im oben angeführten Beispiele, so werden nach 20 Stunden an jener feuchten Stelle der Hostie nicht weniger als eine Milliarde Individuen beisammen liegen, und diese ansehnliche Zahl dürfte genügen, um von unserem unvollkommenen Auge als kleiner rother Fleck wahrgenommen werden zu können.

Das ist die natürliche Geschichte der blutenden Hostien". Ich habe das Experiment der Uebertragung und künstlichen Züchtung dieser seltsamen Organismen seit dem 25. Juli 1877 ungefähr drei Wochen hindurch mehrmals wiederholt und der Seltenheit der Erscheinung wegen mit großem Interesse verfolgt bis zu der Zeit, da die Kultur der Wundermonaden wegen der Heberhand­nahme von gewöhnlichen Fäulnißpilzen und des gemeinen Knopf­schimmels( Mucor Mucedo) nicht mehr gelingen wollte. Von den

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überraschenden Erfolgen dieser Kulturversuche haben nicht allein meine Hausgenossen, sondern auch meine Schüler und etliche Freunde Einsicht genommen. Wir alle haben nun verstanden, wie es im Mittelalter und seither zu wiederholten malen dem raffinirten Priestertrug gelingen konnte, wochenlang mit, blutenden" Hostien die Gläubigen zu fanatisiren, großartige Prozessionen und Wallfahrten, ja sogar Juden- und Keßerverfolgungen in Szene zu sehen. Wir haben uns davon überzeugt, daß die blutenden Hostien" nichts anderes waren, als faulende" Oblaten. Das blutende Brod des Leibes Christi war nichts anderes, als ein mit einer besondern Form von Spaltpilzen geimpftes menschliches Nahrungsmittel.

Deutschlands Festzeit.

Skizzen aus den Jahren 1860-1863 von..

" Die Schranken sind im Vaterlande gefallen, die aufgebaut waren zwischen Süd und Nord," so jubelte man auf dem leipziger Turnfeste, welches vom 1. bis 5. August 1863 stattfand. Und nach demselben hieß es in allen Zeitungen und öffentlichen Dr­ganen:" Der Schleswig- Holsteiner und der Tiroler, der Königs­berger und der Wiener , der Berliner und der Münchener , sie lagen sich in den Armen und gelobten sich unter heißen Bruder­füssen ewige Treue."

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Es war ein schönes Fest, das leipziger Turnfest das unterliegt. feinem Zweifel. 16,000 auswärtige Turngenossen und 5000 aus Leipzig und der Umgegend waren beisammen, und jeden Tag strömten ebensoviele Festtheilnehmer aus den benachbarten Städten und der Umgegend in die alte Handelsstadt; man sagte, daß am 2. August, der ein Sonntag war, über 50,000 Menschen das Fest von auswärts besucht hätten.

Deputationen aus Amerika , England, der Schweiz , Sieben­ bürgen , Italien , Holland , Rußland und Australien waren er­schienen, und über 1200 Desterreicher feierten das deutsche Turnfest noch als Deutsche mit.

Die deutschen Eisenbahnen und bayrischen Staatsbahnen Fahrpreise gewährt.

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ausgenommen die preußischen hatten den Turnern ermäßigte

Sonnabend, den 1. August, fand in der Festhalle gegen Abend 8 Uhr der offizielle Empfang statt, bei welchem Dr. Koch, Bürgermeister von Leipzig , die Begrüßungsrede hielt, auf die der Festpräsident Georgii aus Eßlingen dankend antwortete.- Sonntag Vormittags Turntag; allerlei Streitereien um des Kaisers Bart, den die einen lieber in schwarz- roth- goldenem, die andern in schwarz- weiß- rothem Glanze erblicken wollten. Mittags großes Festessen, Telegramm an den König von Sachsen , Ant­wort desselben, Rede des von Dresden angelangten Ministers Beust über deutsche Einigkeit und Freiheit und abends wurde fortgekneipt.

Montag, den 3. August, fand der Festzug statt. Nun, wir wollen offen gestehen, daß alle militärischen Schauspiele, alle Voltsaufzüge gegen das prachtvolle und großartige Bild, welches derselbe darbot, sehr in den Schatten treten. Turner aus 830 Ort­schaften befanden sich im Zuge; gegen 700 Fahnen wallten empor. Voran marschirten die nichtdeutschen Turner, dann die Schleswig­Holsteiner und Hanseaten, dann die Desterreicher, dann die vom Rhein und aus Westfalen, dann die Bayern u. s. w.- zuletzt die heimischen Sachsen .

