte oder Flecke bemerkbar machten. Die Prüfung von nur vier Quadratcenti­metern ergab einen starken Arsengehalt. Daß ein solcher Stoff, wenn er in großer Oberfläche, z. B. als Futter u. dgl. zu Kleiderstoffen ver= wandt wird, auf die Gesundheit einen sehr nachtheiligen Einfluß aus­übt, wird wohl niemand bezweifeln, und wenn seine Wirkung im An­fang auch gering ist, sie häuft sich mit jedem Tage in ihren Folgen und kann in vielen Fällen den Keim zu Krankheiten legen, deren Ur­sache oft spät, oft garnicht entdeckt wird. Unter solchen Verhältnissen wäre es Pflicht der Industrie, dem öffentlichen Wohle Rechnung zu tragen und Mittel zu erfinden, die bei gleicher Wirksamkeit die schäd= lichen Eigenschaften des Arsen nicht besitzen. Solange aber die gewissen­lose Privatindustrie auf Gelderwerb um jeden Preis ausgeht, wird man von dem Arsen unter den verschiedensten und häufig unerwartetsten Gestalten bis zum häuslichen Herde verfolgt werden, und die strengsten Maßregeln der Sanitätspolizei werden sich als ohnmächtig erweisen, all' den vielen Betrügereien den Garaus zu machen. H. Schm.

,, König Mammon und die Freiheit" ist der Titel eines ,, neuen Bilderbuchs", welches im Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig   erschienen ist. Bei der Herausgabe dieses Bilderbuchs ist der Wunsch maßgebend gewesen, auf den Weihnachtstisch der Kinderwelt eine Gabe niederzulegen, welche weder zu gedankenlosem Zeitvertreib dient, noch zur Vergiftung des Kindergemüths durch Verbreitung von Kriegs, Mord- und Gespenstergeschichten, noch auch zur Abstumpfung des kindlichen Verstandes durch Pflege religiösen Aberglaubens. Wer die Menschheit ich erobern will, muß bei den Kindern anfangen das ist eine gute Lehre, welche die Anhänger des sozialistischen   Humani­tätsgedankens sehr wohl beherzigt haben. Daß es nicht leicht ist, bei solchen literarischen Erzeugnissen für das erst keimende Denkvermögen und die primitiven Gefühlsregungen der Kinder den rechten Ton, den besten Stoff und die gewinnendste Darstellungsweise zu finden, wird tein Einsichtiger leugnen. Aber gerade mit Rücksicht auf die einem solchen Unternehmen entgegenstehenden Schwierigkeiten ist nicht zu ver­kennen, daß es jedenfalls ein glücklicher Gedanke war, den Mammon, den Hunger, die Heuchelei, Noth und Haß, Geiz und Zwietracht, Rache und Krieg in abschreckenden Gestalten zu personifiziren und abzubilden, während die Freiheit mit ihren Gefolge von Liebe und Frieden, Helden­muth und Gerechtigkeit, Wahrheit und Ruhm, Fleiß und Wissenschaft, Einigkeit und Wohlstand in anmuthigen Bildern vor dem Kindesauge erscheinen sollte. Bezüglich des Tertes, welcher den Bildern und den sie erläuternden einfachen Versen beigegeben ist, wird man sogar ge­stehen müssen, daß er aus einem ungewöhnlich reichen Schaze literarischer Kenntnisse mit seltenem Geschick Passendes und Treffliches auszuwählen wußte. Wir wünschen, daß der durch die Höhe der Herstellungskosten bedingte Preis des Bilderbuchs( M. 1,20) seiner Verbreitung nicht hinderlich sein möge.

G.

Burg Rheinstein( Bild Seite 112). Auf dem linken Ufer des Rheins, in jener ebenso durch landschaftliche Schönheit als durch histo­rische, bis in die Römerzeit hinaufreichende Erinnerungen und Ueber­bleibsel ganz ungewöhnlich ausgezeichneten Gegend, gegenüber von Aßmannshausen, der Heimat des schönen rothen Rheinweins, liegt auf 250 Fuß über den Strom sich erhebenden Felsen die uralte Burg Rheinstein. Schon im 13. und 14. Jahrhundert geschieht der Burg unter dem Namen Voitsberg  , Fuidsberg, auch Faißberg Erwähnung,