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Das muß man der leipziger Bevölkerung nachsagen, daß sie ihre fremden Gäste zu behandeln wußte, und auch schon vor dem Festzuge zeigte sich dies. Die glühende Hiße, das lange Warten machte die Turner vielfach ungeduldig die leipziger Bürger aber schleppten Bier und Wein und andere Erfrischungen auf die Sammelplätze, plauderten mit ihrer Einquartirung in der herzlichsten Weise und brachten so schon Leben und Vergnügen auf alle Straßen und Sammelplätze.

Drei Kanonenschüsse bezeichneten den Abgang des Zuges, der sich unübersehbar und länger als zwei Stunden durch die Straßen der Stadt nach dem Feſtplaze bewegte. Der Begrüßungsjubel in den Straßen war betäubend; es regnete aus schönen Händen

Dr. A. D.-P.

Blumensträuße, Konfekt- ja, einem meiner Freunde wurde der Strohhut durch einen wohlgezielten Wurf mit einer starken Chokoladentafel zertrümmert; aber in der allgemeinen Begeiste rung wurden solche Unvorsichtigkeiten nicht übelgenommen. Als Sträußchen, Kränze und Süßigkeiten in der Hize des Gefechts die Damen hatten keine Ahnung, wieviele tausende von Turnern noch folgten verschleudert und im Triumphe von den Turnern erobert waren, da blickte manches Auge traurig hernieder, traurig empor, daß man nicht mehr spenden und nicht mehr empfangen konnte; doch Liebe und Begeisterung macht erfinderisch. Taschen tücher wehten in die Straße hinab; Schleifen und Bänder folgten, und es wurden an langen Bindfaden selbst aus dem dritten und vierten Stock gefüllte Weinflaschen herniedergelassen, die dann auf dem langen Marsche die staubbeladenen Turner erquickten.

Die kostbarsten Szenen fonnte man da erblicken; es galt gar nicht für eine Unart, wenn ein hübscher, schlanker Turner einer der zahlreichen Schönen, die auf der Straße standen oder zu meist in den Fenstern lagen, einen Ruß raubte. Er hatte ja nur die deutsche Jungfrau und nicht das Weib geküßt. So sah ich selbst einen gewandten Rheinländer mit affenartiger Geschwin­digkeit" an einer Wasserrinne emporsteigen, sich auf das Wand­gesims unter den Fenstern des zweiten Stockes schwingen und einem dort ahnungslos in den hellen Jubel hineinschauenden Mädchen einen Kuß rauben". Ein lauter Schrei, ein helles Lachen der andern Damen, ein herzliches Nichts für ungut!" des rheinischen Jünglings- und rasch war der Turner an der Wasserrinne wieder herabgeglitten; er schwenkte seinen Hut nach dem Fenster, das purpurrothe Gesichtchen wandte sich verschämt ab und mir fam's so vor, als hätte Gott Amor wieder einmal einen seiner schändlichen Streiche gespielt. Das Mädchen war sichtlich in's Herz getroffen, der junge Rheinländer aber in seinem Uebermuthe dachte nicht an solche Folgen seines lustigen Streiches.

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Daß die drallen oder, wie die Desterreicher und Bayern sagten, die feschen" altenburger Landmädchen, die sich zahlreich eingefunden hatten, bei dem Küssen nicht zu kurz kamen, dafür sorgte wohl hauptsächlich ihre eigenthümliche Tracht, denn, offen gestanden, außer der Tracht ist weder etwas Hübsches noch Interessantes an diesen Mädchen."

Auf dem Festplage hielt zuerst Dr. Göz eine Festrede, aus der ich nur die Worte Einigkeit und Freiheit behalten habe und fragt man jetzt den verehrten Herrn, der in Lindenau bei Leipzig wohnt, so ist ihm die damals gepriesene Einigkeit" die Einigkeit der preußischen alles überspannenden Pickelhaube ge­worden und die Freiheit sie liegt in politischer Beziehung unter der Bismarc'schen Einigkeit begraben, in sozialer Beziehung bedeutet sie aber für die große Masse des deutschen Volkes die Freiheit des Hungerns.

Am Abend desselben Tages, nachdem an 10,000 Turner Frei­übungen exerzirt hatten, fand ein Nachtmanöver der leipziger Feuerwehr statt, welchem man die größte Anerkennung nicht ver­sagen konnte.

Dinstag, den 4. August, war große Festtafel, bei welcher ein Herr Lecher aus Wien den verfassungsgetreuen preußischen Abgeordneten ein Hoch ausbrachte der Aermste, er ahnte nicht, daß diese Verfassungstreue" bald schon vor dem Erfolge im Staub liegen würde. Der alte Venedey hielt auch eine begeisterte Rede für